Druckartikel: Demokratie hat viele Gesichter

Demokratie hat viele Gesichter


Autor: Karina Brock

LKR Erlangen-Höchstadt, Montag, 20. Januar 2020

Bürger können Entscheidungen eines gewählten Gremiums direkt beeinflussen - oder verändern.
Die Stadt-Umland-Bahn hat viele Gegner, aber auch viele Befürworter. Drei Abstimmungen - in Erlangen, Herzogenaurach und im Landkreis - zeichneten ein heterogenes Stimmungsbild.  Foto: Pascale Ferry/Archiv


Politik und Demokratie funktionieren bei uns in der Regel mittelbar: Wir wählen Vertreter, die für uns Gesetze erlassen und Entscheidungen treffen. Aber es gibt Instrumente der direkten Beteiligung - gerade auch für die kommunale Ebene: Bürgerbegehren und Bürgerentscheid.

Derzeit läuft so ein Verfahren in Pommersfelden. Es geht darum, ob Amazon im Limbacher Gewerbegebiet ein Logistikzentrum bauen darf. Genau genommen geht es dabei um die Änderung des Bebauungsplans "Gewerbegebiet Limbach" und die damit verbundene Ansiedlung des Online-Riesen.

Mit 606 gültigen Unterschriften sind die rechtlichen Voraussetzungen erfüllt, das Bürgerbegehren ist zugelassen. Nun muss innerhalb von drei Monaten ein Bürgerentscheid stattfinden (zu den Voraussetzungen siehe auch weiter unten).

Vieles wurde in der Vergangenheit auch im Landkreis Erlangen-Höchstadt per Bürgerentscheid befürwortet oder abgelehnt - zum Teil mit weitreichenden Folgen.

ADAC geht nach Schlüsselfeld

So eröffnete im September 2011 der ADAC sein Fahrsicherheitszentrum in Schlüsselfeld, wo der Automobilclub mit seinen Plänen auf offene Türen gestoßen war. Ursprünglich hatte der ADAC das Trainingsgelände in Höchstadt zwischen der Medbacher Mühle und dem Freibad geplant. Diese Pläne gaben die Verantwortlichen aber auf, nachdem sich eine Bürgerinitiative gegen das Projekt gebildet hatte, die Unterschriften sammelte und einen Bürgerentscheid anstrengte. Der ADAC fühlte sich in Höchstadt unerwünscht und fand in Schlüsselfeld einen Alternativstandort - ohne erst die Entscheidung der Bürger abzuwarten.

Mastanlage, ja oder nein? Das war die Fragestellung beim Bürgerbegehren am 26. Mai vergangenen Jahres in Weisendorf. Vorausgegangen war ein heftiges Hin und Her zwischen Befürwortern und Gegnern. Vorgesehen war eine Anlage in Kairlindach, die 480 Rinder auf einer Fläche von rund 1500 Quadratmeter unterbringen sollte. Insgesamt sollten zwei Hallen mit je 2300 Quadratmeter entstehen. Innerhalb kürzester Zeit wendeten sich allerdings etwa 3500 Menschen gegen die Anlage. Ergebnis: ein Bürgerbegehren, das sich mit 2048 zu 1337 Stimmen deutlich gegen den Bau aussprach.

Hoch her ging es auch im Jahr 2016 bei der Frage zur Stadt-Umland-Bahn (Stub): Der Landkreis Erlangen-Höchstadt sprach sich dagegen aus, Erlangen stimmte zu und auch in Herzogenaurach war die Mehrheit für den Bau. Die Planungen laufen seitdem - und zwar für eine Stub zwischen Erlangen und Herzogenaurach.

2016 - ein Jahr des Protests

2016 war gerade in Erlangen ohnehin ein Jahr des Protests: Stadt-Umland-Bahn, Grundstücke am Burgberg, Landesgartenschau, Umgestaltung von Stadtvierteln: Es regte sich bei verschiedensten Themen der Unmut kritischer Bürger. In der Erba-Siedlung befürchteten Anwohner Schlimmes: Die Gewobau wollte einen Teil der alten Häuser abreißen und mit neuen Wohnblocks nachverdichten. Ebenso in der Housing-Area, am Burgberg oder in Büchenbach. Überall gab es bei den Bürgern vor Ort Gegenwehr. Oder das Thema Landesgartenschau. Die Stadt Erlangen hatte sich um die Durchführung im Jahr 2024 beworben und 2016 den Zuschlag bekommen. 2017 folgte das Bürgerbegehren, das das Vorhaben abbügelte.

Ebenfalls 2016 entschieden sich die Bürger in Röttenbach für das neue Baugebiet Röttenbach-West und die Wachenrother gegen Windräder.

In Röttenbach war ein monatelanger Streit vorausgegangen - bis die Gemeinderäte ein Ratsbegehren initiierten, in dem die Mehrheit der Bürger das neue Baugebiet befürwortete. Die Gegner hatten mit Flächenverbrauch und der Zerstörung eines Gebietes mit besonderer Bedeutung für Erholung argumentiert. Sie hielten den Grundeigentümern vor, nur einen hohen Wertzuwachs erzielen zu wollen. Ohne Erfolg.

Von der Windkraft profitieren wollte die Mehrheit des Wachenrother Gemeinderats und stimmte dem Bau von zwei Windrädern auf Gemeindegrund im Waldgebiet Birkach zu. Die Räte hatten die Rechnung aber ohne die Bürger gemacht. Schnell hatten sich die Gegner der Windräder zu einer Bürgerinitiative formiert, der es gelang, einen Bürgerentscheid zu erzwingen. Eine Mehrheit der Wachenrother votierte schließlich gegen den Bau zweier Windräder auf Gemeindegebiet. Mit dem Ergebnis, dass sie nun nur wenige Kilometer weiter im Staatsforst stehen.

Des einen Freud des anderen Leid. So funktioniert Demokratie eben - mittelbar und unmittelbar.

So funktioniert die direkte Demokratie in Bayern

Bürgerbegehren: Ein Bürgerbegehren ist die Voraussetzung für einen Bürgerentscheid. Es muss bei der Gemeinde eingereicht werden und eine mit "Ja" oder "Nein" zu entscheidende Fragestellung sowie eine Begründung enthalten. Es muss bis zu drei Personen benennen, die berechtigt sind, die Unterzeichner zu vertreten. Es muss je nach Gemeindegröße von mindestens drei bis zehn Prozent der wahlberechtigten Gemeindebürger (mindestens zwei Monate ortsansässig) unterschrieben sein.

Fristen: Nach Einreichung des Bürgerbegehrens hat der Gemeinderat spätestens innerhalb eines Monats über die Zulässigkeit des Bürgerbegehrens zu entscheiden. Nach Feststellung der Zulässigkeit ist der Bürgerentscheid an einem Sonntag innerhalb von drei Monaten durchzuführen. Die Frist kann im Einvernehmen mit den vertretungsberechtigten Personen um maximal drei Monate verlängert werden.

Bürgerentscheid: Klar: Die Mehrheit entscheidet die Fragestellung für sich. Diese Mehrheit muss in Gemeinden bis zu 50 000 Einwohnern mindestens 20 Prozent, bis zu 100 000 Einwohnern mindestens 15 Prozent und in Gemeinden mit mehr als 100 000 Einwohnern mindestens 10 Prozent der Stimmberechtigten betragen. Bei Stimmengleichheit gilt die Frage als mit "Nein" beantwortet.

Ratsbegehren: Der Gemeinderat kann auch selbst beschließen, dass über eine Angelegenheit ein Bürgerentscheid stattfinden soll. In so einem Ratsbegehren kann der Gemeinderat einen Alternativvorschlag zu einem Bürgerbegehren vorlegen.

Quelle: www.freistaat.bayern.de