Ein Appell für mehr Inklusion auch in ERH
Autor: Richard Sänger
Herzogenaurach, Freitag, 07. April 2017
Ein Konsortium von sieben Partnern aus Erlangen und Erlangen-Höchstadt wirbt bei Arbeitgebern dafür, Menschen mit Behinderung einzustellen.
Es war ein deutlicher Aufruf an die Teilnehmer der Informationsveranstaltung im Puma-Brandcenter mit Vertretern aus Wirtschaft und Behörden sowie verschiedener Organisationen: Inklusion ist nicht nur Ausdruck einer sozialen Haltung, denn wer Menschen mit Behinderung in seinem Unternehmen anstellt, profitiert auch in betriebswirtschaftlicher Hinsicht.
Unter dem Titel "Zusammen-Arbeit - Inklusion in eine gemeinsame Arbeitswelt" (Zusa) warb ein Konsortium aus sieben Projektpartnern der Stadt Erlangen und des Landkreises Erlangen-Höchstadt bei Arbeitgebern dafür, mehr Beschäftigte mit Behinderung einzustellen. Das Projekt Zusa begleitet und unterstützt arbeitssuchende Menschen mit Behinderung beim (Wieder)-Einstieg ins Berufsleben.
Bei der Veranstaltung beeindruckte vor allem Verena Bentele. Die Ausnahmeathletin und frühere deutsche Biathletin sowie erfolgreichste deutsche Paralympionikin aller Zeiten kämpft für die gesellschaftliche Integration behinderter Menschen und den Zugang zum Arbeitsmarkt sowie Teilhabe am Arbeitsleben.
Respekt vor der Leistung
Verena Bentele weiß, wovon sie spricht, denn sie ist von Geburt an blind. Das hindert sie allerdings nicht daran, mit vier Jahren das Skifahren zu lernen und später als Biathletin zwölf Goldmedaillen bei den Paralympics zu gewinnen. Sie weiß auch um die Barrieren und Vorbehalte auf Seiten der Betriebe, wenn es um die Einstellung von behinderten Menschen geht. "Ich weiß nur zu gut, wo die Möglichkeiten und Grenzen von Menschen mit Behinderung liegen", erzählt sie von ihrem Sport, aber auch von ihrem Kampf gegen die Politik. Zusa-Schirmherr Walter Hofer, Renndirektor der FIS im Skisprung, und Verena Bentele verglichen unter dem Motto "Respekt. Vor Leistung" sportliche Leistungen und Erfolge mit dem Ehrgeiz von Menschen mit Behinderung. Nach den Worten von Walter Hofer sollte auch denjenigen Respekt gezollt werden, die täglich Leistungen bringen, die für viele selbstverständlich sind: zum Beispiel die benötigte Kraft, mit den Herausforderungen einer Schwerbehinderung umzugehen, das Durchsetzungsvermögen im täglichen Umgang mit den Mitmenschen - und den Ehrgeiz, am Arbeitsmarkt dennoch zuverlässige, wertvolle und wertschöpfende Leistung zu bringen. "Jede Person hat das Potenzial, um die geforderte Leistung zu bringen", erklärte Hofer. Inklusion sei auch ein Prozess, der nicht von heute auf morgen geht.
Für Bentele ist es ein untragbarer Zustand, dass Menschen mit Behinderung zwischen Rentenversicherung, Krankenversicherung, Bundesagentur für Arbeit und deutscher gesetzlicher Unfallversicherung hin- und hergeschoben werden, die Anträge oft Wochen oder Monate liegen, bevor irgendeine Art von Bescheid kommt. "Das macht mich wütend", setzte sie noch hinzu.
Das Projekt Zusa hilft, arbeitssuchende Menschen mit Behinderung in Arbeit zu bringen und setzt auf eine mehrstufige Qualifizierung potenzieller Arbeitnehmer. Bevor die Teilnehmer ein erstes Praktikum im Betrieb absolvieren, werden sie zunächst in einer etwa dreimonatigen Trainingsphase von professionellen Inklusionsbegleitern der Access Integrationsbegleitung für ihren Einsatz fitgemacht. Danach folgt eine Arbeitserprobung in den Integrations- und Sozialbetrieben sowie in den Werkstätten für Menschen mit Behinderung der beteiligten Projektpartner. Im gesamten Projektzeitraum, also auch bei ihrem Einsatz als Praktikanten, werden die Teilnehmer intensiv von ihren Inklusionsbegleitern gecoacht. Noch nehmen allerdings zu wenige Arbeitgeber in der Stadt Erlangen und im Landkreis Erlangen-Höchstadt an dem Projekt teil. "Und wer darauf verzichtet, lässt Potenziale liegen", erklärte Access-Geschäftsführer Karl-Heinz Miederer im Dialog mit Peter Pfann, Werkstattleiter der Lebenshilfe Erlangen im Bereich Reha. Beide stellten auch die Hilfestellungen durch das Projekt Zusa vor und erläuterten die Arbeitsfelder, in denen Menschen mit Behinderung eingesetzt werden können, ähnlich wie es zum Beispiel in den Werkstätten der Lebenshilfe bereits hervorragend funktioniert.
Dadurch sollen auch Brücken in den ersten Arbeitsmarkt entstehen und Arbeitgeber in das Netzwerk mit einbezogen und bei der Schaffung inklusiver Arbeitsplätze unterstützt werden. Im Zeitraum bis März 2018 sollen etwa 250 Menschen mit Schwerbehinderung für den Arbeitsmarkt aktiviert sowie mehr als 700 potenzielle Arbeitgeber kontaktiert werden.
Landrat Alexander Tritthart (CSU), der das Projekt von Beginn an begleitet, sieht auf dem Arbeitsmarkt gute Chancen für Menschen mit Behinderung und verwies dabei auch auf die Vielfalt der ansässigen Firmen im Landkreis. Sein Satz: "Zufriedenheit ist schön, Dankbarkeit auch, das ist aber nicht alles", kann auch als ein Appell an die Arbeitgeber verstanden werden.