Ein Haus mit langer Tradition
Autor: Evi Seeger
Weingartsgreuth, Sonntag, 10. März 2013
Den Landgasthof Weichlein in Weingartsgreuth gibt es inzwischen seit über 225 Jahren. Erich Weichlein führt das Unternehmen in der siebten Generation und hat es zu internationaler Bekanntheit gebracht.
Immer am Puls der Zeit, so könnte man das Erfolgsrezept von Erich Weichlein umschreiben. Vor 21 Jahren hat er den gleichnamigen Landgasthof in Weingartsgreuth - ein mehr als 225 Jahre altes Familienunternehmen - von seinem Vater Hans übernommen. Tradition verpflichtet: Erich Weichlein führt das Haus nunmehr in der siebten Generation und hat es zu einem bekannten gastronomischen Betrieb mit internationalen Gästen gemacht. Bleibt zu hoffen, dass auch Sohn Philipp, derzeit im zweiten Ausbildungsjahr zum Koch, die Tradition weiter führt.
Es war einmal ein schlichtes Dorfwirtshaus.
So könnte die Geschichte des Traditionshauses beginnen. "Oben am Eck" wird die Lage in der noch vorhandenen Kaufurkunde aus dem Jahr 1784 beschrieben.
Der heute 86-jährige Senior Hans Weichlein kann viel aus der Geschichte des Hauses erzählen.
Der Bau von Autobahn und Raststätte in den Jahren 1963/64 bildeten einen Einschnitt in der Geschichte des Familienbetriebs und hatten einen großen Aufschwung zur Folge. Mit dem damaligen Raststätten-Pächter verband Hans Weichlein ein sehr gutes Verhältnis. War das Motel voll belegt, fuhr der Gastwirt auch mitten in der Nacht "hinauf" zur Raststätte und holte die herbergsuchenden Gäste zu sich ins Haus. Der steigenden Nachfrage wurde er mit Veränderungen im Haus gerecht: 1965, 1970, 1976 wurden immer neue Fremdenzimmer eingerichtet. Inzwischen verfügt das Haus über 16 Hotelzimmer, deren erste Generation längst wieder grundlegend modernisiert wurde. "Man muss die Zimmer stets auf dem neuesten Stand halten", sagt Erich Weichlein. Erst vor Weihnachten hat er wieder Nasszellen erneuert. Und ohne Internetanschluss gehe heute sowieso nichts mehr.
Was früher ganz selbstverständlich war, dass die Bauern Sonntag für Sonntag im Wirtshaus zusammenkamen, gibt es heute in dieser Form nicht mehr.
"Das Freizeitverhalten hat sich sehr verändert", weiß der Junior-Chef.
Allein vom Gasthof habe man sich aber auch früher nicht ernähren können. Die Landwirtschaft war deshalb ein zweites Standbein. Erst 1971 gab der gelernte Landwirt Hans Weichlein die Großviehhaltung auf. Bis 1923 gehörte zum Wirtshaus auch eine eigene Brauerei. Durch einen Brand zerstört konnte sie im Inflationsjahr aber nicht wieder aufgebaut werden.
Der Zeitgeist erforderte, dass immer wieder neue Schwerpunkte gesetzt werden mussten. Gut erinnert sich der Senior an die erste Kerwa, die nach der Währungsreform im August 1948 gefeiert wurde. 1954 - noch zu Zeiten von Erich Weichleins Großvater Georg - wurde ein Tanzsaal gebaut, der legendären Tanz- und Faschingsveranstaltungen diente. Längst ist er schon wieder zu Gästezimmern zurückgebaut. In der Zeit nach dem Krieg florierte der Bustourismus: Gruppen und Vereine wie Eisenbahner oder Fußballclubs aus dem Großraum Nürnberg unternahmen Tagesausflüge nach Weingartsgreuth.
Heute hat Erich Weichlein eine ganz andere Klientel.
Zwar finden sich Gäste aus der Region und die örtlichen Vereine noch immer im Gasthof Weichlein ein. Aber einen Großteil machen die Stammgäste aus, die von weither anreisen und seit 30, ja zum Teil sogar 40 Jahren ins Haus kommen. Es sind vor allem Besucher der Nürnberger Messen. "Wir spüren mittlerweile jede Messe", sagt der Gastronom. Die Baumesse, die Fachpack, Automation und Drive, oder die Internationale Spielzeugmesse füllen das Hotel. Dabei unterscheidet er zwischen "direkten" Gästen, die sein Haus unmittelbar ansteuern, und solchen, die im Ballungsraum keine Zimmer mehr gefunden haben. Aber auch Besucher der großen Unternehmen im Umkreis wie Siemens, Schaeffler, MABA oder Murk mieten sich gerne ein.
Dass sich seine Gäste wohlfühlen, hat für Erich Weichlein oberste Priorität.
Er bewirtschaftet den Betrieb mit vier Vollzeitbeschäftigten, acht Teilzeitkräften und einem Azubi. Kulinarisch bietet ihnen der Küchenmeister höchste Qualität. "Wir versuchen regionale Küche modern zu interpretieren", beschreibt Weichlein seinen persönlichen Stil, der "von deftig bis edel" variiert. Seit etwa zehn Jahren bietet er alljährlich einen "Kulinarischen Küchenkalender" an.
Gepaart mit kulturellen Events ist er zu einem Erfolgsmodell geworden. Zu Weichleins Klassikern zählen die "Open Air Küchenparty im Wirtshof" und das "Hubertusmenü" in der Wildsaison. Aber auch "Tapas & Antipasti", eine Kochwerkstatt, Spargelwochen und die Weingartsgreuther Kerwa mit Schlachtschüssel und Blasmusik finden sich im Jahresprogramm.
Weichleins Stammgäste lassen sich dazu nicht lange bitten. Sie reisen mitunter mehrere hundert Kilometer weit an, um die Köstlichkeiten aus Küche und Keller zu genießen. Der vergangene Sommer brachte dem Landgasthof noch einen neuen Schwung an internationalen Gästen, unter anderem aus Litauen, der Ukraine und sogar aus Australien, die die Weltkulturerbestadt Bamberg besuchten. Die Hotelreservierungsdienste im Internet machen es möglich.
Eines beobachtet Erich Weichlein derzeit jedoch mit zunehmender Sorge: Das Ausmaß der geplanten Erweiterung der Tank- und Rastanlage Steigerwald und deren Folgen für Natur und Landschaft. Zum anderen hätten die Gäste der Weingartsgreuther Übernachtungsbetriebe beim Schließen der direkten Zufahrt zur Raststätte ein Mehr an Fahrkilometern hinzunehmen. Den Landgasthof zu finden, sei aber dennoch kein Problem, betont Weichlein. Schließlich habe heute fast jeder ein Navi.