Druckartikel: Cola, Kokosnuss, Walspeck: Erlanger Wissenschaftler Schubert über Kuriositäten in der Geschichte des Abendmahls

Cola, Kokosnuss, Walspeck: Erlanger Wissenschaftler Schubert über Kuriositäten in der Geschichte des Abendmahls


Autor: Natalie Schalk

Erlangen, Mittwoch, 17. April 2019

Bevor er verhaftet wurde, feierte Jesus ein letztes Abendmahl mit seinen Jüngern. Damit begann auch eine lange und aufregende Geschichte der Kulinarik.


Nach biblischer Überlieferung sagte Jesus, als er am Gründonnerstag das Brot brach, es sei sein Leib, und der Wein sei sein Blut. Seitdem ist die Wandlung die heiligste Handlung des Christentums - und seitdem herrscht Aufregung unter den Gläubigen. Was passiert, wenn Brotkrümel auf den Boden fallen, Wein verschüttet wird oder eine Fliege ausgerechnet dann in die Flüssigkeit plumpst, wenn diese in den heiligen Stoff gewandelt wird? Und überhaupt: Muss es unbedingt Brot und Wein sein oder funktioniert die Wandlung auch mit anderen Lebensmitteln?

Der Erlanger Kirchenhistoriker Anselm Schubert erzählt von einem Gottesdienst, zu dem er im Urlaub auf Mauritius eingeladen wurde. "Den hielt ein britischer Colonel in seinem Wohnzimmer mit allen Christen der Insel. Also 13 oder 14 Leuten." Statt Wein und Hostie bekam jeder einen Schluck Sherry und einen Cookie. "Von der Frau des Colonels selbst gebacken."

Food History des Christentums

Schubert weiß aus vielen Quellen, wie unterschiedlich das Abendmahl gefeiert wird. Er leitet den Lehrstuhl für Neuere Kirchengeschichte an der Uni in Erlangen und hat ein Buch über die kulinarische Geschichte des Abendmahls geschrieben. Eine Food History des Christentums. Nicht respektlos oder unfromm, und doch lustig. Vor allem, wenn es um die Vorschriften des Mittelalters geht. Sie bestimmten genauestens, welcher Wein und welches Getreide wie zu verwenden war und sie regelten, was zu tun war, wenn der heilige Wein oder das Brot verdorben war, ausgehustet oder erbrochen wurde.

Wenn dem Priester wirklich nicht mehr zugemutet werden konnte, die Substanz zu sich zu nehmen, wurde in der Regel ähnlich verfahren wie bei der Fliege, die in den Wein geriet: Sie musste verbrannt und die Asche unter dem Altar begraben werden. Die alten Traditionen blieben lange im Selbstverständnis der Christen verankert.

Schubert berichtet, wie aufgeregt Martin Luther den Quellen zufolge reagierte, als eine Frau im Gottesdienst Wein auf ihren Pelzkragen und die Kniebank verschüttete. Luther stürzte mit Tränen in den Augen herbei und half, Christi Blut "von des Weibes Mantel ... auflecken". Nach der Kirche ließ er die Weinflecken aus der Jacke schneiden, die Bank abhobeln und Fell und Späne verbrennen.

Brot und Wein und das Seelenheil

Jesus Christus ist in Fleisch und Blut, mit Leib und Seele, als wahrer Gott und Mensch, als Gekreuzigter und Auferstandener gegenwärtig in Wein und Hostie - bei dieser Vorstellung bekamen die Gläubigen Angst um ihr Seelenheil und regten sich entsprechend auf, wenn bei der Eucharistie etwas falsch gemacht wurde. Vor 1000 Jahren spielte dies zum Beispiel eine Rolle bei der Spaltung in Ost- und Westkirche.

Nach der Entdeckung der neuen Welt landeten christliche Missionare auf einem Kontinent, der weder Weizen noch Wein kannte. Immer wieder wurde heftig diskutiert, womit das Abendmahl gefeiert werden darf. Bis heute. Heute sei oft das Essen an sich eine Ersatzreligion geworden. "Vegan, bio und der CO 2 -Abdruck von Fleisch: Die Diskussionen darüber nehmen religiöse Züge an." Auf diesen Feldern werden heute kulinarische Glaubenskriege geführt.

Ein paar kuriose Beispiele aus der Geschichte des Abendmahls

Käse, Oliven und Honig

Käse und Oliven, Fleisch, Früchte, Honig, Brot, Milch, Wein - im ersten Jahrhundert feierten Christen das Abendmahl mit Speisen, die sie von Zuhause mitbrachten, gemeinsam verzehrten und von denen sie den Armen opferten. Wie in der Antike üblich war das Symposium, das gemeinsame kultische Mahl mit intensiven Gesprächen, die wichtigste Form gelebter Religion. Das ließ sich allerdings nur mit wenigen Gästen abhalten, später wurde das gemeinsame Essen von der kultischen Handlung getrennt. Allerdings ist bis ins 16. Jahrhundert überliefert, dass das Abendmahl hie und da beispielsweise auch mal mit Käse gefeiert wurde.

Spülwein

Im Mittelalter fürchteten selbst die Frömmsten den direkten Kontakt mit Leib und Blut Christi; Laien bekamen "Spülwein", mit dem der Priester den Kelch gereinigt hatte - für diesen Kommunionsersatz wurden enorme Mengen Wein benötigt. Allein in St. Lorenz Nürnberg wurden Ende des 15. Jahrhundert über das Osterwochenende 152 Liter Wein ausgeteilt.

Walspeck

Da das Abendmahl ein Fest ist, möchten einige Gläubige in Alaska das Abendmahl mit der traditionellen Festtagsspeise der indigenen Völker feiern - mit Walspeck.

Cola und Kokosnuss

Weizen und Wein wachsen nicht überall und waren in einigen Ländern bis ins vorige Jahrhundert gänzlich unbekannt. Schon deshalb bedurfte es beim Abendmahl Alternativen. Heute lehnen viele Gemeinden außerhalb Europas Weizen und Wein bewusst als westliches Diktat ab und fordern die Verwendung einheimischer Speisen und Getränke: In pazifischen Gemeinden sind Kokosnüsse üblich, in Ländern wie Burundi, Ruanda und dem Kongo ist Wein schlicht zu teuer, Wasser oft nicht trinkbar, weshalb auf industriell hergestellte Softdrinks wie Cola und Fanta zurückgegriffen wird.

Einweg-Hostien

Als viele amerikanische Gemeinden zu Mega-Churches anwuchsen, wurde das Abendmahl industrialisiert: Anfang der Neunziger Jahre entwickelte ein baptistischer Pfarrer in Oregon die "Prepacked Communion": Hygienisch, keimfrei und antialkoholisch gibt's einen Schluck Traubensaft im versiegelten Einwegplastikbecher von der Größe einer Kaffeesahne-Portion, obendrauf liegt eine eingeschweißte Oblate . "Die Vorbereitungszeit des Abendmahls für eine mehrtausendköpfige Gemeinde reduziert sich von zehn Stunden auf 40 Minuten." Anselm Schubert erklärt, warum ein ähnlicher Versuch in Deutschland scheiterte. "Es ist einfach stillos. Außerdem verursacht es Unmengen Plastikmüll." nat