Eine Faust, die niemand vergisst
Autor: Michael Busch
Herzogenaurach, Montag, 19. Februar 2018
Ein vom Fotografen John Dominis festgehaltener Protest gehört zu den bekanntesten politischen Protestaktionen des 20. Jahrhunderts.
Phil Bosmans muss an Tommie Smith gedacht haben, als er einst sagte: "Suche nicht die großen Worte, eine kleine Geste genügt." Der Olympionike Smith kennt den belgischen Geistlichen und Zitatgeber nicht. Aber er stimmt dem Satz zu.
"Ich bereue nichts", sagt der Athlet heute. Und er würde trotz aller Nachteile wieder so handeln, das gab er bei einem Besuch bei Puma zu. Einen Tag nach der Verleihung des 9. Internationalen Friedenspreises in der Dresdner Semperoper besuchte der Olympiasieger und Bürgerrechtsaktivist Herzogenaurach und seinen "Schuhlieferanten" Puma.
Ein schwarzer Handschuh
Im Jahr 1968 war es eine Faust, mehr nicht. Nicht angriffslustig, nicht auf einen Menschen zielend. Sie war einfach gen Himmel gestreckt, in einem schwarzen Handschuh steckend. Allerdings während eines besonderen Momentes. An diesem Tag hatte er schon einmal die Arme hochgerissen, ohne Handschuhe. Mit 19,83 Sekunden hatte er den ersten von der International Association of Athletics Federations (IAAF) anerkannten zeitautomatischen erfassten Weltrekord in der Geschichte erlaufen. 200 Meter hatte er in einem Wahnsinnstempo zurückgelegt und bereits da wussten die Sportexperten, dass er in die olympische Geschichte eingehen werde. Doch Smith ging ebenso wie der Bronzegewinner John Carlos in einem ganz anderem Zusammenhang in die Annalen des Sportes ein, und das auch erst am Abend des ruhmreichen Tages. Vor allem war es keine sportliche Aktivität, wobei Fairness eine wichtige Rolle spielte.
An diesem 16. Oktober verlassen die beiden schwarzen Sportler die Katakomben des Olympiastadions zusammen mit Peter Normann, dem Silber-Medaillen-Gewinner. Alle drei haben sich auf die Brust ihrer Trainingsjacken einen Aufkleber des OPHR geheftet - als Zeichen des Protestes gegen das IOC. Smith und Carlos fallen auf, weil sie barfuß über den Rasen gehen, ihre Laufschuhe in der Hand. Eine Anspielung auf die Armut von Schwarzen in ihrem Land.
Doch zur weltweiten Diskussion führt dann eine kleine Geste. Smith und Carlos senken beim Ertönen der US-Nationalhymne den Kopf. Sie recken dem aufgezogenen Star-Spangled-Banner eine schwarz behandschuhte Faust entgegen. Der "Black Power Salute" wird weltweit verstanden. Solidarität mit all jenen, die gegen Rassismus und Apartheid kämpfen, sowie eine "Kampfansage gegen das Amerika des verächtlich segregierenden weißen Mannes", wie Smith später erklärt. Die Folge: Das IOC verweist Smith und Carlos umgehend des Olympischen Dorfes. Das eigene Team schließt sie aus seinen Reihen aus. Wettkämpfe fanden ohne die beiden Topathleten statt.
2018 jährte sich diese Protestaktion zum 50. Mal. Ein Grund für die besondere Auszeichnung mit dem Friedenspreis. John Dominis hatte diesen bewegenden Moment festgehalten und das Foto ging um die Welt. Diese Aktion ist nicht vergessen, sondern aktuell wie selten zuvor. Denn Tommie Smith ist zurzeit Vorbild für NFL-Spieler wie Colin Kaepernich, die gegenwärtig gegen Rassismus kämpfen.
Es gibt Unterschiede
Smith sieht allerdings Unterschiede. 1968 war es ein Kampf gegen eine falsche Ideologie. "Wir Schwarze wurden nur beachtet, wenn wir Erfolge für die Weißen brachten", fasst der Sportler in einen Satz zusammen. "Es war damals ein Kampf gegen gesellschaftliche Fehler", erklärt Smith. Die heutigen Aktionen seien vielmehr auf eine politische Fehlausrichtung ausgerichtet."Wir haben damals nicht gegen die Flagge und die Hymne protestiert, sondern gegen das Denken, was dahinter stand", führte der Olympionike aus. Und er ergänzte: "It was not a revolution - it was a change!" Es war keine Revolution, sondern es ging um die Weiterentwicklung. Etwas, das heute noch wichtig sei, um zu verstehen, was er und Carlos damals gemacht hätten. Sie haben die Plattform Olympia genutzt, um diese Nachricht weiterzugeben.
Die Legende lebt
Spannend wird es, wenn Smith sich zur "lebenden Legende" äußert. Klar mache ihn das stolz, "aber es ist auch eine Verpflichtung". Er erklärt: "Ich muss das weitergeben und die Menschen, speziell die jüngeren Menschen, aufmerksam auf die Fehler in unserer Gesellschaft machen." Und um das zu unterstreichen: "Eine lebende Legende darf nicht allzu viele Fehler machen." Die hat Smith offensichtlich nicht gemacht, denn in der Begründung der Vergabe des Friedenspreises an ihn schreibt die Jury: "Die Geste der Sportler Tommie Smith und John Carlos auf dem Siegerpodest der Olympischen Spiele 1968 in Mexiko war eine der beeindruckendsten
öffentlichen Demonstrationen gegen Rassendiskriminierung im letzten Jahrhundert. Eine stumme Protestaktion, die Teil der Geschichte von Zivilcourage geworden ist."
Besuch in der Stadt
Smith lebt diese Vorstellung weiter. Der studierte Soziologe möchte seine Erfahrungen weitergeben. "Wir müssen begreifen, dass wir Menschen nur eine gewisse Zeit auf der Erde sind. Und in dieser Zeit haben wir eine besondere Verantwortung." Smith unterstreicht, dass diese Verantwortung aber nicht in der feindlichen Auseinandersetzung liegen kann. "Wir müssen uns weiterentwickeln", mahnt er an. Das Puma-Urgestein Helmut Fischer kann dem nur beipflichten. "Wir haben viele Stars, viele Weltmeister hier, aber solch eine Legende wie Tommie Smith in unserem Haus zu haben, ist etwas Besonderes." So sei es selbstverständlich, dass er sich auf dem Puma Fame of Walk verewigen werde, dass er dem Star der Olympischen Spiele 1968 die Firma, aber auch Herzogenaurach zeige.