Druckartikel: Wandergeselle: Aus Wachenroth fünf Jahre um die Welt

Wandergeselle: Aus Wachenroth fünf Jahre um die Welt


Autor: Evi Seeger

Wachenroth, Sonntag, 20. März 2016

Der Steinmetz Maui Uhlmann ist nach fünf Jahren Wanderschaft wieder zurück in seiner Heimatgemeinde Wachenroth.
Mit "Stenz" und "Charlie" muss Maui Uhlmann über das Ortsschild seiner Heimatgemeinde klettern.  Foto: Evi Seeger


Maui hat die letzte Hürde genommen: Das heimatliche Ortsschild zu erklimmen, bereitete ihm keine Mühe. Rasch warf er den "Stenz" über das Schild und sprang hinterher. Wachenroth hat ihn wieder. Nach fünf Jahren und neun Monaten der Wanderschaft.

Ohne Handy, ohne Auto, ohne Sicherheiten und eigentlich auch ohne Geld. "So wie ich gegangen bin, komme ich wieder zurück", sagt er. Eines aber hat er mitgebracht und das kann ihm keiner nehmen: Er hat die Welt gesehen, unzählige Begegnungen und neue Erfahrungen gemacht.

Maui Uhlmann - eigentlich heißt er Mario, bloß so kennt ihn keiner - ist jetzt ein "einheimischer Wandergeselle" und das bleibt er auch sein Leben lang. Nach einer Lehre als Steinmetz machte er sich auf die Wanderschaft.
Drei Jahre und einen Tag muss ein Wandergeselle mindestens in einem Bannkreis von fünfzig Kilometern seinem Heimatort fern bleiben. So streng sind die Regeln bei wandernden Gesellen, von denen es nach Mauis Worten in allen Bruderschaften zusammen nur noch 600 gibt. Bei ihm wurden fünf Jahre daraus und zu Hause in Wachenroth war er seither nicht ein einziges Mal.

Umso größer war die Freude bei seiner Familie und den Freunden, als er am Samstag heimkehrte. Sie zündeten Kracher am Ortseingang und harrten geduldig aus, bis Maui und sein Freund Domenic endlich eintrafen.
Die letzten Kilometer zwischen Mühlhausen und Wachenroth müssen für die beiden emotional ganz schön heftig gewesen sein. Mehr als eine Stunde brauchten der Steinmetz aus Wachenroth und der Schmiedegeselle aus der Schweiz für die Strecke. Sie müssen jeden der letzten Meter dreimal abgeschritten haben.

Seinen Schweizer Freund hat der Wachenrother "auf der Straße" kennengelernt. Alle großen Reisen haben die beiden gemeinsam gemacht. Kein Wunder, dass am Ende der langen Reise Tränen flossen.
Maui Uhlmann hat die Welt gesehen: Ganz Europa, ganz Skandinavien, Südost-Asien, Afrika, die Kanarischen Inseln und zuletzt Südamerika. Geschlafen habe er oft unter freiem Himmel. Aber auch mal im Vorraum einer Bank oder "man suchte sich eine Kneipe, die bis früh offen hatte".

Allein mit seinem erlernten Beruf als Steinmetz konnte er sich natürlich nicht durchbringen. "Ich hab alles gemacht. Betonbau, Zimmerei, Landschaftsgärtnerei und in Afrika habe ich auf einer Farm gearbeitet", erzählt er. Nach den stärksten Eindrücken befragt, nennt er Afrika. Afrika sei am intensivsten gewesen. 29 Jahre ist er alt und die Frage nach irgendeiner Versicherung nötigt ihm ein Lächeln ab: "Typisch deutsch", kommentiert er.


Uralte Tradition

Stolz schwingt mit, wenn er von der Geschichte und der uralten Tradition seiner Bruderschaft, der "Gesellschaft der rechtschaffenen fremden und einheimischen Maurer- und Steinhauer", der ältesten überhaupt, erzählt. "Wir tragen uns durch uns selbst." Das bedeute, dass man sich auch der nachfolgenden Generationen annehme.
Tradition zeigt sich natürlich in Ritualen und Ausstattung. Der eingangs erwähnte "Stenz" ist der Wanderstab, der zum Wandergesellen genauso gehört wie der "Charlie". Dieser, nach seiner Herkunft auch Charlottenburger genannt, ist das in ein Tuch gebundene Gepäck des Wandergesellen.

Zum Wandergesellen gehört auch die "Kluft", an der jeder Knopf seine Bedeutung hat. Die drei Knöpfe an jedem Ärmel bedeuten drei Lehrjahre und drei Wanderjahre. Sechs Knöpfe am Jackett stehen für sechs Tage Arbeit und die acht Knöpfe an der Weste sind Symbol für acht Stunden Arbeit am Tag.

Ja und dann ist da noch das Wanderbuch, sozusagen der Reisepass eines jeden wandernden Gesellen. "Erst wer das Siegel einer Stadt im Wanderbuch hatte, durfte sich im Mittelalter zwei Tage lang in ihren Mauern aufhalten und nach Arbeit suchen", erzählt Maui.

Er selbst hat sein letztes "Siegel" bekommen: Bürgermeister Friedrich Gleitsmann drückte den amtlichen Stempel der Marktgemeinde ins Wanderbuch und bestätigte ihn mit seiner Unterschrift.