Druckartikel: Bunte Geschichte(n) beim Comic-Salon in Erlangen

Bunte Geschichte(n) beim Comic-Salon in Erlangen


Autor: Rudolf Görtler

Erlangen, Mittwoch, 18. Juni 2014

Das Erlanger Festival hat viel zur Seriosität der "neunten Kunst" beigetragen.
Illustration: Joe Sacco


Gesetzt, einer habe noch nie das Wort "Comics" gehört, so kennt er die Dinger doch: Denn dass ein Deutscher mit "Max und Moritz" nichts anfangen kann, scheint kaum vorstellbar. Jawohl, Wilhelm Buschs Buben von 1865 sind Vorläufer der Comics.

Die biedere Definition "Bildergeschichte" ist durchaus brauchbar und jener des Comic-Theoretikers Scott McCloud ("zu räumlichen Sequenzen angeordnete, bildliche oder andere Zeichen, die Informationen vermitteln und/oder eine ästhetische Wirkung beim Betrachter erzielen wollen") vorzuziehen. Mit solchen quasi wissenschaftlichen Diskursen beschäftigen sich Fachleute im Rahmenprogramm des Erlanger Comic-Salons, jenes Festivals, das sich bis Sonntag allen Facetten der "neunten Kunst" widmet (die anderen acht: Architektur, Bildhauerei, Malerei, Tanz, Musik, Literatur, Kino, Fernsehen).

Immer noch erzielt Massenware wie "Das lustige Taschenbuch", wie Mickymaus und die amerikanischen Superhelden-Comics am

Kiosk Hunderttausender-Auflagen. Das Internet hat den Comic-Umsätzen nicht viel anhaben können. Carl Barks' Duck-Familie zeugte das liebenswerte Spinnertum des "Donaldismus", "Asterix" kennt wohl jeder aus Schülertagen, Underground-Comics sind fast völlig verschwunden, Gerhard Seyfrieds "Freakadellen und Bulletten" gehörten zur Alternativkultur wie der Aufkleber "Atomkraft nein danke", Walter Moers' "Kleines Arschloch" ist nach einem Marketing-Boom zur Redensart geschrumpft, Ralf König erhält für seine Schwulen-Comics den diesjährigen Max-und-Moritz-Preis des Comic-Salons.

Dies sind nur einige Namen, die beweisen, dass aus den vormals bestenfalls belächelten Heftchen sich ab Mitte der 1980er Jahre auch und gerade in Deutschland eine eigene Szene mit spezialisierten Verlagen, Geschäften und Zeichnern entwickelt hat. Befremdlich wirkt auf ältere Konsumenten der aus Japan heranbrandende Manga-Boom, der einen ganz eigenen, zum Teil bizarren Kult geschaffen, jedoch zum ökonomischen Überleben der Szene entscheidend beigetragen hat.

Am wichtigsten jedoch für den anspruchsvollen, fortgeschrittenen Comic-Konsumenten ist das Aufkommen der sogenannten "Graphic Novels" (etwa: "grafischer Roman") für erwachsene Leser. Art Spiegelmans "Maus - Die Geschichte eines Überlebenden" über den Holocaust war ein Meilenstein dieser Entwicklung. Beim Comic-Salon gibt es einen Schwerpunkt auf dem Werk des französischen Künstlers Jacques Tardi, dessen Werke zum Ersten Weltkrieg mit denen solcher Kollegen der klassischen Moderne wie Otto Dix u. v. a. verglichen werden. Der Comic ist endgültig in den heiligen Hallen der Kunstgeschichte angekommen.