Druckartikel: "App"soluter Wahnsinn

"App"soluter Wahnsinn


Autor: Michael Busch

, Freitag, 21. Sept. 2012

Ein wenig überraschend ist es schon, dass ausgerechnet der "laufende Reporter" sich meldete, um einen Artikel für die "Multimedia-Wochen" abzuliefern.
Die App weiß, was Du letzte Woche gemacht hast...


Laufen ist anachronistisch - sagt zumindest mein Nachbar. "Der liebe Gott hat doch nicht das Auto erfinden lassen, um dann per pedes durch die Gegend zu rennen!", schob er bei einem Gespräch zu meiner Anfangszeit nach. Überzeugen vom Laufen konnte ich ihn dann allerdings damit, dass "Multimedia" auch beim Laufen Einzug gehalten hat.
Nein, es geht nicht um die drei Dutzend Laufzeitschriften, die in Papierform, auf dem I-Pad oder im Internet erhältlich sind, es geht um die "Apps", die einem den Spaß am Laufen bringen sollen. Da ich immer auf der Suche bin, die eine oder andere Sekunde schneller zu werden (auch wenn der Arcadenlauf gar nicht so schlecht war - 0:53 für zehn Kilometer), habe ich die Apps für das Smartphone mal genauer unter die Lupe genommen und getestet.
Endomondo "for free" zum Beispiel ist eine Gratisapp für alle gängigen Smartphones und viele weitere Handys. Voraussetzung ist allerdings ein GPS-Empfänger. Nur mit diesem können Distanz und Tempo ermittelt werden. Interessant ist es, dass auf der Internetseite www.endomondo.com über die Aktivitäten der Nutzer dieses Programmes sofort ein Bericht geliefert wird. Es hilft zum Beispiel, wenn man nicht raus will und die Ausrede hat: "Bei diesem Wetter läuft eh' kein Mensch"- hier wird das Gegenteil bewiesen.
Trailhead - ebenfalls gratis - punktet mit über 300 000 Trails und Strecken.

Der Outdoorausrüster The North Face hat die interaktiven Landkarten zusammengestellt, auf denen der Läufer per GPS Funktionen die zurückgelegte Strecke, Tempo und Höhenmeter verfolgen kann. Selbstverständlich können die Ergebnisse auf Facebook und Twitter veröffentlicht werden.
Sehr umfangreich ist die App "Runtastic". Läufer empfinden dieses Programm als Königin unter den Läuferprogrammen. Selbst die Gratis-Version bietet bereits ein breites Spektrum an Möglichkeiten seinen Lauf in digitaler Form festzuhalten. GPS-gesteuert wird unter anderem die Dauer des Laufes festgehalten, die durchschnittliche Geschwindigkeit, die durchschnittliche Zeit, die für einen Kilometer gebraucht wurde und die maximale erreichte Geschwindigkeit. Leider werden auch die verbrannten Kalorien angezeigt, die meiner Meinung nach viel zu gering ausfallen - O.K. alter Läuferwitz, der mir noch nicht zusteht...
Das Programm lässt sich durch Zukäufe, die allesamt im Cent-Bereich liegen, weiter ausbauen. So wird in der vollständigen Version die getätigte Laufstrecke auf einer Karte dargestellt oder auch mit Zusatzgeräten die Herzfrequenz aufgezeichnet. Ein so genannter Ghost-Run lässt einen gegen einen imaginären Gegner antreten, der durchaus auch als "innerer Schweinehund" tituliert werden könnte. Spezielle Trainingsprogramme bereiten den Sportler individuell auf seine Ziele vor. Nein, diese App hat zu mir nicht gesagt, dass der Marathon noch nichts für mich wäre.
Lustig ist das "Live-Tracking" inklusive Anfeuerungen. Wenn diese App installiert ist, haben Freunde, oder auch die Familie, die Möglichkeit einen beim Lauf anzufeuern. Das artet zum Beispiel darin aus, dass genau in dem Moment, wo man zum Endspurt anzieht, das eigene Kind den Spruch übermitteln lässt: "Papa, wenn Du nicht so dick wärst, könntest Du viel schneller laufen..." Ob das dann motivierend ist, darüber mag sich jeder selbst Gedanken machen.
Die Motivationsfrage gilt auch für die vielen kleinen Hilfsprogramme, die nicht unmittelbar mit dem Laufen zu tun haben. Da gibt es diverse Body-Maß-Indexzähler, die einem vor Augen führen, dass der Fettanteil viel zu hoch ist, die Trainingsrate dafür zu niedrig. Gemein ist das kostenfreie App "Idealgewicht". Da werden nicht nur die puren Daten angezeigt, sondern kluge Sprüche mit auf den zu rennenden Weg gegeben. Beispiel? "Männer sind im Schnitt 178 cm und Frauen 168 cm groß!" Was mir das für meinen Bodymaß hilft? Genau so viel wie der Spruch "Ich bin nicht dick, meine Füße stehen nur ein bisschen weit hinten."
Interessanter ist der "Läufercoach". Dort kann der Nutzer eingeben, wieviel Zeit er bis zu einem bestimmten Wettkampf hat und welche Zeit er dann gerne bewältigen mag. Es wird ein exakter Trainingsplan vorgegeben, der auch gleich klar macht, ob das Ziel überhaupt erreicht werden kann. Wer zum Beispiel eine Woche vor einem Marathon denselbigen als Ziel eingibt und in einer Woche das Trainingsvolumen absolvieren will, erfährt ganz galant: "800 Kilometer in sieben Tagen." Insofern ist mein Trainingsplan ohne App - gar nicht so verkehrt.