Areva: Eine Frage der Kernkompetenz
Autor: Michael Busch
Erlangen, Montag, 26. November 2012
Das Energieunternehmen macht einen Großteil seines Geschäftes mit dem Bau von Kernkraftwerken. Und das ausgerechnet aus einem Land heraus, das sich Schritt für Schritt von dieser Energieform trennt.
Gleich ein Warnhinweis am Anfang des Textes: Wer Probleme mit Schizophrenie hat, sollte jetzt aufhören zu lesen. Denn so manches, was das in Erlangen ansässige Unternehmen Areva angeht, klingt seltsam und scheint für den Laien erst einmal nicht zu verstehen.
Da ist zum Beispiel eine Testhalle auf dem Gelände an der Paul-Gossen-Straße. In der wird ein Kernkraftwerk überprüft, das es gar nicht gibt. Eigentlich gibt es dies schon, aber im fernen Finnland auf der Halbinsel Olkiluoto. Johannes Grabinski, Leiter der Leittechniksystemprüfanlage, zeigt auf kleine graue Kästen aus denen viele Leitungen in mehrere Dutzend Schränke gehen: "Das sind die Simulatoren. Da stecken alle Informationen drin, die das System braucht, um zu arbeiten." Sozusagen ein Kernkraftwerk ohne des "Pudels Kern".
Ein gutes halbes Jahr werden alle Parameter, alle Eventualitäten überprüft, um dann das System in Finnland am "echten" Werk anzuschließen. Dieses Prüffeld und die Arbeit, die dort verrichtet wird, entspricht aber zumindest ungefähr den Vorstellungen, die ein Unternehmen wie Areva zu verrichten hat. Komplizierter wird es dann aber, wenn es darum geht, den gesamten Konzern zu betrachten. Damit sind wir beim Thema Schizophrenie.
Denn eines der großen Geschäftsfelder ist eben die Kerntechniksparte. Rund 5200 Mitarbeiter von 5900 in Deutschland beschäftigen sich intensiv mit diesem Kerngeschäft - im engsten Sinne des Wortes gemeint. An zehn Standorten geht es um den Bau von sicheren Kernkraftwerken, der Leittechnik und weiteren Sicherheitsbestimmungen. 54 Prozent des Gesamtumsatzes (10,9 Milliarden Euro) wurde im Exportgeschäft getätigt, davon der größte Teil beim Bau von Kernkraftwerken.
Areva braucht Deutschland, aber Deutschland braucht auch Areva
Aber ausgerechnet in dem Land, indem diese Werke geplant werden, die Technik ersonnen wird, die Lieferung von Strom aus der Kernenergie sichergestellt wird, ausgerechnet in diesem Land wird es bald keine solchen Kraftwerke mehr geben.
"Ein Ausstieg aus dem Ausstieg würde uns natürlich glücklich machen", erklärt Stefan vom Scheidt, Sprecher der Geschäftsführung von Areva in Deutschland. Doch er stellt ebenso schnell klar, dass auch ohne diese Entscheidung die Welt für Areva nicht untergehe. Klar, die anderen Länder wollen ja noch Kernkraftwerke haben. Die Auftragsbücher seien voll, "für die nächsten 30 Jahre haben wir noch Arbeit", sagt Carsten Haferkamp, kaufmännischer Geschäftsführer und Arbeitsdirektor des Unternehmens in Deutschland. Nicht miteingerechnet sei das Volumen, das sich durch den Rückbau der Kraftwerke in Deutschland ab dem Jahr 2015 ergebe.
Das eigene Portfolio des Unternehmens verdeutlicht nochmals die Problematik, der sich gestellt werden muss. Da heißt es: "Der Export von Kerntechnik wird weiter an Bedeutung gewinnen: Viele Staaten setzen auch in Zukunft auf die Kernenergie, betreiben und modernisieren ihre Anlagen. Areva wird an diesem Wachstum aus Deutschland heraus teilhaben."
Von Scheidt sagt selbstbewusst: "Areva braucht Deutschland, aber Deutschland braucht auch Areva." Man dürfe nicht vergessen, dass es sich um einen weltweit operierenden Konzern handele. "Es gibt in allen Ländern unterschiedliche Vorgaben und auf die reagieren wir." Und für dieses globale Netzwerk gibt es eben kein hauseigenes Prüffeld.
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Die Diskussion über die Kernenergie beschäftigt die Menschen. Die Zukunft soll ohne Kernenergie stattfinden - zumindest in Deutschland. Doch Kernkraftwerke außerhalb von Deutschland wird es weiter geben. Ist das dann "natürlicher Geschäftssinn" - oder die oft gescholtene Doppelmoral?
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Sind die 16 Prozent Investition Arevas in Windparks nur ein Feigenblatt vor dem eigentlichen Geschäft?
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