Druckartikel: Dschungel auf dem Bergkerwa-Gelände - warum die Pflanzen sprießen dürfen

Dschungel auf dem Bergkerwa-Gelände - warum die Pflanzen sprießen dürfen


Autor: Christian Bauriedel

Erlangen, Freitag, 25. Sept. 2020

Die Natur erobert das Gelände der Bergkirchweih. Christoph Kintopp, Leiter der Abteilung Stadtgrün, erklärt, warum sein Team die Pflanzen stehen lässt.
So grün war es auf dem Erich-Keller selten. Wegen der ausgefallenen Bergkirchweih heuer lässt die Stadt Erlangen das Kraut zwischen den Bänken sprießen.  Foto: Christian Bauriedel


So mancher Spaziergänger auf dem Bergkerwa-Gelände wird sich zur Zeit denken: Wie schaut's denn hier aus? Herr Kintopp, ja wie schaut's denn da aus? Christoph Kintopp: Dort sind wie erwartet viele Ackerwildkräuter aufgegangen. Wir haben in diesem Jahr wegen dem Ausfall der Bergkerwa nicht gemäht. Es konnte alles ungestört wachsen. Natürlich gibt es den ein oder anderen ordnungsliebenden Menschen, der es lieber "sauber" hätte. Aber so ist es im Sinne der Natur und der Artenvielfalt. Wir haben natürlich trotzdem aufgeräumt und einiges an Müll rausgeholt. Zudem entfernen wir regelmäßig Robinienkeimlinge, weil die Robinie starke Dornen entwickelt. Wann wäre denn eigentlich gemäht worden? Normalerweise wird im Februar oder März Laub und alles andere auf unseren Flächen abgeräumt. Das Laub würde auch eine Brandgefahr darstellen, wenn wir es liegenlassen.

Wieso lassen Sie die Pflanzen einfach sprießen?

Das war eine bewusste Entscheidung. Wir wussten, wenn wir nichts tun, wächst es sehr gut, was den ganzen Standortbedingungen zu Gute kommt. Forschungen zeigen, dass sich Pflanzenbewuchs positiv auf die Baumscheibe, also den Wurzelraum, auswirkt. Die Pflanzen lockern den Boden auf, belüften ihn. Kleine Wurzelkanäle bleiben für allerhand Bodengetier. Es ist außerdem sehr insektenfreundlich, wenn ich so etwas stehen lasse, weil auch einige Blühpflanzen dabei sind. Zudem finden Insekten mehr Unterschlupf und Lebensraum. Wenn wir den Bewuchs bis Februar stehen lassen, überwintern auch Insekten wie Käfer und Fliegen in den Pflanzen. Die Laubüberdeckung begünstigt das Bodenleben, reduziert Verdunstung, schützt vor Frost und bringt Nährstoffe durch Humusbildung. Eigentlich erstaunlich, dass auf dem Boden, auf dem Millionen Menschen während der Bergkirchweih herumtrampeln, überhaupt etwas wächst. Pflanzenwachstum ist so gut wie überall möglich, wenn man der sogenannten natürlichen Sukzession freien Lauf lässt. Es gibt nahezu keinen Standort, wo nichts wachsen würde. Das sieht man auch auf vielen unbebauten Brachen. Auf dem geschotterten Stellplatz des Riesenrads haben wir eine schwachwüchsige Blumenwiesenmischung ausgebracht, die nächstes Frühjahr als Bienenweide dienen wird. Was wächst denn zur Zeit von selbst auf dem Berg? Ach, so einiges. Beifuß, Melde, Spitzwegerich, die Distel. Keine wirklich besonderen Arten, aber viele Ackerwildkräuter. Das liegt vielleicht auch an unseren Maßnahmen. Wir haben bei den Baumfällungen letztes Jahr eine Baumvitalisierung hingekriegt und haben im April den Boden verbessert. Er wurde mit Luftdrucklanzen belüftet. Es wurde spezieller Baumdünger eingebracht. Dann haben wir fünf Zentimeter reinen Humus aufgebracht und bewässert. So wurden Nährstoffe baumverfügbar gemacht.

Machen die Pflanzen nicht die Sitzbänke kaputt? Nein. Es ist natürlich schon so, dass die Holzbänke nicht ganz so schnell abtrocknen wie sonst. Aber wenn die Pflanzen nicht mit ihren Wurzeln das Holz angreifen, gibt es da keine Probleme. Wie lange soll der Bewuchs bleiben? Unabhängig davon, ob nächstes Jahr wieder eine Bergkirchweih stattfinden kann, würde ich schon dazu tendieren, es im Frühjahr zu mähen. Wir können nicht einfach sagen, wir lassen es so. Aber für die kommenden Jahre überlegen wir, ob wir nicht das Laub erst im Frühjahr rausmachen. Das macht zwar mehr Arbeit, weil es dann feucht und schwer ist. Aber den Insekten bleibt so die Überwinterungsmöglichkeit. Wie steht es um die Bäume am Berg? Zuletzt kochte das Thema Baumfällungen ja emotional hoch. Die Bodenverbesserung hat gut gefruchtet. Man sieht, unser Pilotversuch wirkt gut. Da läuft nun das Monitoring. Wir warten ein Jahr ab und schauen: Wie äußert sich das im Zuwachs? Wieviel wächst ein Baum im Jahr? Derzeit stehen keine Fällungen oder ähnliche Maßnahmen an. Zwei Bäume auf dem Entlas Keller untersuchen wir jährlich. Hier konnten wir Entwarnung für ein weiteres Jahr geben.

Ist die Corona-Krise auch in der Abteilung Grüngut spürbar? Ja, auf jeden Fall. Die Nutzungsintensität der Grünflächen hat sich komplett geändert. Die Freizeitanlagen werden natürlich intensiver genutzt. Bohlenplatz, Wöhrmühle, Bürgermeistersteg: Da war schon viel los. Wir müssen neben dem Mähen und Gießen Müll zusammenräumen und die Anlagen in Schuss halten. Die Reinigung der Flächen hat in der Corona-Zeit stark zugenommen. Das Gespräch führte Christian Bauriedel.