Eine unterhaltsame Reise durch Franken
Autor: Rudolf Görtler
Höchstadt a. d. Aisch, Mittwoch, 21. Mai 2014
Dass ein Buch über Franken nicht in öde Heimattümelei ausarten muss, zeigte ein Autorenduo in Höchstadt. Matthias Egersdörfer und Jürgen Roth sind der Region in Liebe und Hass verbunden.
Matthias Egersdörfer als der Mann fürs Grobe? Auch. Man kennt den in Lauf an der Pegnitz aufgewachsenen und jetzt in Fürth wohnhaften, wohl beleibten Mann als Brachial-Kabarettisten. Wobei diese Etikettierung eher eine Verlegenheitslösung ist: Richtiger wäre Vortragskünstler; der Literat Egersdörfer publiziert vornehmlich auf offener Bühne und nicht zwischen Buchdeckeln.
Vornehmlich: Denn mit der "Reise durch Franken" hat der Fürther ein Großwerk vorgelegt. Freilich nicht allein, sondern mit einem kongenialen Partner, dem Frankfurter Schriftsteller Jürgen Roth, den allerlei (Familien-)Bande mit Franken verknüpfen. Egersdörfer als Ureinwohner mit dem grollenden Dialekt, Roth als scharfsinniger und -züngiger Polemiker: Da haben sich zwei gesucht und gefunden.
Schnell wurde klar: Franken-Bücher gibt es in Massen wie Küchli bei einer mittelfränkischen Kerwa. Die meisten sind neutrale Reiseführer oder aber tümeln gewaltig - eine einheitliche fränkische Identität heraufzubeschwören ist lächerlich und peinlich - und die Sache des Autorenduos Egersdörfer/Roth ganz gewiss nicht. Haben sie doch ihre Reise unter das Catull'sche Motto "Ich hasse, und ich liebe" gestellt. Was in ihrem Fall bedeutet, dass sie mit immenser Belesenheit eine kleine Geschichte Frankens in Sonderheit der jüngsten Vergangenheit entfalten. War doch diese Region ein frühes Zentrum der NS-Bewegung.
Eingespieltes Duo
Jedoch sparten sie diese düsteren Kapitel beim Höchstadter Auftritt weitgehend aus. Roth und Egersdörfer ergänzten sich ganz wunderbar: Las der eine in geschliffenem Hochdeutsch, wehte mit dem Dialekt, der galligen Diktion des anderen mehr als ein Hauch von Egersdörfers Bühnen-Präsenz durch den Saal.
Hassen und lieben: Bekennt sich Roth zu seinem "nostalgisch-sentimentalen Verhältnis zur Gegend", zu den landschaftlichen Preziosen, empören ihn andererseits die Bausünden, die durch Baumarkt-Einerlei entstandenen Verwüstungen. Wenn einfache Leute reden, wort- und dialektgetreu protokolliert, ist das komisch, aber niemals hämisch: "Seht her, so blöd sind die" wird eben nicht unterstellt, sondern eher liebevoll die Tristesse etwa in Nordost-Oberfranken (die Anisbrezel aus Naila als Symbol für fränkischen Selbsthass) geschildert.
Burlesk wird es, wenn die Franken als Volksstamm porträtiert werden, der sein eigenes Bier verschmäht, oder als in den 80er Jahren gefesselte lebende Anachronismen mit surrealen Busfahrplänen. Naturgemäß darf ein Wortlaut-Interview mit dem "nicht mehr satisfaktionsfähigen" (Roth) Lothar Matthäus nicht fehlen, das eine ganz eigene Hochkomik demonstriert. Hassen und lieben: Die Fränkische Schweiz, Sehnsuchtslandschaft seit der romantischen Reise von Wackenroder und Tieck vor 200 Jahren, fasziniert auch das Autoren-Duo. Freilich nicht nur wegen der Landschaft, sondern auch der vielen kleinen Brauereien halber - der Bierexperte Roth trug eine persönliche Hitparade vor.
Es war eine unterhaltsame Lesung, die mehr Zuhörer verdient hätte. Wer sie verpasst hat, kann in dem Buch alle Facetten fränkischer Befindlichkeiten nachlesen. Es ist sicher das zurzeit geistreichste zum Thema, zu messen allenfalls an den längst vergriffenen "Dornröschenträumen und Stallgeruch" des jüngst gestorbenen Karlheinz Deschner, auf den sich auch Egersdörfer und Roth bewundernd berufen. Seinen Aphorismus "Ich bin leidenschaftlicher Franke, ansonsten apatriotischer Kosmopolit" würden die beiden wohl unterschreiben.
Zum Buch: Matthias Egersdörfer/Jürgen Roth: Die Reise durch Franken. München: Piper 2014. 351 S., 22,99 Euro