Die Dachsbacher stimmen über Windräder ab
Autor: Nikolas Pelke
Traishöchstädt, Donnerstag, 10. März 2016
Gestern Wachenroth, morgen Dachsbach: In den Gemeinden werden immer öfter die Bürger vor dem Bau von Windkraftanlagen befragt.
           
Ein scharfer Ton weht durch Dachsbach, seit die Bürger über den Bau von zwei Windrädern streiten. Am Sonntag ist Showdown. "Die einen sind dafür, die anderen sind dagegen. Vorher hatten wir wirklich eine tolle Kameradschaft. Jetzt gibt es überall böses Blut. Eine Seite wird am Sonntag auf jeden Fall verlieren", sagt Bürgermeister Hans-Jürgen Regus (UWG) kurz vor dem Bürgerentscheid am 13. März. 
Die Gemeinde hatte die Idee mit den Windmühlen im Wald. Zwischen Weihern und Weilern hatte der Planungsverband Westmittelfranken ein Vorbehaltsgebiet für Windkraftanlagen ausgewiesen. Damit war die Gemeinde mit dem Mardertier im Wappen plötzlich mittendrin in der Energiewende. "Unsere Windgeschichte ging im Februar 2013 los. Damals war nach Fukushima die Windkraft in aller Munde", erinnert sich der Bürgermeister zurück.
 Im Gemeindewald südlich des kleinen Ortsteils Arnshöchstadt sollte sich die Energiewende in Dachsbach abspielen. Ein Macher aus dem nahen Neustadt kam. Ein Bürgerwindpark sollte entstehen. Einen geeigneten Platz hatte Marcus Dornauer schnell gefunden. Er sagt von sich selber, er sei ein Überzeugungstäter und habe schon zehn Windräder realisiert. Seine Räder würden sich für den Atomausstieg und nicht für die Rendite drehen. 
Dann kam Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) den Plänen in die Quere. Plötzlich musste alles ganz schnell gehen. Die neue 10H-Regel drohte alles zu Fall zu bringen. Dornauer dampfte die Pläne ein. Statt drei Windräder in zwei Landkreisen sollten nur noch zwei Windräder in einem Landkreis gebaut werden. Das sollte die Sache beschleunigen. Der Bauherr hatte laut Hermann Popp, Sachgebietsleiter beim Landratsamt Neustadt, darauf gehofft, mit einem gültigen Vorbescheid die Neuregelung kurz vor dem Inkrafttreten im November 2014 umgehen zu können. Allen sei laut Popp aber klar gewesen, dass der Vorbescheid durch die 10H-Regelung eingeholt und damit wertlos werden könnte.
 Bis zur Einführung der Gesetzesnovelle sei der Bau von Windparks ausnahmslos privilegiert gewesen. "Heute sind Anlagen, die die 10H-Regel nicht einhalten, entpriviligiert", sagt Popp. Das heißt, für solche Windräder muss ein Bebauungsplan aufgestellt werden. Die neue Formel bringt seitdem immer häufiger die Gemeinde vor Ort ins Spiel. 
  
  Konträre Meinungen 
 
In Dachsbach haben sie erlebt, wie dieses Spiel laufen kann. Wie heftig es zugehen kann, wenn Befürworter und Gegner aufeinanderprallen und sich gegenseitig entweder Sachkenntnis oder Anstand oder beides absprechen. Die einen wollen die Welt retten. Die anderen das Dorf schützen. Die einen sagen Fukushima und Atomausstieg. Die anderen Geschäftemacherei und Naturzerstörung. "Woher soll denn sonst die Energie herkommen?", fragen Befürworter wie Marcus Dornauer. "Warum sollen wir für zwei mickrige Windräder unsere schöne Natur zerstören?", fragen Gegner wie Arnd Erbel, der Bäcker aus Dachsbach. "Jetzt haben wir das Theater. Wir müssen das jetzt ausbaden", ärgert sich der Dachsbacher Bürgermeister über die "große Politik", die erst die Leute verrückt mache und dann ätschi, bätschi sage. Für Gemeinden bedeutet 10H mehr Stress. "Wenn die 10H-Regel nicht gekommen wäre, wären die Windräder schon längst gebaut", ist sich der Bürgermeister sicher. Für die Betreiber verursacht 10H ebenfalls Stress. "Sie werden immer einen finden, der dagegen ist. Egal wo sie ein Windrad hinstellen wollen", ist sich Dornauer sicher.
Für den Bürger bedeutet 10H freilich mehr Demokratie. Am Sonntag stimmen die rund 1300 wahlberechtigten Dachsbacher ab, ob sie zwei Windräder mehr oder weniger vor ihrer Nase haben wollen. Der kürzeste Abstand zu den Rädern mit einer Nabenhöhe von 141 Meter soll 770 bzw. 1300 Meter betragen.
  
  Hintergrund: 10H-Regel und Bürgerentscheid
 
Durch die 10H-Regel sollen Windräder in Bayern einen Mindestabstand vom zehnfachen ihrer Höhe zu Wohngebäuden in Gebieten mit Bebauungsplänen einhalten. Ausnahmen können Kommunen in ihrer Bauleitplanung bestimmen. Im konkreten Fall hat die Gemeinde Dachsbach einen Bebauungsplan für die zwei geplanten Windkraftanlagen bei Arnshöchstädt und Traishöchstädt auf den Weg gebracht. Der Gemeinderat hat sich mit den bisherigen Beschlüssen im Verfahren mehrheitlich für die Anlagen ausgesprochen. Gegen diesen Beschluss wurden Unterschriften gesammelt. Weil das nötige Quorum von zehn Prozent erreicht wurde, kommt es am Sonntag zu einem Bürgerentscheid.Rund 1300 Bürger werden gefragt, ob der Beschluss des Gemeinderates zur Aufstellung eines Bebauungsplanes für den "Windpark Dachsbach" aufgehoben werden soll oder nicht. Die notwendige Mindeststimmenzahl der Abstimmungsmehrheit beträgt bei Gemeinden bis 50 000 Einwohnern 20 Prozent. Ein Bürgerentscheid wirkt wie ein Beschluss des Gemeinderates. Nur durch einen Bürgerentscheid kann er innerhalb eines Jahres geändert werden.