Demonstranten vs. Polizei: Was beide Seiten heute über Wackersdorf sagen
Autor: Natalie Schalk
Fürth, Donnerstag, 26. Sept. 2019
Zwei Zeitzeugen, zwei Perspektiven: Wir haben einem Polizisten und einem Umweltschützer die gleichen Fragen zu ihrer Zeit in Wackersdorf gestellt.
Vor 30 Jahren wurde der geplante Bau einer Wiederaufarbeitungsanlage für abgebrannte Brennelemente in einem oberpfälzischen Wald aufgegeben. Zehn Milliarden Mark hatte das Projekt da bereits gekostet. Die Massen-Proteste gegen die geplante "Atomfabrik" in Wackersdorf hatten über Jahre angehalten. Meist war es friedlich.1986, nach Tschernobyl, war von bürgerkriegsähnlichen Zuständen die Rede. Zwei Zeitzeugen erinnern sich. Damals standen sie auf entgegengesetzten Seiten.
Hubert Weiger (72) ist heute Vorsitzender des Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND). Er lebt in Fürth.
Rainer Seebauer (58) ist Polizeihauptkommissar, Sprecher des Polizeipräsidiums Mittelfranken und ein alteingesessener Nürnberger.
1. Wie haben Sie Wackersdorf erlebt?
Hubert Weiger: Wir haben 1981 die Bürgerinitiative mit auf den Weg gebracht und waren oft vor Ort. Damals gab's nur Festnetz und Fax: So haben wir 1982 die erste Großkundgebung organisiert. Es war Februar, es war kalt, wir haben mit 500 bis 1000 Leuten gerechnet. Gekommen sind 10 000. Das war der Durchbruch. Da engagierten sich anerkannte Persönlichkeiten wie Förster und Pfarrer. 1984 wurde das Franziskus-Marterl geweiht und jeden Sonntag trafen sich da WAA-Gegner zur Andacht. Landrat Hans Schuierer (SPD) hat zentral dazu beigetragen, die WAA zu verhindern, Landwirt Michael Meier weigerte sich trotz eines Millionengebots, sein Grundstück zu verkaufen. Mich jungen Naturschützer beeindruckten diese Persönlichkeiten. In der Hauptphase von '84 bis '88 war ich als Nordbayern-Beauftragter des BUND alle zwei Wochen dort. Zum Anti-WAA-Festival kamen 1986 über 100 000 Menschen. Größen wie Grönemeyer, Lindenberg und BAP traten auf. Das machte Mut.
Rainer Seebauer: Ich war in Nürnberg in der Einsatzhundertschaft, als es im April '83 hieß: Ein Zug muss nach Wackersdorf. Ich war 22 - wir haben uns alle angeschaut: Wohin? Wackersdorf? Und was ist eine WAA? Vor Ort gab's nur Wald. Demonstranten hatten einen Holzturm gebaut, wir sind eine Woche mit Geländefahrzeugen im Wald Streife gefahren. Dann kam eine Technische Hundertschaft und hat den Turm abgesägt. Das war's für mich erst mal: Im September bin ich nach Fürstenfeldbruck zur Ausbildung für den gehobenen Dienst, im Sommer 1986 kam ich als Zugführer nach Nürnberg zurück. Aber von da an war ich fast jedes Wochenende in Wackersdorf. Jahrelang. Jetzt war da eine brach gerodete Fläche mit einem Riesenzaun außen herum. Den mussten wir schützen. Die meisten Kundgebungen waren ja friedlich: Wackersdorfer Bürger, die sonntags von der Andacht am Franziskus-Marterl aus ums Gelände marschiert sind. Die Großdemos, vor allem '86, waren allerdings heftig.
2.Was machte Ihnen damals Angst?