Elend schockiert Besucher aus Franken
Autor: Richard Sänger
Herzogenaurach, Dienstag, 06. März 2018
Ernst Klimek von den "Zubzas" berichtet von der großen Armut, die eine kleine Delegation aus Herzogenaurach und Weisendorf in Indien vorgefunden hat.
Anita und Ernst Klimek vom "Zubza-Team" aus Weisendorf berichteten für westliche Verhältnisse Schockierendes aus Sechü-Zubza (Nagaland) in Indien. Täglich besucht das Ehepaar Klimek derzeit zusammen mit Pater Samuel Elow ihr Patenkind Maria, eines von 88 Patenkindern der "Zubzas", sowie weitere Patenkinder in ihren Behausungen.
Wie Klimek aus dem Nagaland berichtet, können sie sich ohne die Übersetzung in die Angami-Sprache nicht mit den Eltern austauschen, da diese kein Englisch beherrschen. "Auch würden wir uns in den verwinkelten Hüttensiedlungen nicht alleine zurecht finden", schreibt Klimek. Weiter berichtet er: "Nähern wir uns den Hütten, scharen sich die Kinder um uns, begrüßen uns strahlend lächelnd. Aus Dankbarkeit für die Schulgeldübernahme wird Anita Klimek von Mutter Rino in die Arme genommen und geküsst. Wir stellen uns den Familien vor und erklären, dass wir die Fotos den Pateneltern zukommen lassen. Oft laden uns die Eltern ein, in die Hütte einzutreten, wobei die verschiedenen Nöte zu Tage kommen: Vater verstorben oder es fehlen beide Elternteile, Frauen arbeiten als Tagelöhner auf dem Feld oder im Straßenbau, Männer klopfen Steine für den Straßenbau und verdienen damit mehr als ein Lehrer in der Don-Bosco-Schule. Etwa 50 Frauen versuchen, mit dem Verkauf von Süßigkeiten - ein Bonbon kostet eine Rupie - einen kleinen Erlös zu erzielen. Durch die Mast von zwei Schweinen und deren Verkauf wird ebenfalls der Etat verbessert. Jeder versucht, durch unterschiedliche Einnahmequellen ein paar Rupien zu verdienen, um die Familie über Wasser zu halten. Die Schulgeldübernahme ist für die Familien eine sehr große Entlastung.
Keine Krankenversicherung
Die Mutter von Mohan Robert berichtet uns, dass ihr Mann als Taxifahrer 35 Euro im Monat nach Hause bringt. Mit einem Mini-Shop versucht die Frau das Monatseinkommen zu erhöhen, um die Miete von knapp 25 Euro bezahlen zu können. Ohne Patenschaft wäre der Schulbesuch von Robert nicht möglich, sein Bruder hingegen muss wegen des fehlenden Geldes zu Hause bleiben. Es gibt keine Krankenversicherung, Renten- oder Arbeitslosenversicherung: Ohne Arbeit kein Geld, Kinder sind für die Eltern im Alter die einzige Lebensversicherung. Die Salesianer Don-Boscos bemühen sich sehr, vielen Kindern den Unterricht zu ermöglichen und ihnen die Chance auf eine bessere Zukunft zu geben. Rund 50 Prozent der Nagas leben in undichten kleinen Bambus- und Blechhütten in einem oft sehr verschlissenen Zustand. Zeitungen an den Bambuswänden sollen Wind und Kälte abhalten, was jedoch kaum die Kälte auf 1100 Meter Höhe in den Winternächten mildert. Selbst in den Gebäuden der Salesianer erfahren wir am eigenen Leib die nächtliche Kälte, oftmals bei nur 7 bis 10 Grad. Beim Frühstück und Abendessen sitzen wir mit Anorak, Schal und auch mal mit Mütze. Ebenso schlafen wir mit Wintersocken, zwei Schichten Nachtwäsche und mehreren Decken. Im Januar kann die Temperatur nahe an den Gefrierpunkt fallen. Eine Ordensschwester zeigte uns ihre Erfrierungen an den Fingern, die sie in den Räumen des Konvents erlitten hatte.
Ein Bett für vier Jungs
Die Wohnflächen in den Hütten sind sehr beengt. Die Küchen- und Wohnecke ist mit einer halbhohen Bambuswand oder einem Tuch vom Schlafraum getrennt. Wir sehen zum Beispiel in einer Blechhütte vier Jungs auf einem Bettgestell, der 15-jährige Patenjunge Suraj darf auf einer Einzelpritsche schlafen und die Eltern finden nur noch auf dem Lehmboden Platz. Der Schlafraum der undichten Blechhütte misst maximal 15 Quadratmeter. Die wenigen Wäschestücke hängen an Holzlatten. Jede Garage bei uns bietet mehr Schutz vor Wind und Kälte. Die Lebensverhältnisse sind hier menschenunwürdig und katastrophal, vor allem in der kalten Winterzeit. Beim Anblick vieler Behausungen sind wir sehr betroffen und noch mehr, wenn wir die dunklen Hüttenräume betreten: Es berührt uns tief im Herzen und manchmal sind wir auch den Tränen nahe", schreibt Klimek."In der Küchenecke befindet sich die offene Feuerstelle, wenige Kochutensilien lagern auf Holzbrettern. Manchmal hängen ein paar Fleischstreifen über der Feuerstelle, die einzige Möglichkeit, diese ohne Kühlschrank haltbar zu machen. Fleisch gibt es höchstens einmal im Monat oder an Festtagen. Reis mit Dal und wenig Gemüse werden, wenn überhaupt, dreimal am Tag gegessen. Ein Verschlag aus Plastik oder Blech dient als Toilette und Baderaum, selten aus Ziegelstein errichtet. Kein fließendes Wasser, keine Dusche, keine Toilette in der Hütte. Wie im Mittelalter!
Die absolute Armut, die Anstrengungen, an Wasser zu gelangen, haben uns schockiert. Frater Samuel Elow, der Schulleiter, sucht nach Rücksprache mit den Lehrern besonders bedürftige Kinder für die Pateneltern aus. Kriterien wie geringer Verdienst oder Elternteile verstorben sind für die Auswahl wichtig. Deswegen ist die Schulgeldpatenschaft für die Familien eine große Hilfe und bei jedem Besuch wurde ein Dank an die Pateneltern mitgegeben.
Wenn du ins Nagaland gehst, um Not leidenden Menschen zu helfen, bekommst du eine neue Familie und ein neues Zuhause. Lernen, Bildung und Wissen in der Don-Bosco-Schule bedeuten für die Kinder und Jugendliche mehr als Schreiben, Lesen und Rechnen lernen. Denn eine gute schulische Ausbildung schenkt neben den nötigen Fähigkeiten auch Selbstbewusstsein, Selbstvertrauen und den Mut, das eigene Leben selbst in die Hand zu nehmen. Nur so können die Mädchen und Jungen den Teufelskreis aus fehlender Bildung und Armut durchbrechen, für sich und nachfolgende Generationen", schreibt Klimek abschließend. Bildung sei das Fundament für eine bessere Zukunft. Auf dem indischen Arbeitsmarkt gelte das Prädikat "convent educated" als Gütesiegel. Wer von einer christlichen Schule kommt, habe gute Chancen auf eine erfolgreiche Zukunft im aufstrebenden Indien.