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"Zuerst das Land, dann die Partei"


Autor: Simone Bastian

Coburg, Freitag, 01. Dezember 2017

Wofür die SPD einen eigenen Feiertag beantragen will, und was die Demokratie mit dem Ehrenamt zu tun hat.
Hielt beinah schon die Abschiedsrede für die Landtagskollegin: Markuns Rinderspacher im Gemeindesaal Heiligkreuz neben einem Poster von seiner Kollegin Susann Biedefeld. Foto: Simone Bastian


Demokratie und Ehrenamt gehören zusammen: Auf diese Formel lässt sich bringen, warum die Landtagsfraktion der Bayern-SPD die Erinnerung an "100 Jahre Freistaat Bayern" mit Empfängen für Ehrenamtliche feiern will. 40 derartige Veranstaltungen in ganz Bayern sind vorgesehen, eine fand am Freitagabend in Coburg statt.
Der Gemeindesaal der Kirchengemeinde Heiligkreuz hat zwar die passenden Ausmaße für die Veranstaltung, wirkt aber wenig heimelig. Nach ihrem Eintreffen lässt die Landtagsabgeordnete Susann Biedefeld erst einmal das Rednerpult von der Bühne und näher an die Zuschauer heran schaffen: Die Lichtkegel der 24 Deckenlampen leuchten zwar den Saal aus, aber nicht die Bühne. So rücken Biedefeld und der Landtagsfraktionsvorsitzende Markus Rinderspacher bei ihren Reden dicht ans Publikum.
Rinderspacher begrüßt die rund 60 Gäste aus Vereinen, Organisationen, Bildungseinrichtungen, Kirche und Verwaltung als "Macher der Mitmenschlichkeit". Vor allem aber will er über die Bedeutung der Demokratie und die bedeutende Rolle der SPD dabei sprechen Am 8. November 1917 rief der USPD-Abgeordnete Kurt Eisner den Freistaat Bayern aus und brachte in den 100 Tagen seiner Regierung einiges auf den Weg: Den Achtstundentag ("den 99 Jahre danach die Jamaika-Koalition in Frage stellte, die nicht zustande kam"), das Frauenwahlrecht. Die SPD im Landtag werde beantragen, wenigstens den 8. November 2017 zum einmaligen arbeitsfreien Feiertag in Bayern zu machen, sagt Rinderspacher.


Biefeld will in Bezirkstag

Seine Rede beginnt aber mit Worten, die schon stark nach Abschied klingen. Susann Biedefeld habe ihren Landtagskollegen erklärt, dass sie bei der Landtagswahl 2018 nicht mehr kandidieren wolle, sondern ein Bezirkstagsmandat anstrebe. Biedefeld habe in Fraktion und Partei "unterschiedlichste Führungspositionen" eingenommen, sagt Rinderspacher über die 53-Jährige, die seit 1994 dem Landtag angehört. "Du hast Dich um unser Gemeinwesen und die Partei verdient gemacht", betont er, um eilig hinterherzuschieben, dass die Landtagswahlperiode ja noch bis September 2018 dauere.
Besinnung auf den Beginn des Freistaats, Besinnung auf den Wert der Demokratie: Es wäre ein Wunder gewesen, wenn Rinderspacher nach dem gedanklichen Beginn im Jahr 1917 nicht bei den Koalitionsverhandlungen des Jahres 2017 gelandet wäre. Denn Deutschland habe zwar eine stabile parlamentarische Demokratie mit funktionierenden Verwaltungen und transparenten Entscheidungsverfahren, aber derzeit keine Regierung.
Dass die SPD am Wahlabend am 24. September das Ende der Großen Koalition mit der CDU/CSU erklärt habe, sei richtig gewesen, sagt Rinderspacher. "Aber nachdem aus ,Jamaika‘ der ,Fluch der Karibik‘ geworden ist, haben wir eine neue Situation", meint er mit Blick auf die gescheiterten Verhandlungen zwischen CDU/CSU, Grünen und FDP. Von Neuwahlen jetzt hält Rinderspacher wenig: Die würden kaum ein anderes Ergebnis bringen, die Beteiligung würde eher sinken. Eine Minderheitsregierung will er auch nicht, weil bei schwierigen Fragen wie weiteren Griechenlandhilfen allein die SPD auf Seiten der Union stehen würde. Dann doch lieber gleich einen Koalitionsvertrag abschließen, um auch eigene Ziele durchsetzen zu können, argumentiert er. Die SPD dürfe nicht ausweichen, sondern müsse in der derzeitigen Situation Führungsverantwortung übernehmen - "zuerst das Land, dann die Partei". In dieser Verantwortung sähen sich auch die Ehrenamtlichen in Vereinen und Organisationen, betont Rinderspacher: Sie setzen sich für eine freiheitliche, soziale und letztlich demokratische Gesellschaft ein.


Mehr Bürgerbeteiligung

In Bayern ist eine Koalition noch nicht in Sicht. Dort will die SPD die CSU 2018 an alte Versprechen erinnern: 2012 habe Ministerpräsident Horst Seehofer verkündet, Bayern werde zum Musterland der Bürgerbeteiligung, sagt Susann Biedefeld. Nun sei es an der Zeit, das einzufordern - auch mit Blick auf "100 Jahre Freistaat Bayern". Es gelte, Hürden für Volksentscheide abzubauen, die Informationsfreiheit für die Bürger zu stärken, das Verwaltungshandeln transparenter zu machen und die Bürger stärker an Planungsprozessen zu beteiligen.