Europa lebt in Herzogenaurach
Autor: Richard Sänger
Herzogenaurach, Sonntag, 12. Mai 2019
Auf dem Marktplatz sprachen sich etliche Redner gegen Populismus und Rassismus aus.
Mit einer Europa-Kundgebung wurde auch in Herzogenaurach der Endspurt im Europawahlkampf eingeläutet. Unter dem Motto "Herzogenaurach für Europa" sollte ein Zeichen gegen den Populismus und für ein Miteinander der Menschen gesetzt werden.
In seiner Begrüßung wies Bürgermeister German Hacker (SPD) darauf hin, dass manche Menschen dazu neigen, die EU erst mit Stichworten wie "Brexit" oder "Uneinigkeit" in Verbindung bringen. Wohlwissend, dass Europa immer ein Projekt sein wird, an dem ständig gebaut werden muss, sei es sein Anliegen, die existenziell wichtigen Errungenschaften eines geeinten Europas wie Frieden, Wohlstand und Sicherheit in den Mittelpunkt zu rücken.
Wie Hacker erklärte, folge die Stadt als Mitglied der Allianz gegen Rechtsextremismus in der Metropolregion Nürnberg gerne dem Aufruf und dokumentierte mit dem Satz "Wer Demokratie wählt, wählt keine Rassisten" eine klare Haltung gegen jede Form von Nationalismus und Rassismus. Hacker betonte, die Zukunft der Jugend gehört und begrüßte die Schülersprecher der drei weiterführenden Schule, die symbolisch für die mehr als 3000 Schüler sprachen: Larissa Seiler von der Mittelschule, Laureen Eidloth vom Gymnasium und Rik Johnen von der Realschule. Der Bürgermeister erinnerte auch daran, dass in Herzogenaurach über 1813 EU-Bürger leben und mit Ausnahme von Malta alle EU-Länder vertreten sind.
Europäische Vergangenheit
Die Hauptrede der Kundgebung hielt Historiker Christian Hoyer, der auch im Stadtarchiv und Stadtmuseum tätig ist. Hoyer sprach zum Thema "Erfolgsmodell Europa - mit Blick auf die Bedeutung für Herzogenaurach". "Heute kann ich Europa endlich ein wenig von dem zurückgeben, was mir Europa in all den zurückliegenden Jahren schon persönlich gegeben hat", erklärte Hoyer eingangs. So habe seine Familie durch die Verwerfungen des 20. Jahrhunderts viel Unheil und Leid erfahren, um schließlich nach Flucht und Vertreibung hier eine neue Heimat, Freiheit, Demokratie, Arbeit und den Frieden zu finden. Hoyer bemerkte, dass auch Herzogenaurach mit seiner tausendjährigen Geschichte ein faszinierender europäischer Ort sei. So sei es heute kaum jemandem mehr bewusst, dass Herzogenaurach nahezu 800 Jahre lang eine Grenzstadt war. Der Krieg sei für die Vorfahren nahezu allgegenwärtig gewesen, und durchziehende Heere, Einquartierungen, Brandschatzungen gab es vom 15. bis ins 18. Jahrhundert immer wieder. "Schweden, Franzosen, Kroaten, Holländer, Polen, Österreicher, Preußen, ganz Europa - in einem negativen Sinn - kam durch Herzogenaurach."
Das Trennende zwischen den Menschen, den Europäern, das Belastende, das Zwietracht, Neid und Krieg in Europa hervorrief, zeige sich damit nicht zuletzt am Beispiel Herzogenaurachs über die Jahrhunderte sehr augenfällig, und die Mächtepolitik der Fürsten habe die Europäer jahrhundertelang entzweit.
Doch dann zog im 19. Jahrhundert das nächste Schreckgespenst auch über Herzogenaurach auf: der Nationalismus, der bitterste Feindschaften unter den Nationen erzeugte, und schon bald die Europäer in immer neue Kriege verwickelte. Hoyer erinnerte an die vielen Herzogenauracher, die in den Kriegen ihr Leben lassen mussten. Dann kamen die Nachkriegsjahre, und Flüchtlinge sowie Vertriebene strömten ab 1945 in die Stadt.
Erst später sollte sich der Bevölkerungszuwachs als Segen für Herzogenaurach erweisen, der unter ganz anderen, positiven Vorzeichen bis heute anhalte und zur Identität des heutigen Herzogenaurachs gehöre; eines weltoffenen Herzogenaurachs mit internationalem Flair und Einwohnern aus unzähligen europäischen Ländern und darüber hinaus.