Die Kapelle ist der Mittelpunkt
Autor: Pauline Lindner
Gremsdorf, Dienstag, 16. Februar 2016
Mitten in der NS-Zeit haben sich die Poppenwinder ohne Genehmigung des Bistums ein eigenes kleines Gotteshaus gebaut.
Herzstück des kleinen Ortes - und das bestätigt jeder Poppenwinder sofort - ist die Kapelle, die dem heiligen Josef geweiht ist. Ihr Geläute begleitet den Tag. "Heute haben wir ein automatisches Läutwerk. Früher hat die Familie Ziegler immer abends geläutet, bei Todesfällen und an Silvester um Mitternacht", erinnert sich Georg Dellermann, der Vorsitzende der Dorfgemeinschaft.
Es ist einfach ihre Kapelle, sogar im rechtlichen Sinn, denn sie gehört der Dorfgemeinschaft. Zwar wurde der Ort schon 1303 als Boppenwinden urkundlich erwähnt, aber von einem Gotteshaus ist nirgendwo die Rede. Bis ins vergangene Jahrhundert. Mitten im Dritten Reich, genauer 1936, hatten die Poppenwinder alles beisammen, was man für einen Kirchenbau braucht. Die Steine brach man im Wald Richtung Krausenbechhofen; das Bauholz kam von Verwandten der Familie Thomann aus Reichmannsdorf.
"Man fing ohne Genehmigung des Bistums an", betont Ottmar Walter, der das Mesneramt von seinem Vater Georg übernommen hat. Neben der Kirche von Münsterschwarzach, so weiß er, ist die hiesige Kapelle das zweite Gotteshaus, das während der NS-Zeit in ganz Deutschland gebaut wurde. Am 8. August 1937 wurde die Kapelle geweiht.
Glocken mit List gerettet
Doch schon bald drohte großes Ungemach: Kirchenglocken mussten als kriegswichtiges Metall abgeliefert werden. In Höchstadt war der Sammelplatz für die hiesige Region. Was tun? Der Höchstadter Peter Ott hat die Geschichte in seinem jüngst erschienenen Buch "Überwiegend heiter" als lebhafte Schilderung überliefert.Die Poppenwinder, genauer Adam Walter, bediente sich einer List. Er brachte zwar mit seinem Knecht die Glocken nach Höchstadt, holte sie aber getarnt als Kartoffellieferant fürs nahegelegene Pfarrhaus in der folgenden Nacht wieder zurück. Zumindest Ott hat nichts dazu geschrieben, ob die Rückholaktion später doch noch aufgefallen ist. Auch Walters Enkel Ottmar weiß davon nichts.
Jedenfalls holten die Poppenwinder nach dem Einmarsch der Amerikaner die im Wald vergrabenen Glocken wieder heraus und hängten sie an ihren angestammten Platz. "Wir hatten auch eine kleine Orgel mit Holzpfeifen. Die haben wir für 500 Mark verkauft. Denn für die fällige Kirchenrenovierung gab es keine Zuschüsse, weder vom Bistum noch von der Gemeinde", berichtet Ottmar Walter aus der kurzen Kirchengeschichte. Das war 1985.
Um die Pflege des Gotteshauses und um die Gottesdienste kümmert sich besonders die Familie Walter. Zwei Höhepunkt gibt es im Poppenwinder Kirchenjahr: Einmal die Wallfahrt der Herzogenauracher nach Dettelbach, die Helmut Fischer organisiert. Mit Geläute wird der Pilgerzug empfangen, wenn er vom Mohrhofgebiet herkommend die kleine Anhöhe von Poppenwind erreicht. Inzwischen schließt sich Ottmar Walter regelmäßig den Wallfahrern an. Von einem "Highlight" für Poppenwind spricht er.
Den Namen hat auch die Christmette verdient. Waren es früher Karmeliter aus Bamberg, kommt seit etlichen Jahren Pater Anselm Grau aus dem Kloster Schwarzenberg und feiert mit den Poppenwindern an Heiligabend die Messe. Für ihre feierliche Gestaltung hat sich seit 2004 ein Hausmusikkreis unter Theresa Dellermann zusammengefunden. "Da kommen auch die Weggezogenen wieder zu uns", weiß Walter. Und zur Silvesterandacht, die er hält, auch. Manchmal bietet er auch eine kleine Kirchenführung an, zum Beispiel wenn sein Nachbar Leonhard Thomann Interessierte durch die Weiherlandschaft um Poppenwind führt.