Baugebiet Röttenbach: pro oder kontra?
Autor: Christian Bauriedel
Röttenbach, Freitag, 07. Oktober 2016
Wer steht wofür? Was sind die Argumente. Rund eine Woche vor dem Bürgerentscheid in Röttenbach kommen die Streitparteien noch einmal im Interview zu Wort.
Soll in Röttenbach ein neues Wohngebiet entstehen oder nicht? Darum geht es am Sonntag, 16. Oktober, beim Bürgerentscheid. Eine Woche vorher haben die verschiedenen Seiten noch einmal die Möglichkeit, ihre Position in einem Interview darzustellen. Die Fragen stellte FT-Redakteur Christian Bauriedel.
Pro Röttenbach: "Es ist eine enkelfeindliche Politik"
Friedrich Biefang ist Sprecher der Interessengemeinschaft "Pro Röttenbach". Diese will das Baugebiet verhindern.
Warum sind Sie gegen ein neues Baugebiet in Röttenbach?
Friedrich Biefang: Wir sehen, dass die Grenzen des Wachstums erreicht sind. Ein Drittel der Gemeindefläche ist bereits bebaut. Ein Drittel sind Wald und Weiherflächen. Wir haben nur noch ein Drittel freie Flur. Wenn diese Fläche auch noch überbaut wird, geht das also an die Substanz.
Von der Gegenseite wird es als "enkelfeindlich" angesehen, wenn kein Zuzug von Familien stattfände. Der gehe nur mit dem Wohngebiet, so die Befürworter.
Mit dem Zuzug ist das Problem des demografischen Wandels doch nicht alleine gelöst. Selbst wenn hundert Familien kommen: Wenn die Geburtenrate so niedrig bleibt, verschiebt man das Problem nur um 30 Jahre in die Zukunft. Die strukturellen Defizite jedoch, wie die Verödung des Ortskernes und die Probleme des Straßenverkehrs, werden zunehmen.
Sie fordern stärkere innerörtliche Nachverdichtung. Wie soll die Gemeinde an die Grundstücke in privater Hand kommen?
Die Machbarkeitsstudie, die die Gemeinde in Auftrag gegeben hat, besagt, dass rund zehn Hektar an freier Fläche innerhalb des Ortes bestehen. Dass es das Problem des Zugriffs für Bauwillige gibt, ist uns natürlich bekannt. Aber das ist nicht erst seit gestern ein Problem. Die Gemeinde hat es verpasst, hier früher und deutlicher Angebote zu machen.
Es soll ja Versuche gegeben haben.
Es reicht nicht, Leute anzuschreiben. Es fehlt eine städtebauliche Rahmenplanung. Wir wollen niemanden zwingen, sein Baugrundstück zu verkaufen. Aber wir sind überzeugt, dass man mit einem städtebaulichen Plan vieles anschaulicher machen könnte. Ebenso wird schon seit langem gefordert, den Bauhof auszulagern, hier könnte die Gemeinde ein Projekt "Sozialer Wohnungsbau" in die Hand nehmen und damit bedürftigen jungen Familien wahrhaft helfen.
Wie könnte so ein Plan aussehen?
Die Gemeinde hat hier seit Jahren nichts getan. Bebauungspläne wurden nicht aktualisiert. Man könnte Bauplätze teilen und Vorschläge für Nachverdichtung machen. Bei vielen Bürgern ist die Vorstellung noch nicht da, wie es konkret aussehen könnte, wenn die Lücken im Ort geschlossen würden. Dazu kommt, dass es ein hohes Potenzial an künftigem Leerstand geben wird. In den nächsten zehn Jahren werden viele Häuser dem Wohnungsmarkt zur Verfügung stehen.
Es gibt den Vorwurf, es handle sich um rein private Interessen. Nach dem Motto: Nicht vor meiner Haustür. Der Blick ins Grüne für Einzelne solle erhalten bleiben.
Dass es diese Vorwürfe gibt, wissen wir. Wir sprechen aber für viele Bürger im ganzen Ort. Und die leben über den ganzen Ort verteilt. Sowohl in der Ortsmitte als auch weit entfernt vom geplanten Baugebiet. Man kann das nicht so einfach verkürzen. Viele treibt es einfach um, wenn durch einen unverantwortlichen Flächenfraß die Wohnqualität gemindert werden soll indem das beliebte Naherholungsgebiet am westlichen Ortsrand zugebaut wird.
Wir leben Röttenbach: "Dann müssten wir wegziehen"
Michael Warter ist Sprecher von "Wir lieben Röttenbach". Er wünscht sich das Baugebiet.
Was wäre schlimm daran, wenn es in Röttenbach kein Baugebiet gäbe?
Michael Warter: Dann würde es in der Gemeinde auf kurz oder lang erst einmal gar keinen Bauplatz geben. Die Konsequenz ist, dass alle Betroffenen, die ein Haus bauen wollen, wegziehen und ihre Zukunft woanders suchen müssen. Da nahezu alle Mitglieder unserer Initiative aktiv im örtlichen Vereinsleben mitwirken, würde dies natürlich auch bedeuten, dass dieses Vereinsleben, das unsere Gemeinde ausmacht, kurz- und mittelfristig weitere Mitglieder verlieren würde.
Sie vertreten also Privatinteressen derer, die ein Haus bauen wollen?
Ich würde es nicht nur als private Interessen sehen. Was die Sachfragen anbelangt, was das Baugebiet für die Gemeinde bedeutet, das ist Aufgabe der Politik. Wir sagen: Es wäre schön, wenn die etwa 30 Mitstreiter unserer Initiative, sowie die anderen Interessenten aus Röttenbach, etwa 60 von insgesamt 100 - hier wohnen bleiben könnten. Die Mitglieder unserer Initiative sind im Schnitt um die 30 Jahre und haben entweder schon Kinder oder planen gerade welche.
Haben Sie sich um einen Bauplatz innerorts bemüht?
Ja. Wir sind selbst über zwei Jahre hinweg viele Wochenenden rumgelaufen und haben mit Eigentümern gesprochen. Aber da war nichts zu machen. Leider hatten wir keinen Erfolg. Entgegen anderer Meinungen bin ich mit keinem der Grundstückseinbringer verwandt und habe daher nicht die Möglichkeit, über Vitamin B an eine Fläche zu kommen.
Was machen Sie, wenn kein Baugebiet kommt?
Dann müssen wir uns woanders umsehen. Wir stehen notgedrungen auch in Baiersdorf auf der Warteliste, wo es aber auch nicht sicher ist, dass es klappt. Wenn es schief gehen sollte, dann müssten wir, sowie die 59 anderen leider aus Röttenbach wegziehen.
Bürgermeister Ludwig Wahl: "Gemeinwohlinteressen vor Einzelinteressen"
Ludwig Wahl, Bürgermeister von Röttenbach (FW), steht hinter seinem Plan für ein Baugebiet.
Welches Ziel verfolgen Sie mit dem Ratsbegehren?
Ludwig Wahl: Die Ausgangslage war, dass es Unterschriftensammlungen gab. 70 bis 80 waren dagegen, knapp 500 dafür. Ein deutliches Zeichen, dass die Bürger beteiligt werden wollen. Da es sich um eine wichtige Entscheidung für die Gemeinde handelt, ist es gut, wenn die Bürger die Entscheidung treffen. Denn letztendlich müssen sie ja die Konsequenzen mittragen.
Es gibt unbebaute Grundstücke im Ortskern. Sollte nicht hier erst einmal verdichtet werden?
Das stimmt. Es gibt rund hundert solche Bauplätze. An diese haben wir versucht, über das Flächenmanagement heran zu kommen. Drei Mal haben wir als Gemeinde die Eigentümer angeschrieben und darum geworben, die Flächen für die innerörtliche Verdichtung zur Verfügung zu stellen. Es gab nur eine Rückantwort. Damit gibt es faktisch kurz- und mittelfristig keine Möglichkeit, die innerörtlich freien Flächen zu bebauen. Auf der Warteliste für einen Bauplatz stehen etwa hundert Interessenten. Die wollen jetzt bauen und nicht erst in ein paar Jahren.
Manche befürchten, über den Flächennutzungsplan noch mehr Baugebieten Tür und Tor zu öffnen.
Diese Aussage ist erstens nicht qualifiziert und zweitens nicht begründet. Die, die das befürchten, sollten sich meinen Fünf-Punkte-Plan anschauen, den ich diesen Sommer vorgelegt habe. Ich möchte eine nachhaltige Bebauung. Das heißt, eine Harmonisierung der Bauleitplanung, die Nachverdichtung und eine Erweiterung im Außenbereich am Bedarf orientiert.
Es gibt den Vorwurf der Klientelpolitik. Also, dass Sie die Grundstückseigentümer innerorts schützen wollen.
Es gilt natürlich, das Eigentum zu schützen. Es ist ein hohes Gut. Eine geordnete Enteignung übrigens, die da von einigen in den Raum gestellt wurde, wird es mit mir nicht geben. Dass es Klientelpolitik sei, ist polemisch. Und an Polemik beteilige ich mich nicht. Persönlich kann ich die Anwohner im Ortswesten verstehen, dass sie die Sicht vielleicht nicht verbaut haben möchten, andererseits haben sie in den letzten Jahren diese Sicht genossen und das ist ja ein Vorteil, den viele andere in Röttenbach - in anderen Wohngebieten - auch nicht haben. Grundsätzlich sollten wir die Gemeinwohlinteressen vor Einzelinteressen stellen. Für mich als Bürgermeister zählen aber objektive Fakten. Und Fakt ist: Die Bevölkerung wird immer älter. Das hat gravierende Folgen. Finanzielle und solche im sozialen Zusammenleben. Wir wollen eine vitale Gemeinde bleiben. Und das geht nur über den Zuzug junger Familien.