Druckartikel: Betrügerin mit viel Fantasie wird verurteilt

Betrügerin mit viel Fantasie wird verurteilt


Autor: Sarah Seewald

Herzogenaurach, Donnerstag, 27. August 2015

Wenn Liebe blind macht, kann es passieren, dass man um mehrere tausend Euro betrogen wird. So erging es einem Mann aus Herzogenaurach, der gestern im Amtsgericht Erlangen kuriose Geschichten über die Angeklagte zu erzählen hatte.
Immer und immer wieder bestellte die Angeklagte im Internet: Kleidung, Kosmetika ... Die Rechnungen liefen alle auf den Namen des Angeklagten. Das bemerkte dieser aber erst sehr spät. Symbolfoto: Sarah Dann


Lukas und Tina, zwei, die sich über eine Internetplattform kennen gelernt und sich bei ihrer ersten Begegnung am Nürnberger Bahnhof gleich ineinander verliebt haben. Die Frau heißt zwar nicht Tina und der Mann nicht Lukas, doch die Geschichte der beiden gibt es wirklich.

"Es hat schon richtig gefunkt gehabt", erinnert sich Lukas J. über ein Jahr später. Er sitzt am Donnerstagmittag im Amtsgericht in Erlangen und sagt aus. Tina F. sitzt schräg links von ihm, nimmt einen Schluck aus dem krell-orangenen Tetra-Pack, neben ihr sitzt ein Mann in schwarzer Robe - ihr Verteidiger.

Die 34-Jährige ist wegen Betrug in über 60 Fällen angeklagt: Mieterschleichung, zig Online-Bestellungen, sogar Kreditauszahlungen ... alles auf Kosten von Lukas J. Insgesamt beläuft sich der Schaden laut Staatsanwaltschaft auf eine Summe in Höhe von 19 545 Euro.

Denn bis der junge Mann, der in Herzogenaurach lebte und bisher in seinem Leben noch nicht einmal für einen Autokauf einen Kredit aufnehmen musste, wie er sich selbst dem Richter gegenüber beschreibt, - wahrhaben wollte, wie ihm geschieht, hatte Tina F. auf seinen Namen schon viele, viele Dinge gekauft.


Aus Mitleid nicht getrennt

Übrig geblieben sind Säcke voller Rechnungen und Mahnungen, die sich sortiert am Verhandlungstag in dicken Ordnern vor dem Richter stapeln und ein Nachrichtenverlauf auf dem Handy. Die hat das Opfer nämlich noch nicht gelöscht, sondern konnte sich vor seiner Aussage noch einmal vor Augen führen, wie sich die Lügengeschichte nach und nach aufgebaut hat.

Am Anfang war der mysteriöse zweite Personalausweis in der Handtasche seiner Freundin, auf dem ein ganz anderer Name als Tina F. zu lesen war, und sich Lukas dann schließlich so erklären lies, als dass seine Freundin im Zeugenschutzprogramm wäre. "Vielleicht stimmt's ja doch", dachte er sich damals. Komisch habe er die Geschichte - und dass er sie nie daheim habe absetzen dürfen - aber schon gefunden. Zu einer Trennung kam es aber nicht.

Als nächstes kam es nämlich zur Gehirntumor-Erkrankung. Tina F. habe wirklich aus Nase und Ohren geblutet, erzählt das Opfer Richter Wolfgang Gallasch. Die damals wie heute organisch gesunde Betrügerin konnte Lukas J. also auch diese Krebserkrankung und außerdem noch zwei Schwangerschaften - Mutterpass und wachsender Bauch inklusive - vortäuschen.

Auf das Eindrücklichste zusammengefasst gab es während der Beziehung außerdem noch kuriose Reisen mit Buchungsfehlern nach Italien, eine vermeintliche Festanstellung in einem Finanzamt, einen verstorbenen Vater, der angeblich "zig Millionen Vermögen in den USA" hatte, ein Beinahe-Villa-Kauf auf Lukas J. Namen ... und nur einen einzigen Briefkastenschlüssel für die Wohnung, die sich Tina und Lukas nach langer Suche schließlich in Herzogenaurach gemietet hatten.

Irgendwann, im Frühjahr dieses Jahres dann - rund um das Auferstehungsfest - suchte Lukas J. eine Schere in der Wohnung und fand dabei eine Abrechnung seiner American Express Kreditkarte. Und verlor damit auch so langsam seinen Glauben an eine ganz normale Beziehung zwischen Mann und Frau.


Bewährung ja oder nein?

Eine Festplatte mit Bildern von Tina im Hochzeitskleid und einigen Kindern sowie ein fremder Mann vor der Wohnungstüre in Herzogenaurach, der - so die Erzählung des Opfers - verwundert festgestellt habe, Lukas sei nach Aussagen von Tina doch eigentlich bei einem Radunfall gestorben, lieferten wohl dann gemeinsam mit den Bergen ungezahlter und unbekannter Rechnungen auf seinen Namen, Anlass, die Polizei aufzusuchen.
Auch dem zur Hilfe gezogenen Sachberater erschienen anfangs die unterschiedlichen Namen, Berufe und Geschichten "nur schwer nachvollziehbar". Doch: "Später konnte ich den Herrn J. leichter verstehen, weil die Geschichten untermauert waren", so der Zeuge.

Schließlich entschied sich Richter Gallasch nach ungefähr eineinhalb Stunden Verhandlung am Donnerstag, die trotz Lügengebilde relativ rasch abgehandelt werden konnte, weil sich die seit 29. April in Untersuchungshaft befindende Angeklagte vom ersten Augenblick an geständig zeigte, schließlich für eine Freiheitsstrafe von zwei Jahren auf Bewährung. Ein Geständnis sei für einen Betrüger nämlich eher ungewöhnlich. Nichtsdestotrotz stecke kriminelle Energie in der Angeklagten, die - so der Staatsanwalt - "höchst raffiniert" vorgegangen und zudem vorbestraft sei.

Außerdem muss die 34-Jährige 200 gemeinnützige Stunden leisten, bekommt für die fünf Jahre einen Bewährungshelfer an die Seite gestellt, soll sich Hilfe suchen und darf sich fünf Jahre lang nicht die kleinste Sache zu Schulden kommen lassen: "Ich arbeite noch sieben Jahre", sagt Gallasch und gibt der Angeklagten deutlich zu verstehen, dass er die Auflagen kleinlich im Blick behalten werde. Die Geschichte von Tina F., der Betrügerin, ist also noch nicht ganz vom Tisch, die von Lukas und Tina mit dem Urteil aber schon.