Druckartikel: Eine neue Nase ist einer Kaufsüchtigen aus Herzogenaurach geblieben

Eine neue Nase ist einer Kaufsüchtigen aus Herzogenaurach geblieben


Autor: Nikolas Pelke

Herzogenaurach, Montag, 04. April 2016

Eine Buchhalterin aus Herzogenaurach soll über Jahre 2,7 Millionen Euro veruntreut haben. Das Geld hat sie für teure Handtaschen und eine Nase ausgegeben.


Teilnahmslos lauscht die Angeklagte mit der blonden Dauerwelle den endlosen Zahlenreihen, die die Staatsanwältin am Montagmorgen vor dem Landgericht Nürnberg-Fürth zum Prozessauftakt vorträgt.
Die Buchhalterin soll ihren ehemaligen Arbeitgeber mit gefälschten Buchungen um rund 2,7 Millionen Euro betrogen haben. Angeklagt ist die 52-Jährige aus Herzogenaurach wegen Untreue in insgesamt Sage und Schreibe 447 Fällen.

Die Staatsanwältin trägt jede Buchung einzeln - mit allen dazugehörigen Kontonummern und Bankleitzahlen - vor, mit der sich die Frau das Millionenvermögen zwischen März 2010 und Januar 2015 ergaunert haben soll.
Mit dem erschwindelnden Geld hat sich die Frau ihre Konsumträume erfüllt. Das meiste Geld soll für Luxusartikel wie Handtaschen, Pelze und Uhren draufgegangen sein.



Bei der Veruntreuung ist die ehemalige Mitarbeiterin aus der Finanzabteilung einer Internet-Seite für Hotelbuchungen genauso naiv wie clever vorgegangen. Provisionen für Hotelbuchungen habe sie meistens einfach auf ihr eigenes Konto unter ihrem vollständigen Namen überwiesen.


Keine Böswilligkeit

Kunden seien bei ihren Machenschaften nicht geschädigt worden, wie vor Gericht erklärt wurde. Den Vorgesetzten des Hotelportals sei der Schwindel aus unerklärlichen Gründen nicht aufgefallen. Arglistig habe sie die Firma jedenfalls nicht getäuscht, sagt die geständige Angeklagte zum Prozessauftakt.

Dem Hotelportal hätte der Schwindel mit "zwei Mausklicks" auffallen können. Sie habe sogar selbst jederzeit damit gerechnet, aufzufliegen, erklärte sie. Am Anfang habe sie aus Finanznot gehandelt. Nach einer Trennung habe sie "ganz von vorne" anfangen müssen. Sie habe sogar neben der Arbeit in der Buchhaltung einen Job als Kellnerin annehmen müssen, um die neue Wohnung und die Möbel bezahlen zu können.


Königin in Luxusläden

Später sei sie freilich bei ihrer Masche geblieben, weil sie den "Kick" in Luxus-Geschäften gesucht habe. Schließlich sei sie dem Kaufrausch verfallen. In Luxusläden sei sie wie eine Königin behandelt worden.
Das "Zeug" habe sie nur für den Kleiderschrank gekauft. Dort sollen sich beispielsweise drei Zobelmäntel - einer habe über 200 000 Euro gekostet - gestapelt haben.

Erst als man nach vielen Jahren beginnt, die Fehlbeträge in der Finanzabteilung der Firma langsam zu suchen, macht die Angeklagte reinen Tisch und zeigt sich selber an.

Ein "Luxusleben mit Champagner-Feten" habe sie trotzdem nicht geführt. "Ich habe ganz normal bei Aldi eingekauft." Die teuren Boutiquen hätten aber eine magische Anziehungskraft auf sie ausgeübt. "Ich habe das Zeug nur gekauft, um es zu haben."


Luxus wurde verpfändet

Geblieben ist ihr heute nur eine neue Nase. Die Schönheitsoperation hatte sie sich von den Millionen gegönnt. Das kleine Reihenhaus in Herzogenaurach muss sie dagegen wieder verkaufen. Auch der restliche Luxus-Kram von ihrer großen Shopping-Tour sei längst verpfändet oder versteigert worden. Derzeit stottere sie von ihrem Gehalt die Millionenschulden ab. Sie habe wieder eine Stelle als Buchhalterin gefunden.

Ihr neuer Arbeitgeber wisse nichts von ihrer Vergangenheit. Zum Glück habe sie nichts mehr mit Zahlungen zu tun. Vollständig geheilt von der Kaufsucht sei sie jedenfalls noch nicht. Sie gehe weiterhin zum Psychologen und meide die Innenstadt, um nicht rückfällig zu werden. "In meiner Freizeit versuche ich mit Putzen abzulenken", sagt die zierliche Frau mit den blonden Haaren und der großen Shopping-Leidenschaft mit fester Stimme. Am Freitag soll das Urteil gesprochen werden.