"Die StUB ist eine enorme Chance"
Autor: Nikolas Pelke
Erlangen, Dienstag, 23. Februar 2016
Der Verkehrsexperte Hartmut Topp ist überzeugt davon, dass eine Stadt-Umland-Bahn besser geeignet ist als ein Bussystem, um die Straßen zu entlasten.
           
Auf Einladung der Industrie- und Handelskammer (IHK) hat Professor Hartmut Topp am Montagabend in Erlangen einen Vortrag über bereits realisierte Stadt-Umland-Bahn-Systeme in Europa gehalten. Wir haben mit dem 1942 in Berlin geborenen Verkehrsexperten über den "Tramfaktor" gesprochen und warum Topp der Meinung ist, dass mehr Menschen aus Erlangen, Herzogenaurach und Nürnberg lieber in eine Regio-Straßenbahn als in einen Bus einsteigen würden. 
Was kann die Metropolregion von anderen Regionen in puncto Stadt-Umland-Bahn (StUB) lernen?
Hartmut Topp: Es gibt sehr schöne Beispiele in Karlsruhe, Straßburg oder Kassel, die zeigen, dass man mit einer Regio-Tram einen Straßenraum enorm aufwerten kann. Damit kann man neue Gebiete erschließen und Wachstum in einer Stadt steuern. In Deutschland gibt es sieben bis acht Beispiele einer Stadt-Umland-Bahn. 
In Erlangen wird derzeit insbesondere die Finanzierung und der Unterhalt der StUB kontrovers diskutiert: Welche Risiken gibt es Ihrer Meinung nach für das konkrete Projekt im Großraum Nürnberg und welche Fehler sollten die Franken im Hinblick auf vergleichbare Verkehrsprojekte vermeiden?
Der ÖNPV ist grundsätzlich nicht kostendeckend. Aber wir müssen so eine Investition auch volkswirtschaftlich sehen. Aus dieser Perspektive sind solche Investitionen lohnend. Eine Regio-Tram erfordert sicherlich enorm hohe Investitionskosten, die aber in Franken zu 90 Prozent von Bund und Land gefördert werden. Ich gehe davon aus, dass auch die Streckenteile ohne besonderen Bahnkörper, die Trassenstücke, die also auf der Straße verlaufen, wie in anderen Bundesländern auch in Bayern gefördert werden. Nun zu den Betriebskosten. Bei geringen Fahrgastzahlen, 5000 pro Tag und weniger, ist der Bus günstiger in den Betriebskosten als die Straßenbahn. Wenn die Fahrgastzahlen deutlich höher liegen, bei etwa 10 000 Fahrgästen und mehr, dann ist die Straßenbahn in den Betriebskosten günstiger als der Bus. Das liegt an der höheren Kapazität der Schiene gegenüber dem Bus und den damit eingesparten Kosten beispielsweise beim Fahrpersonal und bei den Fahrzeugen.
Was macht Sie so sicher, dass regelmäßig 10 000 Fahrgäste und mehr in eine Straßenbahn einsteigen, um von Herzogenaurach nach Erlangen und in den Nürnberger Norden zu kommen?
In Erlangen kommen viele Pendler aus den umliegenden Landkreisen. Die meisten fahren mit dem Auto in die Stadt. Da hat Erlangen ein Problem. Deshalb muss sich Erlangen bemühen, mehr Pendler in den ÖNPV zu bekommen, um die Straßen zu entlasten. Die Straßenbahn, gerade wenn man nach Frankreich schaut, ist im Vergleich zum Bus wirklich eine ganz andere Nummer.
Sie sprechen in diesem Zusammenhang vom "Tramfaktor". Was meinen Sie damit konkret?
Wir wissen aus Erfahrung, dass eine Straßenbahn bei gleicher Linienführung und Fahrplanfrequenz deutlich mehr Fahrgäste generiert als eine Buslinie. Der Fahrkomfort ist einfach deutlich höher. Eine Tram ist in der Regel auch verlässlicher und schneller. Ein anderer Vorteil gegenüber dem Bus: Die Orientierung ist einfach leichter. Ich sehe den Trassenverlauf. Die Bahn ist permanent präsent.
Heißt das, die StUB ist alternativlos?
Nein, natürlich gibt es Alternativen. Die haben aber nicht die Qualität und das Potenzial, die Stadt voranzubringen. Bus-Rapid-Transit-Systeme würde ich zum Beispiel für eine europäische Stadt nicht empfehlen. Die Alternativen können der Regio-Tram nicht das Wasser reichen.
Und trotzdem haben die Bürger und Pendler im Landkreis Erlangen-Höchstadt die StUB bereits abgelehnt, weil sie von der Bahn ihrer Meinung nach kaum profitiert hätten.
Man kann eine Straßenbahn nicht nach überall bauen. Man muss sie dort bauen, wo die meisten Pendler herkommen. Und das ist eben die Linie Herzogenaurach-Erlangen-Nürnberg. Die StUB kann nicht jeden in seinem Dorf abholen.
Das Gespräch führte
Nikolas Pelke.