Auch in Adelsdorf wütete die Reichspogromnacht
Autor: Andreas Dorsch
Adelsdorf, Freitag, 08. November 2013
Im Aischgrund fielen die Nazis erst am Morgen des 10. November 1938 über die Juden her. Adelsdorfer Familienväter wurden nach Dachau deportiert.
Fast überall in Deutschland brannten in der Nacht vom 9. auf 10. November vor 75 Jahren die Synagogen, wurden jüdische Geschäfte geplündert und Menschen jüdischen Glaubens von brutal agierenden Hitler-Anhängern auch gleich mitgenommen. Der Hass auf die Juden entlud sich damals aber nicht nur in den größeren Städten, auch auf dem flachen Land mussten Juden fortan um ihr Leben bangen.
Adelsdorf machte da keine Ausnahme. Allerdings begann hier die Kristallnacht erst am Morgen des 10. November. Weil sie in der Nacht zuvor wohl andernorts im Einsatz war, nahm sich eine SS-Einsatzgruppe aus Forchheim zusammen mit Mitgliedern der Adelsdorfer NSDAP-Ortsgruppe und Männern aus dem nahen Reichsarbeitsdienstlager am frühen Morgen die jüdische Bevölkerung im Ort und die Adelsdorfer Synagoge vor.
Wie in der Adelsdorfer Ortschronik nachzulesen und von Zeitzeugen überliefert, drangen die Nazis gewaltsam in die zwölf von jüdischen Familien bewohnten Häuser ein, zerschlugen Fenster, Türen, Möbel und die sonstige Einrichtung. Die Schlägertrupps brachen an diesem Morgen auch in die Adelsdorfer Synagoge ein, in der zudem eine jüdische Religionsschule untergebracht war. Die Inneneinrichtungen von Synagoge und Schule wurden demoliert, die Ritualien auf dem Adelsdorfer Marktplatz verbrannt. Das Gebäude selbst blieb erhalten und ging nicht, wie in vielen anderen Orten, in Flammen auf.
Vor 1933 komplett integriert
Die Geschehnisse in dieser Zeit in Adelsdorf intensiv erforscht hat Kerstin Blum. Die junge Dame ist schon seit einigen Jahren als Dorf- und Schlossführerin aktiv. Sie hat recherchiert, dass am Morgen des 10. November 1938 nicht nur die Häuser der Adelsdorfer Juden verwüstet wurden. Blum: "Es wurden auch gleich Familienväter nach Dachau deportiert."
Nach den Erkenntnissen von Kerstin Blum waren die Juden vor der Machtergreifung Hitlers im Jahr 1933 in Adelsdorf "komplett integriert". So sei die Adelsdorfer Feuerwehr von Juden mitgegründet worden. Auch der Gesangverein wurde von jüdischen Mitbürgern ins Leben gerufen, die damals ein fester Teil des Dorflebens waren.
Die Geschichte der Adelsdorfer Juden geht weit zurück. Und es wurde hier auch schon einmal eine Synagoge zerstört. Das war im Jahr 1699, als man für eine schlechte Ernte einen Sündenbock suchte. Wie Schlossführerin Blum weiß, trafen sich die jüdischen Mitbürger nach 1699 im Schloss, wo Schlossherr von Bibra seine Schutzbefohlenen unter seine Fittiche nahm.
Heikles Thema
1690 lebten unter den 824 Adelsdorfern 101 Juden. 1835 waren es von 1709 Einwohnern 276. 1933 lebten nur noch 60 Juden in Adelsdorf; 1942 wurde dann der letzte aus dem Ort deportiert, berichtet Blum.
Sie hat auch recherchiert, dass ab 1933 jüdische Kinder in der Adelsdorfer Schule ausgegrenzt und geschlagen wurden. Dabei soll der damalige Lehrer, Bürgermeister und SA-Chef Wilhelm Koch keine unbedeutende Rolle gespielt haben. Dass die Adelsdorfer diesem Mann später sogar eine Straße widmeten, verwunderte einen ehemaligen Adelsdorfer Juden doch sehr.
Der Gemeinderat zog in den 90er Jahren Konsequenzen und benannte die Wilhelm-Koch- in Rosenstraße um. Dies löste wiederum bei einigen älteren Adelsdorfern heftige Proteste aus. Blum spricht heute von einem "sehr heiklen Thema" in Adelsdorf.
Sie hat aber auch herausgefunden, dass es in Adelsdorf immer wieder Menschen und Nachbarn gab, die den jüdischen Mitbürgern geholfen haben.