Diesen Platz geben sie nicht auf
Autor: Britta Schnake
Höchstadt a. d. Aisch, Dienstag, 15. Sept. 2020
Für die Kellergemeinschaften am Höchstadter Kellerberg sind ihre Keller mehr als ein Stück Lebensqualität. Wer einen Anteil hat, kann sich glücklich nennen.
Dass sich hinter "Genuss" nicht immer nur Essen und Trinken, sondern durchaus auch ein Lebensgefühl verbergen kann, ist für Menschen wie Sigurd Kohler, Alfred Leicht und Rainer Scheckenbach so selbstverständlich wie die Luft zum Atmen. Zusammen mit 10 weiteren "Kellerbrüdern" besitzen sie Anteile am Kellerhäuschen "Ludwigsburg", einem von 22 aktiven Kellerhäuschen am Höchstadter Kellerberg.
Sein Bier lagert Rainer Scheckenbach, oder "Schecki", wie ihn seine Freunde nennen, in seinem eigenen kleinen Keller unter dem Petersbecks-Häuschen. Wie er da rangekommen ist? "Der Kupfers-Schorsch hat vor acht oder neun Jahren gesagt, wenn einer den Keller kriegt, dann ist's der Schecki".
Schick hat er sich's gemacht, in seinem Keller, der Schecki. Rechts ein paar Fässer und zwei Laternen vom Löwen-Bräu, ganz hinten eine Lichterwand mit Farbwechsel. Ein Jungs-Traum halt. "Ist a weng a spinnerter Keller", sagt er gleich, "das hab ich mir so ausgedacht." Ein Fässchen hat er mitgebracht von dem guten Kellerbier, das sticht er jetzt an, um es seinen Freunden auf der Ludwigsburg zu kredenzen.
Der Keller unter der Ludwigsburg eignet sich nicht so recht zum Lagern. Doppelstöckig angelegt, ist der untere Teil marode. "Da drückt das Wasser durch", sagt Kohler, seines Zeichens Ehrenpräsident des Kellerbergvereins. "Keiner weiß, wo es herkommt."
Früher ohne Frauen
Die alten Holzstutzen auf dem Tisch fassen gut zwei Liter von dem Gerstensaft, schon teilt der Schecki aus. Auf die Frage nach Kellerschwestern drucksens ein wenig rum, die Jungs. "In früheren Zeiten hat man gesagt, Frauen gehören nicht auf den Keller", sagt Kohler schließlich. Aber natürlich ist die Damenwelt als Gast gern gesehen.
Doch wer glaubt, dass er sich so einfach einen Keller unter den Nagel reißen kann, der ist schief gewickelt. Alfred Leicht zum Beispiel hat seinen Kelleranteil 1984 vom Onkel geerbt. So läuft es meistens, nur ganz selten steht ein Keller zum Verkauf und wenn doch... "Wir haben das bei uns im Häusla aufgesetzt, dass dann, wenn ein Kelleranteil verkauft wird, die Mitglieder ein Vorkaufsrecht haben", erklärt Leicht. "Der Keller sollte immer in Höchstadt bleiben. Man kann sich glücklich schätzen, wenn man einen Anteil kriegt."
Doch was ist so toll an einer Kellergemeinschaft? Dazu reist der 81-jährige Kohler ein wenig zurück in der Zeit. "Früher gingen die Großeltern zum Keller zur Freizeitgestaltung. Man hat sich auf dem Keller geholfen und Neuigkeiten ausgetauscht. Als die Eltern weggestorben sind, ist das Kellerleben eingeschlafen." "So ein Häuschen steht und fällt mit dem Leben", sagt Scheckenbach und Kohler nickt.
"Dank des Kellerbergvereins zog dann nach und nach wieder Leben ein. Da haben sich die Kellergemeinschaften gebildet." Das Wichtigste an der Kellergemeinschaft - und da sind sich alle drei einig - sind die Freundschaften, die Persönlichkeiten. "Dass man sich alles sagen kann und keiner ist beleidigt", sagt Leicht. Bestes Beispiel dafür sind Kohler und der Schecki. Da wird sich hin und her geneckt und gefoppt, dass es nur so eine Freude ist.
Man muss nichts bestellen
Das Leben scheint ein wenig leichter, hier oben. Schon wird die Brotzeit ausgepackt. Presssack, Brot und Käse. "Der Unterschied zu einer Wirtschaft ist, dass man hier in Ruhe sein Bier trinken kann", sagt Kohler, "dass man nichts bestellen muss". Es ist eine gute Gesellschaft, man ruft sich zusammen: "Wie schaut's aus, wer hat Lust? Wir machen Brotzeit." Dann bringt jeder seine Brotzeit mit, das gute Kellerbier hat der Scheckenbach.
"Wenn wir oben sitzen", sagt Schecki und deutet in Richtung Bank bei der "Liebeslaube", die Zimmermeister Leicht gebaut hat, "...so eine Sicht hat keiner. Wenn die Sonne untergeht, und da die alte Eiche vom Kellerbergverein..." Dabei strahlen seine Augen, kein Zweifel, dass er für nichts auf der Welt tauschen würde.
Seine Schwester hat in Unterfranken einen Weinberg und hat ein paar Rebstöcke spendiert. Zusammen mit Alfred Leicht hat er sie am Gartenzaun zur Straße hin eingepflanzt. Getragen haben sie auch schon dieses Jahr. "Wir machen Ende September ein internes Bremserfest", sagt Scheckenbach. Bei seiner Schwester besorgt er den Federweißen. Eine der Frauen macht Obatzten. "Dann sind wir sechs, sieben Leut', die Gemeinschaft geht über das Kellerhaus hinaus", sagt Leicht", Man hilft sich auch außerhalb der Gemeinschaft. Es ist ein Geben und ein Nehmen. Kohler nickt, "das geht über Freundschaft hinaus, das ist fast Familie. Wir kennen uns alle untereinander."
Das Kellerhäuschen bietet Platz für 30 Leute. Die roten Gardinen mit den Hirschen drauf haben die Frauen ausgesucht. "Eines der größten Häuschen von der Innenbelegung", so Kohler. Sie haben einen Kalender, in den man sich einträgt, wenn eine Feier ansteht.
Im November beispielsweise treffen sich die Nachbarn vom Weingartsgraben zur Auffrischung für den Defi, den sich die Bürger angeschafft haben und der bei den Lommers angebracht ist.
Unterhalten wird das Häuschen durch die Mitgliedsbeiträge, die je nach Anteil variieren. Leicht beispielsweise gehört ein Sechstel. Eingezahlt wird in einen Fonds. Jeder Eigentümer hat einen Schlüssel. "Wir sind zufriedene Menschen", sagt Scheckenbach, der auch als Hausmeister fungiert. "Ich bin stolz, dass ich zu dieser Gruppe dazugehören darf. Bei uns hat es noch nie ein böses Wort gegeben. Das möchte ich nicht missen."