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Drohnen bringen nur Leichtbier am Erlanger Berg


Autor: Christian Bauriedel

Erlangen, Dienstag, 22. Mai 2018

Wie sieht sie aus, die Bergkirchweih in 30 Jahren? Kein völlig bierernster Blick in die Zukunft eines Traditionsfests.


Erstaunlich, wie wenig sich doch getan hat in all den Jahren. Auf der Bergkerwa etwa. Die Leute sitzen noch immer auf Bierbänken, trinken noch immer Bier. Und am Schluss, da steht der Rausch. Das ist die Liturgie der Berggeister. So war's, so wird's immer sein. Oder?
Vielleicht auch nicht, wagt man einen Blick in die Zukunft des "Berchs": Am 17. Mai 2048 eröffnet mit einem donnernden Knopfdruck auf den Digital-Zapfhahn der Oberbürgermeister die 293. Bergkirchweih. Per Funksignal ergeht an das "Google Smart-Fass" der korrekte PIN-Code.


Hacker zaubern das Bier weg

Zuvor hat die IT-Zentrale der Kellerwirte natürlich ausgeschlossen, dass Hacker mit einem fiesen Trick das Bergbier wegprogrammieren. So wie im Vorjahr. Ärgerliche Sache. Zwölf Tage Limo. Gerade wo es seit einigen Jahren auf dem Berg doch eh schon nur noch niedrigprozentiges Leichtbier gibt. Eine Initiative "Rettet das Festbier" kämpfte vergeblich gegen diese Auflage an.


Die Karten sind schon ausverkauft

"Auf einen friedlichen Berg!", ruft der Oberbürgermeister den hunderten Besuchern zu, die gekommen sind, um eine erste Maß abzuholen. Es werden jedes Jahr mehr, die dem Freibier des Anstichs entgegenfiebern. Denn Regulär kostet die Maß 19 Euro. Trotz bedingungslosem Grundeinkommen für viele ein Grund, nicht mehr hinzugehen.
So wie der Eintritt von 15 Euro, den man zum umzäunten Berggelände schon seit Jahren verlangt. Meist ein Jahr im Voraus sind die Tickets bereits ausverkauft. Zum Glück verlost die einzig verbliebene "Zentralbrauerei Nürnberg" kurz vor dem Fest noch eine Handvoll der begehrten Karten.
Ein Grund, warum man früher nicht auf den Berg ging, wurde mittels einer raffinierten technischen Lösung aus der Welt geschafft. Denn für verregnete Tage gibt es seit einiger Zeit die Vollüberdachung des Kerwageländes. Nicht unumstritten war das wabenförmige Gebilde, das den Berg ganzjährig einhüllt. Umstritten vor allem wegen der mintgrünen Farbgebung. Sponsor ist ein großer Technologiekonzern aus Erlangen, der seit der Übernahme durch die Chinesen auch wieder Finanzmittel für kulturelle Zwecke übrig hat.
Als Dank dafür hat die Stadt ihm die Hälfte der Tische pauschal zur Reservierung für Delegationen aller Art überlassen. Eine gute Sache, denn dann findet jeder seinen Platz an den doppelstöckigen Biergarnituren. Unten ist die Aussicht etwas begrenzt, weshalb das Kerwageschehen auf kleinen Monitoren übertragen wird. Damit die, die unten sitzen, nicht so durchgeschüttelt werden, ist den oberen das Tanzen auf den Tischen leider nicht mehr gestattet.


Lecker, diese Grünkernhaxn

Eine echte Errungenschaft ist die vollelektronische Bierbestellung. Wo früher sich Studenten ein Zubrot verdienten, bringen nun die Drohnen das Leichtbier an den Platz. Oder das Essen. Vegetarisches aller Art. Leckere Sojaochsensemmel und Grünkernhaxn. Die Nachfrage nach Fleisch ging zuletzt gegen Null.
Dass es immer noch eine Kirchweih ist, dafür kämpfte übrigens erfolgreich Markus Söder. Denn der "ewige Ministerpräsident", wie man ihn nennt (Amtszeitmaximierung), schlug in kreuzritterlicher Manier die "Initiative zur Gleichstellung auf fränkischen Festen" nieder. Eine Kirchweih bleibt eine Kirchweih und ist kein Rummel und kein Jahrmarkt. Eine Neutralisierung im Sinne der Religionsfreiheit wurde von ihm abgewendet.
Zugegeben, ein bisschen verkommen ist er aber trotzdem, der Berg. Weshalb 2048 auch zum ersten Mal der "Alde Berch" in Anlehnung an die "Oide Wies'n" stattfindet.
Hier im abgegrenzten Traditions-Refugium dürfen sich alle Ewiggestrigen wohlfühlen, die die gute alte Zeit auf der Kirchweih noch erlebt haben: Die Lampions schimmern unter echten Baumkronen, die Ochsensemmel duftet nach echtem Bratfett und die echten Bedienungen bringen ein echtes Bergbier.
Denn am Schluss, da steht der Rausch. Das ist die Liturgie der Berggeister. So war's, so wird's immer sein. Oder?