Druckartikel: Bergkerwa-Abc: Vom Herdentier bis zum Fieselbusch

Bergkerwa-Abc: Vom Herdentier bis zum Fieselbusch


Autor: Christian Bauriedel

Erlangen, Montag, 01. Juni 2015

Von A wie Abtrieb bis Z wie Zuckerwatte. Typisches, Kultiges, Komisches: Hier das komplette Bergkerwa-Abc.
Der Berg ruft: Das komplette Bergkerwa-Abc zur Erlanger Bergkirchweih 2015. Foto: Christian Bauriedel


A wie Abtrieb: Als wäre der Berg eine Alm, kommt es jeden Abend zum selben Spektakel. Kaum haben um Punkt 23 Uhr die Bands aufgehört zu spielen, kaum ist die letzte Maß verkauft, setzen sich die Berggeister wie von unsichtbaren Kräften geführt in Bewegung zum sogenannten Abtrieb. Über die Hauptstraße wälzt sich der Menschenstrom in Richtung Innenstadt.
Schon früh am Abend Verlorengegangene tauchen wieder auf. Manch einer verpasst den Anschluss an die eigene Gruppe und wird per Handy lautstark über den Treffpunkt informiert. Während dem oft torkeligen Spaziergang wird der Bergabend resümiert und das Weiterfeiern geplant.

B wie Bier: Es haben schon viele geglaubt, dass es Zauberkräfte verleiht. Allerdings bleibt nach so ein paar Krügen Bergbier meistens nur der Kater am nächsten Morgen.

Neben den großen Brauereien Tucher, Kitzmann und Mönchshof schenken noch die Steinbach-Bräu und die Brauerei Kundmüller aus Weiher aus. Auf dem Berg wird es - für Franken ansonsten eher unüblich - in Litern getrunken. Ist man beim Trinken nicht schnell genug, glotzt einen der letzte Schluck garstig aus dem Steinkrug an. Was dazu führt, dass das "Nachala" oft seinen Weg unter die Bierbank findet.

C wie Coverband: Sie beherrschen die Fieberkurve auf dem Berg: die Coverbands. Gruppen, die eigene Songs spielen, findet man eher selten. Denn dafür singt der Berggänger zu gerne mit. Oft erkennt die Menge schon am ersten Ton den Song und steigt klatschend auf die Bank. Für die Bands ist es eine Adelung, auf dem Berch ins Programm genommen zu werden. Alte Hasen der Partymusik berichten davon, dass das, was auf der Bühne so spielerisch einfach aussieht, nicht immer nur ein Vergnügen, sondern vor allem harte Arbeit ist.

E wie Emmentaler: Gibt es als Rad, von dem gewünschte Mengen geschickt abgesäbelt werden. Passt gut zur Breze oder zum Radieschenbrot. Am Entlas-Keller gibt es ihn kellergereift.

F wie Fahrgeschäfte: Es gibt zwei Typen von Berggängern. Die einen biegen gleich zu den Kellern ab. Zielstrebig einen Platz suchend oder dem Ausschank entgegen. Fahrgeschäfte lässt dieser Typ links liegen. Eine Fahrt im Riesenrad? Vor Jahren mal. Wegen der Freundin. Die andere Sorte Berggast ist wie vernarrt darauf, sich von den hydraulischen Spaßmaschinen durchschütteln zu lassen. Schon vor dem Bergbesuch wird recherchiert, was es in diesem Jahr Neues auf dem Berch gibt. Dieser Typ biegt meistens an der T-Kreuzung gleich rechts ab, wo er sein fahrgeschäftiges Glück findet.

G wie gebrannte Mandeln: Richtig gut sind sie nur frisch und warm. Aber in der Not kann man die süßen Nüsschen natürlich auch kalt essen. Denn eines der kegelförmigen Mandeltütchen empfiehlt sich als handliche Notverpflegung für alle Bergsteiger, die eingekeilt auf der Bierbank stehen und keine gefühlte Weltreise bis zum nächsten Essensstand machen wollen.

H wie Handy: Einen Fehler sollte man auf der Bergkerwa nicht machen: sich erst vor Ort per Handy verabreden. Denn im Getümmel hört man vom Menschen am anderen Ende der Strippe meist nur Undefiniertes mit viel Lärm aus dem Hintergrund. Nach einiger Zeit erkennen die Brüllenden ihre Misere und legen auf. Aber treffen will man sich ja trotzdem. Das Resultat sind dann SMS wie etwa: "Meike hat Tisch. Henniger Band links rauf Fischhütte rum. Rosa Hemd". Oder ähnlicher navigatorischer Kauderwelsch.

I wie Imbiss: Egal ob Grillhähnchen, Schäufele, Bratwurst, Ochs am Spieß oder die vegetarische Pilzpfanne, auf dem Berg gilt: Vor der Maß ist der Imbiss am geschicktesten. Denn eine gute Grundlage fürs Bergbier sollte man schon haben. Der After-Berg-Döner in der Stadt kommt oft zu spät.

J wie Junggesellenabschied: Heirate oder heirate nicht, du wirst es bereuen. Der alte Spruch von Sokrates ist wohl das Motto aller Junggesellenabschiede. Der Berg ist beliebtes Ziel der mit lustigen T-Shirts uniformierten Partytrupps. Ist man selbst dabei: Lustig ohne Ende. Gesellt sich ein fremder Junggesellenabschied an den Tisch, gibt es nur zwei Möglichkeiten: verbrüdern oder das Weite suchen.
K wie Krugpfand: Selbst jene, die brav den Abend über ihre Krüge zurückgeben, können sich sicher sein, dass just zum Zeitpunkt, wenn der Ausschank schließt, doch wieder ein leerer Krug rumsteht. Dann schleppt man ihn mit heim, um ihn dann beim nächsten Mal abzugeben.

L wie Lili Marleen: "Vor der Kaserne bei dem großen Tor stand eine Laterne, und steht sie noch davor." Gänsehaut-Feeling kommt auf, wenn am letzten Bergtag als allerletztes Lied "Lili Marleen" erklingt und hunderte mitsingen. Bekannt geworden ist das Soldatenlied aus den 30er Jahren, das sich international verbreitete, in der Fassung von Lale Andersen.

M wie Malerplane: Zweckentfremdet als Regenschutz kann man sie gut gebrauchen. Wenn sich der Himmel gefährlich dunkel färbt, werden die Planen an den Biertischen ausgegeben. Erst am Montag mussten die Bergbesucher wegen dem Platzregen wieder darunter kriechen. Auch wenn es durchaus gemütlich ist: Ein regenfreier Berg ist besser.

N wie Notdurft: Wer eine sogenannte Konfirmandenblase hat, für den ist die Bergkerwa eine Qual. Denn es kann dauern, bis man beim Klohäuschen angekommen ist, um sich in die Schlange einzureihen. Männer entleeren sich bekanntermaßen gerne auch an Büschen. Was dazu führt, dass vor allem in den oberen Lagen des Berges die Sauerei dementsprechend ist.

O wie Obatzter: Eigentlich ja ein altbayerischer Begriff. Der Käse mit Paprika und Zwiebeln ist in Franken auch als "Gerupfter" bekannt. Für viele Vegetarier stellt er den Ausweg aus dem von Fleisch dominierten Angebot dar.

P wie Pinsl: Bürgerlicher Name des "Bergkönigs" ist Erhard Königsreuther. Der Erlanger Maler, der 2009 gestorben ist, verdiente sich jahrzehntelang auf dem Erich-Keller sein Bier mit selbstgemalten Bildern. Eine Kultfigur auf dem Berg.

Q wie Qualmerei: Für Raucher ist der Berg eine Offenbarung. Denn anders als in Festzelten, kann unter freiem Himmel gequalmt werden, was das Zeug hält. Ob das für den Nebenmann auch ein Genuss ist, sei dahingestellt.

S wie Softeis: Oft überfällt es einen und man weiß gar nicht warum. Aber dann braucht man sofort ein Softeis. Vanille, Waldmeister, Erdbeere oder mit Schokoguss (politisch unkorrekt: Eismohr). Woher die cremige Lust kommt? Vielleicht vom vielen Salz an den Brezn.

T wie T-Kreuzung: Das "T" ist der Punkt zwischen Henninger, Herzenstand und Zigarettenhäusla. Er war schon Ausgangspunkt vieler Bergabende. "Treffen wir uns später am T." Oder auf Fränkisch: "Nocherd am D hald."

U wie Urlaub: Es gibt Berg-Fans, die für die Bergkerwa den halben Jahresurlaub opfern. Wenn die meisten sich an den Strand legen, um abzuschalten, gibt es für diese Menschen nichts Entspannenderes als zwölf Tage Bergtrubel pur. Vielen Anwohnern am Burgberg bleibt auch nichts anderes ürbig als Bergurlaub zu nehmen. Die meisten allerdings nicht um keinen Tag auf dem Berg zu verpassen, sondern um dem zwölf Tage vorherrschenden Lärm und Menschenzustrom zu entflüchten.

V wie Villenviertel: Auf dem Burgberg haben sich Gutbetuchte von Siemens, Klinik und Uni zurückgezogen. Einmal im Jahr obliegt der schnöden Masse eine Visite der exklusiven Wohnlage, vom Riesenrad einen Blick in die Gärten der Großen erheischend. Es gibt dem Volksfest einen kleinen revolutionären Touch, dass es gerade im besten Viertel stattfindet und nicht auf einem planierten Großparkplatz. Neid sollte man aber nicht haben. Auf der Kerwa ist mehr los, als in der ruhigen Lage unterm Jahr.

W wie Wetter: Oft ist es ja so: Dauernd schönes Wetter und ausgerechnet am eigenen Bergtag fieselt der Regen nur so runter. Heuer kann man sich bisher nicht beklagen. Sicher gab es sonnigere Bergkerwas. Aber dann nimmt man eben die dicke Strickjacke mit. Bergsteiger waren ja schon immer der Witterung unmittelbar ausgeliefert.

X wie XXL-Breze: Zum Bergbier gehört eine Bergbrezn einfach dazu. Nicht zu verwechseln mit einer Laugenbrezel. Sie nimmt zwar wegen ihrer opulenten Ausmaße viel Platz auf der Bierbank ein, aber ein paar mal in den Obatzten getutscht und weg ist der gesalzene Wickel.

Y wie Yuppies: Schon 24 Buchstaben hat das Berg-Abc und beim vorletzten streikt die Fantasie. Dinge mit Y rund um den Berg? Youngsters gibt es viele, Yuppies erst recht.
Yoghurt geht nicht. Es wird nicht nur mit J geschrieben, sondern bekannt ist der Berg dafür jetzt nicht gerade. Falls Sie eine Idee haben für das Y-Chromosom des Berges, dann schreiben Sie dem Bergreporter. Der wendet sich dem Z zu. Und da ist es wieder eindeutig:

Z wie Zuckerwatte: Es gibt kaum eine ehrlichere Süßigkeit. Denn der weiße Fieselbusch am Stöckchen verbirgt schon vom Namen her nicht, aus was er besteht: Aus blankem Zucker. Die Zuckerwatte gehört in den Kanon der Kindheitserinnerungen wie Karussellfahrt, Lose ziehen oder Schiffschaukel. Vor allem die klebrigen Finger, die die Eltern in den Wahnsinn getrieben haben.