Druckartikel: "Doch die Käfer, kritze, kratze!"

"Doch die Käfer, kritze, kratze!"


Autor: Christian Bauriedel

, Mittwoch, 30. Mai 2012

Zeichen für den Sommer, Hauptrolle im Kindermärchen oder doch nur ein Schädling? Am Maikäfer scheiden sich die Geister. Ein Fachmann für Insektenkunde klärt auf, wann an der Aisch wieder mit großem Gebrumme zu rechnen ist.
Erst die Nahaufnahme enthüllt, dass der Maikäfer ein haariges Tierchen ist. Nur in bestimmten Jahren zeigt er sich. Foto: Heinz Bußler


Wo sind sie bloß? Die kleinen braunen Streuner. Jetzt ist der Mai schon bald vorüber und nirgends konnte man sie sehen. Die Maikäfer. Früher, so scheint es, da gab es doch noch viel mehr. Ganze Schwärme. Die Bäume voll davon. Sind sie ausgewandert? Und wenn ja: wohin? Vielleicht flogen sie übers Meer, nach Übersee. Wann kehren sie zurück? Oder sind sie gar für immer verschwunden? Pommerland ist abgebrannt, Maikäfer flieg? Fest steht: Der Maikäfer mag irgendwie nicht kommen. Die Bäume bleiben leer.
Für die einen sind die kleinen Krabbler und Brummer eine Kindheitserinnerung. Ein Zeichen für den Sommer. Wer erinnert sich nicht noch an Herrn Sumsemann aus Peterchens Mondfahrt. An die Suche nach dem sechsten Bein. Oder an den Streich von Max und Moritz: "Doch die Käfer, kritze, kratze! Kommen schnell aus der Matratze.

Schon faßt einer, der voran, Onkel Fritzens Nase an.,Bau!'- schreit er - ,Was ist das hier?!!' Und erfaßt das Ungetier", dichtete Wilhelm Busch einst.
Für viele hat der zipfelbemützte und nachtbehemdete Onkel Fritz Recht: Zu viel, zu groß, zu krabbelig. Ein Ekeltier, ein Störenfried. Ein Schädling für den Forstmann. Manch einer will ihm gar mit Gift und Galle auf den Pelzpanzer rücken. Wen fragt man nun am besten, um ein bisschen Licht in die ganze Käferei zu bringen?
Heinz Bußler kann zur Versachlichung beitragen. Er sitzt an der Bayerischen Landesanstalt für Wald- und Forstwirtschaft in Freising und ist Fachmann für entomologische Artenbestimmungen, sein Spezialgebiet: xylobionte Käfer. Entemologie gleich Insektenkunde. Xylobiont gleich "das Holz bewohnend". Ein wahrer Käferologe also. Und er hat eine gute Nachricht für alle Sumsemann-Freunde: Der Maikäfer kommt wieder.
"Der Maikäfer hat eine lange Larvenentwicklungszeit. Eigentlich gibt es jedes Jahr ein paar vereinzelte Tiere, die Hauptflugzeit ist aber alle drei bis vier Jahre. Die Stämme sind jeweils regional synchronisiert", meldet der Biologe. Stämme, synchronisiert, Hauptflugzeit? Das klingt fachlich.
"Man unterscheidet in Deutschland zwischen drei Sorten: dem Wald-, dem Feld- und dem Urmaikäfer", erklärt Heinz Bußler. Letzterer sei in Deutschland eher selten geworden. Auf dem Rückzug befinde sich der gemeine Maikäfer allerdings bei weitem nicht. Im Gegenteil. Da der Krabbler vor allem trockene Gefilde bevorzugt, trage der Mensch durch die Zurückdrängung von Feuchtwiesen und Auen dazu bei, dass es dem Käfer immer besser geht. Vielleicht sind es ja die vielen Weiher im Aischgrund, die den Käfer bei uns verschrecken.
"Der Käfer, von dem man ab und zu in den Schlagzeilen lesen kann, ist der Waldmaikäfer. Er kann in Waldbeständen zu Schäden führen. Allerdings vor allem die Larven", sagt der Biologe. Der Feldmaikäfer ärgere oftmals auch die Weinbauern. "Es gibt verschiedene Maikäfer-Stämme. Das sind quasi die Großfamilien, deren Engerlinge in den unterschiedlichen Regionen in der Erde wohnen", fährt Bußler fort.

20 Millionen Tiere gezählt


Aha! Also doch nicht ausgewandert, sondern vielmehr unterirdisch unsichtbar. Aber wann beehrt unser Stamm uns mal wieder am Tageslicht? "Einen Moment, da muss ich zur Lupe greifen", sagt der Forscher und tut's. Auf einer Waldschutzkarte aus dem Jahr 1957 sucht Heinz Bußler Höchstadt und beginnt zu rechnen. "Ihre Region ist eher maikäferarm. Es gibt keinen eigenen Stamm. Aber von Neustadt/Aisch her, da wird es nächstes Jahr welche geben." Also doch. 2013. Von Westen kommend. Und was erwartet uns dann? Waldbauern können aufatmen: Es handelt sich um den Feldmaikäfer. Probleme mit dem Waldmaikäfer wie im Hessischen sind also nicht zu erwarten. Von der Insektizidkeule in der Forstwirtschaft hält Heinz Bußler nichts. "Natürlich können die Tiere gerade Bestände mit jungen Pflanzen enorm schädigen. Aber es gibt elegantere Lösungen als Chemie." Man könne zum Beispiel einen bestimmten Pilz ausbringen, der nicht alle anderen Arten mit vernichtet. Für das Absammeln dürften es mancherorts zu viele werden. Ein Rekord aus Alzenau bei Hanau vor vier Jahren: 20 Millionen Tiere auf wenigen hundert Hektar Wald.

Rezepte für Maikäfersuppe


Es scheint nicht verwunderlich, dass bei dieser Zahl die Menschen früher auf kuriose Gedanken kamen. Wie wäre es zum Beispiel mit einer Maikäfersuppe? Dabei handelte es sich noch bis ins 20. Jahrhundert hinein um ein verbreitetes Armeleuteessen. In einem alten Kochbuch ist Martialisches zu lesen. Für eine Portion werden 30 Käfer benötigt, in einem Mörser zerstoßen und dann mit Fleischbrühe aufgekocht. Und weiter: "Unsere Studenten essen sie nach abgerissenen Füßen roh, ganz wie sie sind, und nicht wenige ohne den geringsten Nachtheil. In Conditoreien findet man überzuckerte Maikäfer und ißt sie kandiert an den Tafeln der Reichen zum Nachtische." Auch wurde dem Käfer anscheinend aphrodisierende Wirkung nachgesagt, allerdings schon früh widerlegt. "Wer in diesen Suppen ein Stimulans sucht, der irrt sich sehr; sie sind blos ein herrliches Nahrungsmittel", teilt uns das Magazin für die Staatsarzneikunde von 1844 mit.
Heinz Bußler ist noch nicht auf den Gedanken gekommen sich von seinen Forschungsobjekten zu ernähren, allerdings kann sich der 58-Jährige noch an seine Jugendzeit in Feuchtwangen erinnern: "Maikäfer wurden an die Hühner verfüttert. Die Leute haben gesagt, dass die Schenkel später beim Essen einen ganz eigenen Geschmack hatten. Irgendwie maikäfrig."