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An der richtigen Schule andocken


Autor: Sabine Memmel

Höchstadt a. d. Aisch, Freitag, 05. Sept. 2014

Jutta Romeis leitet seit Februar die Realschule in Höchstadt. Ein Gespräch über schlechte Noten, modernen Unterricht, das richtige Selbstvertrauen und ihre eigene Schulzeit.
Hat sich in der Realschule in Höchstadt gut eingelebt: Jutta Romeis auf dem Ledersofa in ihrem Büro  Foto: Barbara Herbst


Es ist Mittwoch, ihr erster Schultag nach den langen Sommerferien. Voller Tatendrang läuft sie vom Auto zum Schuleingang. Unter dem Arm eine mitgebrachte Espressomaschine von Zuhause für ihr Büro. Seit Februar ist Jutta Romeis die neue Leiterin der Höchstadter Realschule und somit Nachfolgerin von Reinhard Bum. Zuvor war die 56-Jährige zehn Jahre Konrektorin in Scheßlitz und sieben Jahre Lehrerin für Deutsch und Geschichte in Hirschaid. Station als Lehrkraft machte sie außerdem in Kronach und Forchheim. Im FT-Interview erzählt sie, warum ihre Wahl auf die Realschule in Höchstadt fiel und Kinder nicht mit aller Gewalt aufs Gymnasium sollten.

Was war die schlechteste Note, die sie jemals nach Hause gebracht haben?
Jutta Romeis: Ein Sechser in Englisch. Das war in der 11. Klasse. Ich hatte einfach kein Zugang zum Text. Aber sowas muss auch mal passieren.

Man muss auch Misserfolge haben, um Erfolge würdigen zu können. Man kann nicht bloß ein Überflieger sein. Englisch hatte ich übrigens trotzdem noch als Leistungskurs und als Abiturfach.

Wieso haben Sie sich ausgerechnet für die Höchstadter Realschule entschieden?
An dem Sonntag, bevor ich mich beworben hatte, war ich mit meinem Mann hier vor Ort und hab' mir die Außenanlagen der Schule angeschaut. Es war der "Walk of fame", der mich wahnsinnig beeindruckte (strahlt). Jede Abschlussklasse hat sich dort mit einem Stern verewigt. Das Besondere: Gemeinsam mit ihrem Klassenlehrer. Sie erkennen damit an, dass man ein gemeinsames Ziel verfolgt hat und die Lehrer ausdrücklich ein Teil davon waren. Dieses Miteinander finde ich toll. Die Schüler merken, dass sie ernst genommen werden und mitgestalten können. Da, wo sich Schüler stark machen, werden sie erwachsen. Diese Zusammenarbeit zwischen Schülern, Lehrern und auch Eltern möchte ich als Schulleiterin auf jeden Fall unterstützen. Das Credo unserer Schule: Jeder hat Verantwortung an und in der Schule.

Gibt es auch aus Ihrer eigenen Schulzeit einen Lehrer, der Sie besonders geprägt hat?
(überlegt kurz) Ja, das war ein katholischer Pater aus Schwarzenberg. Er ist mit seinem Unterricht häufig darüber hinaus gegangen, was den eigentlichen Lernstoff betrifft. Er hat mich später übrigens auch getraut.

Erinnern Sie sich gern an Ihre eigene Schulzeit zurück?
Ja! Schule war immer ganz wichtig für mich. Besonders schön war in der Grundschule das Handarbeiten. Die Lehrerin hat uns dabei "Die kleine Hexe" vorgelesen. Durch sie bin ich zur Leserin geworden. Lesen eröffnet Welten.

Können Sie nachvollziehen, dass viele Eltern ihre Kinder partout aufs Gymnasium schicken wollen?
Es ist entscheidend, dass man auf einer Schule ist, auf der man nicht permanent überfordert ist. Wenn man Dinge leisten kann und sich selbst als leistungsstark wahrnimmt, dann macht Schule Spaß, gibt ein gutes Gefühl und macht Mut, weiter zu lernen. Wenn nicht, verliert man Selbstvertrauen. Und jemand ohne Selbstvertrauen - der ist ohnmächtig.

Also nicht um jeden Preis die bestmögliche Bildung?
Ich bin für ein differenziertes Schulsystem. Schüler sollen stark sein, aber nicht jeder kann auf dem Gymnasium stark sein. Stark ist, wer an der richtigen Schule angedockt ist. Gerade auf der Realschule können Schüler herausfinden, welchen Beruf sie später einschlagen wollen - durch Pflichtpraktika oder freiwillige Projekte in sozialen oder gemeinnützigen Einrichtungen. Viele von ihnen werden dadurch reifer und sind näher an der Realität. Und auf eine weiterführende Schule wie das Gymnasium oder die Fachoberschule kann man auch noch im nächsten Schritt. Das machen inzwischen nahezu 40 Prozent.

Wie lernen Kinder heute am besten?
Bei uns auf der Realschule hier herrscht das Prinzip: Die Schüler kommen zu den Lehrern. Das heißt es gibt Lehrer- und keine Klassenzimmer. In jedem Raum gibt es also eine andere Anordnung, kein Zimmer ist wie das andere. Das bildet unheimlich, wenn man immer mit unterschiedlichen Leuten arbeitet und dabei auch immer neue Perspektiven gewinnt. Man lernt nicht nur durchs Zuhören. Man muss initiativ in der Gruppe arbeiten, um sich etwas anzueignen.
In gut einer Woche fängt die Schule wieder an. Können Sie sich noch an Ihren ersten Schultag erinnern?
Na klar! Ich hatte eine riesige grüne Schultüte mit goldenem Rand. Auf einmal gehörte man zu den Großen. Ich hab' das sehr ernst genommen.

Wie haben Sie Ihre Ferien verbracht?
Mit meinem Mann und unserem Hund war ich drei Wochen in der Bretagne. In einem Haus umgeben von Meer. Das war wunderbar und sehr erholsam. Jetzt ist der Urlaub aber vorbei. Die Stundenpläne sind fällig, das ist immer eine enorme Arbeit.