Der Bierbauch von Höchstadt
Autor: Johanna Blum
Höchstadt a. d. Aisch, Dienstag, 29. Sept. 2015
Im Höchstadter Kellerberg führen 26 Eingänge zu 218 Gewölben, die durch ein über 2000 Meter langes Wegenetz verbunden sind. Ein Verein kümmert sich um den Erhalt der Anlage.
Vor dem 30-jährigen Krieg war Bayern eher ein Weinland als ein Bierland. Noch bis ins 14. Jahrhundert wurde das Bierbrauen von den bayerischen Herzögen und auch vom Würzburger Bischof untersagt. In der Region um Höchstadt befanden sich vor allem im Mittelalter Weingärten, und der Wein war das am meisten konsumierte Getränk. Flur-und Ortsnamen wie Weingartsgreuth oder in Höchstadt am "Weingartsgraben" oder auch der Name "Rebenweg" zeugen von dem weit verbreiteten Weinanbau in unserer Gegend.
Die durch die Bevölkerungszunahme bedingte Steigerung der Getreidepreise führte dazu, dass die Bauern statt Reben Getreide anbauten. Ein Hemmschuh für das Brauwesen war allerdings, dass nicht ohne das erteilte Braurecht gebraut werden durfte. Im Jahre 1410 wurde den Höchstadter Bürgern vom Bamberger Bischof erstmals die Erlaubnis erteilt, Bier zu brauen, zu verkaufen und auszuschenken.
Traditionsreiche Felsenkeller am Höchstädter Kellerberg
Ein weiteres Dokument vom 30. März 1698 weist erstmals auf die traditionsreichen Felsenkeller am Höchstadter Kellerberg hin. Eine Inschrift am zweiten Eingangstorbogen des Kellereingangs unter dem "Mühlstüberl" weist auf das Entstehungsjahr dieses Kellers im Jahr 1698 hin. 1796 zerschlugen die Franzosen, die während der Napoleonischen Kriege auch durch Höchstadt kamen, sämtliche Bierfässer und ließen das Bier auslaufen. Auch wurden die Keller, die damals als Vorratslager dienten, ausgeplündert.Die Höchstadter Kelleranlage hat insgesamt 26 Eingänge, und von diesen geht ein wahres Labyrinth von Stollen und Gängen ab. Sie ähnelt damit einer Bienenwabe. Das Kellersystem ist mehrstöckig aufgebaut und weitverzweigt. Von den Hauptstollen abgehend wurden nochmals etwa 218 Lagerkeller in den Fels gehauen. Die Gesamtlänge aller Kellergänge liegt bei über 2000 Metern. Die meisten Keller wurden von den ortsansässigen Hausbrauern geschaffen. Ein kleiner Teil der Keller wurde von den Höchstadter Brauereien in den Fels gehauen.
Idyllische Treffpunkte
Am Kellerberg gibt es 22 Kellerhäuschen, von denen die meisten sogenannten Kellergemeinschaften gehören. Die Kellerhäuschen wurden ursprünglich als Geräteschuppen gebaut, in denen man Gebrauchsgegenstände wie Zapfhähne, Bierkrüge oder leere Fässer aufbewahrte. Durch die schattigen Laubbäume und die kühlen Lagerkeller entwickelten sich die Kellerhäuschen zu attraktiven Anziehungspunkten.2014 entwickelte sich der Kellerberg mehr und mehr zum Schmuckstück Höchstadts. Die Zufahrt zum Petersbecks-Kellerhaus wurde abgeflacht und im Herbst begannen die Baumaßnahmen für den Lagerschuppen mit integrierter Behindertentoilette. Gleichzeitig arbeitete man am künftigen Schau-Brauhäuschen an der historischen Freiluft-Kegelbahn. Die Kellerhäuschen konnten dank des EU-Leader-Programms im Rahmen der LAG Aischgrund bei nur geringer Eigenbeteiligung erneuert werden und strahlten bald in neuem Glanz. Die Renaturierung der gesamten Kelleranlage und besonders des Petersbecks-Kellergeländes mit einer Hopfen-Plantage ist bestens gelungen.
Einer der Mitbegründer des Kellerbergvereins ist der 86-jährige Hans Wichert aus der Kleinen Bauerngasse in Höchstadt. Hier erinnert er sich an die Gründung des Vereins und an alte Zeiten: "Wir waren damals im Jahr 1991 etwa 35 Leute, und Konrad Gehr war unser Vorsitzender. Die Zeit war damals reif, dass wir, die Kellerleute vom Berg, uns zusammentun mussten, um mehr Durchschlagskraft bei den Behörden für unsere Anliegen zu bekommen. Richtig viel Zug kam dann mit Andreas Stark rein, der 1995/96 den Vorsitz übernommen hatte.
Bereits 1972 hatte ich mir einen Häuslasanteil so wie einen eigenen Keller gekauft. Jeden Mittwoch spielten wir damals immer Schafkopf. Leider ist es vor fünf Jahren etwas ruhiger geworden. Viele sind halt schon weggestorben. Vor kurzem hab ich aber alles meinem Enkel übergeben. Der hält jetzt das ,Kirchners Häusla‘ in Ehren.
Die Keller am Berg wurden in reiner Handarbeit ohne technische Hilfen gegraben. Eigentlich traf man sich jeden Sonntagnachmittag ab 15 Uhr und oft auch Samstag - gar mancher blieb dann gleich bis Sonntag oben. Man hatte seine Brotzeit dabei wie Rettich, Brot, Fleisch, Wurst und Schinken, ein Fässla wurde frisch angestochen und dann wurde gekartelt und gesungen.
Während des Krieges als Flüchtlingsunterkünfte genutzt
Die Rettiche wurden bei der Gärtnerei Denk am Fuße des Kellerbergs verkauft. Vor dem Krieg kam ab und zu auch ein Bäcker und bot Brezen und Labli an. Das ging dann so bis in die hereinbrechende Nacht. Während des Krieges wurden einzelne Kellerhäusli als Flüchtlingsunterkünfte genutzt.Das Bier wurde seinerzeit im Kommunbrauhaus gebraut, und die Kellerbesitzer lagerten es dann in ihren Kellern. Jeder "Kleine" durfte 10 hl und die "Großen" 20 hl brauen. Erst wenn das Brauhaus vom Zollamt den Bescheid hatte, dann konnte man das Bier abholen und es im eigenen Keller lagern - aber nicht verkaufen. Ein alter Ausspruch geht mir nicht aus dem Kopf: ,Wenn alles Bier vom Kellerberg rein nach Höchstadt gelaufen wär, hätt das ganz Höchstadt überschwemmt!‘"
Erster Vorsitzender Karsten Wiese wurde heuer zum König der Kellerbergkerwa 2015 gekrönt: "Als ich 2011 gefragt wurde, ob ich den Vorsitz übernehmen würde, war mir wirklich nicht klar, auf was ich mich da einlasse bzw. welche Ausmaße die ganze Angelegenheit annehmen wird.
Mehr durch Zufall bin ich überhaupt 2004 auf den Verein gestoßen: Mein Sohn machte in seiner Pfadfindergruppe eine Kellerführung. Ich dachte, das schaue ich mir mal an. Von Anfang an begeisterte mich diese Unterwelt und die Leistung, die unsere Vorfahren erbringen mussten, nur damit sie kühle Lagerräume bekamen. Die Begeisterung ist unverändert, wenn auch der Schwerpunkt und Fokus meiner Tätigkeiten sich im Laufe der Zeit sehr geändert haben.
Derzeit hat der Verein Aufwind: unsere Arbeiten werde von einem Großteil der Höchstadter anerkannt, die Zusammenarbeit mit der Stadt ist sehr gut und unsere Mitgliederzahl ist von knapp 60 in 2010 auf über 250 angestiegen. Unser sechsköpfiger Vorstand ist sicher nicht immer einer Meinung - aber man findet stets einen Konsens, wenn es nötig ist. Das macht Spaß und motiviert uns.
Was für mich schwierig ist? Ich muss immer den Spagat zwischen Arbeit, Familie und Verein machen. Das gibt oft Probleme und ist manchmal extrem schwierig, was die Termin- und Zeitplanung anbelangt. Ohne Verständnis und Unterstützung meiner Frau würde das Ganze sowieso nicht funktionieren."