Druckartikel: Abruptes Ende eines Abenteuers: Dem Campingbahnhof wurde gekündigt

Abruptes Ende eines Abenteuers: Dem Campingbahnhof wurde gekündigt


Autor: Bernhard Panzer

Herzogenaurach, Montag, 19. November 2018

Im Camping-Bahnhof soll im kommenden Jahr Schluss sein. Das Areal wird für die Entwicklung der Stadt-Umland-Bahn und von der Firma Schaeffler gebraucht.
Brigitte und Dietmar Marscholik sollen sich schon bald von ihrem Lebenswerk verabschieden. Bernhard Panzer


Es ist fast 33 Jahre her, dass Brigitte und Dietmar Marscholik sich einen Lebenstraum erfüllt haben. Das Nürnberger Ehepaar, das immer schon gern auf Reisen war, richtete sich im ehemaligen Herzogenauracher Bahnhof einen Laden für Camper und individuell Reisende ein. Er ist der Chef, seine Frau unterstützt ihn. So hat alles begonnen, und so ist es heute noch.

Im Lauf der Jahre ist der Camping-Bahnhof Herzogenaurach zu einer bekannten Adresse in ganz Nordbayern geworden, und das ohne viel Präsenz im Internet. Das Publikum kennt sich eben. Bald aber soll Schluss sein. Marscholik hat von der Stadt die Kündigung bekommen.

Denn der Laden in der ehemaligen Güterhalle des Bahnhofs steht der baulichen Entwicklung dort im Weg. Sowohl die Stadt als auch die Firma Schaeffler wollen das Areal zwischen dem Unternehmensgelände und der Hans-Maier-Straße nutzen. Die Stadt braucht es zu einem Teil für die Stadt-Umland-Bahn und die Weltfirma selbst interessiert sich für die Flächen direkt nördlich der Werksgrenzen. Genau dort liegt der Laden. Im Moment gehört das Bahnhofsgrundstück noch der Stadt.

Umgestaltung

In dem Kündigungsschreiben aus dem Rathaus heißt es lapidar: "Wir planen eine Umgestaltung des Bereichs, so dass wir das Mietverhältnis nicht mehr fortsetzen können." Ende Juni 2019 sollte demnach Schluss sein. Inzwischen habe der Bürgermeister ein paar Monate Aufschub gewährt, sagt der Betreiber des Campingbahnhofs.

Marscholik ist enttäuscht, dass er nur diese paar Zeilen erhalten hat. Und das nach drei Jahrzehnten. Freilich sei schon länger angedeutet worden, dass er mal räumen müsse. Aber dass das jetzt so schnell gehen soll, damit rechnete der 62-jährige nicht. "Ich hab gedacht, das hängt mit der Stadt-Umland-Bahn zusammen", sagt er. Und bis die kommt, sind es ja noch mehrere Jahre. "Das hätte bis zur Rente gereicht", sagt er. Jetzt aber soll schon 2019 Schluss sein. Den Geschäftsmann bringt das in Bedrängnis. Dann ist er 63. Hat er dann noch die Kraft für einen Neuanfang an anderer Stelle?

Bürgermeister German Hacker (SPD) bestätigte die Verlängerung. Weiteren Aufschub zu gewähren, könne er jedoch nicht in Aussicht stellen. Bestenfalls ginge das dann noch mal für kurze Zeit. Das freilich hilft dem Betreiber eher nicht weiter.

Abhängig ist der genaue Zeitpunkt, da das Abenteuer Camping-Bahnhof enden muss, konkret von den Vorhaben der Firma Schaeffler. Dazu wollte sich Hacker nicht äußern, das sei Sache des Unternehmens. Und von Schaeffler selbst war auf Anfrage keine konkrete Aussage zu bekommen. Auf unsere Anfrage hin lautete die Antwort: "Wir sind derzeit in einem Planungsprozess zu den Nutzungsmöglichkeiten der Flächen nördlich unserer Werksgrenzen. Deshalb können wir zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht konkreter werden."

Marscholik hofft nun darauf, dass die Firmenpläne noch eine Weile warten können und er die Chance auf mehr Zeit bekommt. "Wenn wir wüssten, ab wann was konkret geschieht, wäre das schon hilfreich", sagt seine Frau Brigitte. Denn nichts wäre für die Beiden schmerzhafter, als dass sie den Bahnhof räumen, aber das Gebäude steht dann noch längere Zeit leer und es tut sich dort nichts, sagte der 62-Jährige im FT-Gespräch. Das wiederum hält Bürgermeister Hacker für unrealistisch. Ohne eine Zeitperspektive hätte man auch nicht kündigen müssen", sagte er. So unglücklich das für Marscholik jetzt auch kommt.

Doch die Vorüberlegungen für die Entwicklung des Areals dauern laut Hacker schon mehrere Jahre, unerwartet schnell sei das jetzt also nicht gegangen. Auch habe er Marscholik gegenüber schon vor ein Jahren ein Signal gegeben. Mehrere Stadträte sehen das aber offenbar anders. In der Septembersitzung wollte beispielsweise Stephan Wirth (CSU) nicht erkennen, weshalb der Beschluss zur Flächengestaltung dort so dringlich sein solle. Die Stadt-Umland-Bahn brauche doch noch lange Zeit.

Ungewisse Zeit

Für die Betreiber beginnt jetzt eine ungewisse Zeit. Einige tausend Artikel hat man im Sortiment, darunter auch viele Ersatzteile. Man müsse sich nun auf den Abverkauf vorbereiten. Denn ob Brigitte und Dietmar Marscholik die Kraft aufbringen, an einem anderen Ort weiter zu machen, ist fraglich. "Der Camping-Bahnhof ist unser Lebenswerk", sagt die 58-Jährige.

Bürgermeister German Hacker, als VW-Bus-Fahrer vor Jahrzehnten selbst Kunde in dem Laden, wollte bei der Suche nach einem alternativen Objekt helfen, wie er sagte. "Da gibt es aber leider nichts von Seiten der Stadt."

Camping-Bahnhof als Lebenswerk

Brigitte und Dietmar Marscholik haben viel Herzblut in den Camping-Bahnhof gesteckt. Er sei ihr Lebenswerk. Als sie den Laden eingerichtet haben, erinnert sich der 62-Jährige, habe er jede einzelne Schraube mit der Hand reingedreht. "Mein Vater hat mir 200 DM geschenkt", berichtet er, "damit ich mir einen Akkuschrauber kaufen kann." Was machte der Sohn? "Ich hab' mir Holz gekauft, um zu heizen. Und mir weiterhin blutige Hände geholt."

Im Lauf der Zeit ist die einstige Güterhalle, die Marscholik erst von der Bahn und ab 1993 dann von der Stadt als neuer Eigentümerin mietete, proppenvoll geworden. Einige tausend Artikel stapeln sich dort. "Vor 32 Jahren haben wir die Sachen noch quer in die Regale gestellt, dass was drin war", erinnert Marscholik. Jetzt werde jeder Zentimeter genutzt.

Vor allem sei es die Vielfalt des Sortiments, auf das immer Wert gelegt wurde. "Es gab Zeiten, da hatten wir allein 70 verschiedene Kocher", berichtet der Inhaber. In dieser Angebotsbreite sei der Laden schon fast einmalig, sagt er weiter. Es sei ein Fachgeschäft aus mehreren Fachgeschäften.

Diese Philosophie haben die Beiden von Anfang an vertreten. Schon 1991, als der FT über den boomenden Laden berichtete, stellte Marscholik fest: "Von Beginn an verfolgten wir die Philosophie, nicht als Camping-Konsumer einzusteigen, sondern ganz individuell für die Belange der Fernreisenden, Mobilisten, Rucksacktouristen und Bergsteiger das Angebot zu konzipieren." Durch die Wünsche und Anregungen der Kunden und ihre Spezialwünsche habe sich das Sortiment der Ausrüstung praktisch von selbst erweitert.

Und auch heute noch legen die Macher des Camping-Bahnhofs Wert auf das persönliche Gespräch. Die Anregung, doch auch ein Café aufzumachen, haben sie allerdings nicht erfüllt. So langsam sich der Laden zu einem "Kulturgut" entwickelte (Aussage eines Kunden), so schnell soll nun der Abverkauf von statten gehen. Auch da brauchen die Marscholiks den persönlichen Kontakt, denn "das Internet ist nicht so unsere Welt."