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40 Jahre Weißer Ring: Opfer bleiben nicht allein


Autor: Christian Bauriedel

, Sonntag, 09. Oktober 2016

Seit 40 Jahren kümmert sich der Weiße Ring um Opfer von Straftaten.


Telefonterror, Stalking, Gewalttaten in der Ehe, Vergewaltigung, Vernachlässigung, Kindesmissbrauch: Es sind oft die dunkelsten Seiten, die Abgründe des menschlichen Zusammenlebens, mit denen die Aktiven des Weißen Rings zu tun haben.

Wer nicht selbst in einer Notlage ist, dem ist vielleicht der Name der Organisation ein Begriff. Wie es aber abläuft, das Kümmern um die Opfer, das wissen viele nicht so genau.

Seit 40 Jahren gibt es den Verein, der bundesweit aktiv ist. Ein Anlass, auf die ehrenamtliche Arbeit hinzuweisen. "Wir haben kein Büro. Es ist für uns besser, die Menschen zu Hause zu besuchen, um sie nicht aus ihrer gewohnten Umgebung herauszureißen", sagt Elke Yassin-Radowsky. Sie leitet den Weißen Ring in Erlangen und Erlangen-Höchstadt seit 15 Jahren und weiß, wie viel Fingerspitzengefühl die Arbeit mit traumatisierten Opfern erfordert.


Um die hundert Fälle im Jahr

Insgesamt sind es im Landkreis zehn Aktive. Um die hundert Fälle seien es im Jahr, sagt Yassin-Radowsky. Am häufigsten kümmern sich die Helfer um Menschen, die sexuell missbraucht oder von ihrem Ehepartner geschlagen werden. Aber auch Fälle von Stalking, also wenn Mitmenschen andere tyrannisieren und verfolgen, gebe es oft.

"Manchmal ist es ein 24-Stunden-Job", sagt Yassin-Radowsky. Meist beginnt alles mit einem Anruf beim Opfertelefon. Dann wird entschieden, welcher der Helfer sich um die jeweilige Person kümmert.

Beim Weißen Ring aktiv werden könne jeder, sagt Yassin-Radowsky. Um sich der anspruchsvollen Aufgabe gewachsen zu sein, bekommt man mindestens zwei Basisseminare.

Rund 400 Mitglieder hat der Weiße Ring in Erlangen und im Landkreis. Durch eine Mitgliedschaft kann man ihn ab 2,50 Euro Beitrag im Monat unterstützen. Auch aktive Mitglieder werden gesucht. Weitere Informationen zur Arbeit und zur Mitgliedschaft unterwww.weisser-ring.de.

Sie suchen Beratung? Elke Yassin-Radowsky und ihr Team erreichen Sie telefonisch unter 09195-7999 oder per E-Mail an radowsky@t-online.de. Die Helfer haben Schweigepflicht.

Einige der Helfer haben beruflich eine Verbindung zur Thematik. So zum Beispiel Wolfram Wahl. Er arbeitete bis zur Pensionierung bei der Polizei mit dem Schwerpunkt Sexual- und Tötungsdelikte und ist mit seiner Frau erst seit Kurzem beim Weißen Ring. "Eine polizeiliche Vernehmung ist für ein Opfer nicht einfach", sagt der 61-Jährige. Da sei es gut, wenn die Helfer sie begleiten.

"Mir hat immer gestunken, wieviel Aufmerksamkeit die Täter bekommen. Dass sie zum Beispiel eine schwere Kindheit hatten. Um die Opfer wird sich aber viel zu wenig gekümmert", sagt Barbara Wahl. Das kümmern reicht vom ersten Gespräch über die Vermittlung eines Anwalts, eines Therapeuten, Kontakte zum Frauenhaus oder zum Jugendamt bis hin zur Begleitung bei Terminen bei Polizei oder Gericht.

"Viele Opfer wissen gar nicht, dass sie einen Anwalt haben dürfen", sagt Yassin-Radowsky. In den letzten Jahrzehnten habe sich - nicht zuletzt durch die Arbeit des Weißen Rings - viel im Opferschutz oder auch bei der Entschädigung getan. Yassin-Radowsky appeliert an jeden, nicht zu zögern. "Die meisten greifen sehr spät zum Telefonhörer", sagt sie. Aber auch bei länger zurückliegenden Taten könne man noch etwas tun. Opfer müssen sich nur trauen, sich zu melden.

Wolfram und Barbara Wahl: Beruflicher Kontakt
Ganz neu dabei sind Wolfram und Barbara Wahl. Er war vor der Rente bei der Polizei im Schwerpunkt Sexual- und Tötungsdelikte tätig. Er sei beruflich oft mit den Helfern des Weißen Rings in Kontakt gekommen. Vor allem bei Vernehmungen von Vergewaltigungsopfern oder geschädigten Kindern sei deren Arbeit Gold wert.

Ernst Heike: Für Menschen da sein

"Ich wollte ehrenamtlich etwas machen und bin beim Weißen Ring gelandet. Ich wollte etwas Anspruchsvolles tun", sagt Ernst Heike. Der Ruheständler ist seit vier Jahren aktiv. Ihn reizt an der Tätigkeit, für Menschen da zu sein, die Hilfe brauchen, weil sie körperlichen oder seelischen Schaden erlitten haben.

Claudia Lange-Wiedhahn: Notfallseelsorgerin
28 Jahre war Claudia Lange-Wiedhahn bei der Notfallseelsorge der Erzdiözese tätig. Oft hat sie die Menschen an den Weißen Ring vermittelt. Seit zwei Jahren ist sie selbst auch im Opferschutz tätig. Eine Belastung sei es nicht, dass man ständig das Leid der anderen Menschen sehen muss. "Man lernt damit umzugehen."selbst

Udo Winkler: Leidensweg der Opfer
Leidensweg der OpferSeit 25 Jahren engagiert sich Udo Winkler beim Weißen Ring. Er kümmert sich nach Jahren der direkten Opferbetreuung um die Öffentlichkeitsarbeit. Der 51-Jährige ist Kriminalhauptkommissar bei der Kripo Erlangen. Im Job bekomme er auch den Leidensweg der Opfer mit. Hier will er helfen.