Über 300 Fahrgäste pro Tag in Coburg - deshalb will die Bahn Coburg einen weiteren Zug gewähren. Doch manchen ist das zu wenig.
Erdmann zählt nicht: Der neun Monate alte Dackel war zwar einer der Fahrgäste, die am Dienstagnachmittag in den ICE in Coburg in Richtung München stiegen, aber in die Fahrgaststatistik würde er nicht eingehen. Die ist aus Sicht der Bahn schon so gut genug: Über 300 Fahrgäste, die in Coburg entweder ein- oder aussteigen, würden täglich verzeichnet, sagte ein Bahnsprecher. Angesichts dessen, dass ein langer ICE 1, wie er Coburg anfährt, rund 800 Passagieren Platz bietet, sei das "ein guter Wert".
Sechs mal pro Tag halten seit 10. Dezember ICE-Züge in Coburg: drei in Richtung Berlin/Hamburg, drei in Richtung München. Am Wochenende ist das Angebot etwas ausgedünnt: Sonntags fahren gar keine Frühzüge, und der nach Berlin kommt auch am Samstag nicht.
Dafür könnte nun ab Dezember ein Ausgleich geschaffen werden: Die Bahn plane, einen weiteren ICE über Berlin nach Warnemünde einzusetzen, Abfahrt in Coburg in etwa um 11.30 Uhr, sagte Birgit Bohle, Vorstandsvorsitzende der DB Fernverkehr, am Dienstag in München. Und: Es werde geprüft, ob ab dem Fahrplanwechsel 2019/20 das Angebot in Coburg ausgeweitet werde. Dafür, das hatte Bohle in einem Brief an Oberbürgermeister Norbert Tessmer (SPD) vorab wissen lassen, müsse noch abgewartet werden, wie sich die Fahrgastzahlen im Sommer entwickeln.
OB und IHK-Präsident fordern mehrDer OB, der nach eigenen Worten selbst schon öfter ab Coburg nach Berlin und München gefahren ist, hält das nur für selbstverständlich: Schließlich habe die Bahn vorab schon zugesagt, dass bei entsprechenden Fahrgastzahlen das Angebot verstärkt werde. IHK-Präsident Friedrich Herdan, der sich seit langem für die Coburger ICE-Anbindung stark macht, hält die Ankündigung einer weiteren Prüfung im Hinblick auf den Fahrplan 2020 für "viel zu vage": Die Erweiterung des ICE-Angebotes müsse schon mit dem Fahrplanwechsel 2018/19 greifen, fordert er. "Strategisches Ziel bleibt nach wie vor der Ausbau Coburgs zum Schienenverkehrsknotenpunkt mit zweistündlicher ICE-Anbindung in jeder Richtung." Alles andere betrachte er als "Interim" zum Systemhalt.
Die von der Bahn erfassten Fahrgastzahlen würden, so Herdan, nur bestätigen, was die Potenzialanalyse der IHK für einen ICE-Halt im Vorfeld ergeben habe. Und von Anfang an habe die IHK appelliert, auch am späten Vormittag ICE-Züge in Coburg halten zu lassen. Aus Sicht des Tourismus sei der angekündigte zusätzliche Zug am späten Samstagvormittag zu begrüßen.
Von Coburg direkt nach Wien?Insgesamt, das hatte Bohle in München gesagt, werde Franken besser angebunden: Bamberg werde mit dem nächsten Fahrplanwechsel auf 27 ICE-Halte kommen. Außerdem solle zusätzlich ein täglicher ICE von Berlin nach Wien kommen, der, so deutete es Bohle in ihrem Brief an Tessmer an, auch in Coburg halten könnte.
OB Tessmer denkt aber nicht nur an Züge, sondern hat auch den Coburger Bahnhof selbst im Blick: Dass die Aufzüge zu den Bahnsteigen immer noch nicht fahren, sei "sehr unbefriedigend", sagte er. Eigentlich hatte der Aufzug zum ICE-Bahnsteig an den Gleisen 2 und 3 schon im Dezember fertig sein sollen. Laut Mitteilung der Bahn ist dieser Aufzug inzwischen fertig montiert. Wegen der aktuell hohen Marktauslastung und der geringen Anzahl an zugelassenen Prüfern sei es schwierig, Termine für die Zulassung zu finden. "Wir gehen davon aus, dass der Aufzug im zweiten Quartal 2018 in Betrieb gehen wird", heißt es in der schriftlichen Antwort der Bahn. Der Aufzug zum Bahnsteig 1 solle Ende des zweiten Quartals fertig werden, der zum Bahnsteig 4/5 im dritten Quartal, teilte die Bahn weiter mit. Bahnsteig 1 ist derzeit Baustelle.
Außerdem wollte die Stadt schon längst einen Parkplatz am früheren Bahnsteig 6 angelegt haben. Doch da, sagt Tessmer, habe der Bau wegen "Erdungsproblemen" eingestellt werden müssen.
VCD sieht weiterhin ungenügendes Angebot"Wir hätten uns gefreut, wenn die gute Nutzung des ICE-Haltes in Coburg trotz noch nicht optimaler Infrastruktur seitens der DB Fernverkehr mit einer Erhöhung der Fahrtenfrequenz honoriert werden würde", sagt Gerd Weibelzahl. Der Sprecher der Kreisgruppe Coburg des Verkehrsclub Deutschland (VCD) setzt sich seit langem für bessere Bahnverbindungen von und nach Coburg ein. Dass es nun einen zusätzlichen ICE am Samstagmittag geben soll, sei eine "Fahrplanerweiterung in homöopathischen Dosen" und "ein schlechter Witz". Es passe aber zum Handeln der DB Fernverkehr in den vergangenen Jahren, meint Weibelzahl. "Man musste immer den Eindruck gewinnen, dass es DB Fernverkehr nicht darum ging, ein gutes Fernverkehrskonzept für die Region zu realisieren, sondern nur das unbedingt Notwendige zu machen. Die Bedürfnisse der Region wurden dabei nicht beachtet."
Ausdrücklich ermuntert Weibelzahl "die Verantwortlichen vor Ort in der Politik oder auch in der IHK", "sich nicht länger mit wolkigen Prüfungsaufträgen hinhalten zu lassen". Zuletzt hatte die Vorstandsvorsitzende der DB Fernverkehr, Birgit Bohle, in einem Brief an Oberbürgermeister Norbert Tessmer und IHK-Präsident Friedrich Herdan zugesagt, über eine Ausweitung des Angebots ab Dezember 2019 nachzudenken, "wenn die Nachfrageergebnisse des Sommers vorliegen".
Züge auch vor- und nachmittagsDer VCD hatte hingegen schon mehrmals angeregt, jetzt schon täglich um 11 und 19 Uhr weitere Züge Richtung Süden und um 12 Uhr und 20 Uhr ICE Richtung Norden einzusetzen. Damit würden "neue Potenziale im Berufs- und Tourismusverkehr erschlossen", sagt Weibelzahl: "Wer will den derzeit von Coburg nach Erfurt pendeln, wenn er entweder um 14.30 Uhr (viel zu früh für einen Arbeitstag) oder um 21.30 Uhr (Übernachtung zu Hause nur zum Schlafen) wieder zurückfahren kann?" Hotelgäste müssten nicht erst nach 22 Uhr abends ankommen und könnten am Vormittag in Ruhe abreisen, wenn es die zusätzlichen ICE-Züge gäbe.
Hoffen auf eine Flixtrain-LinieDerzeit bietet die Bahn lediglich Regionalexpressverbindungen ab Coburg als Zubringer zum nächsten ICE an, wobei sich lange Umsteigezeiten ergeben können. Weibelzahl hofft deshalb, dass Konkurrenz auch das Geschäft auf der neuen ICE-Strecke belebt. Er verweist unter anderem auf das neue Bahnangebot des Unternehmens Flixbus, das nun zwischen Hamburg und Köln sowie auf der Linie Stuttgart-Frankfurt-Hannover-Berlin Zugfahrten anbietet. "Es ist zu hoffen, dass die gute Nutzung der wenigen Fernverkehrszüge in Coburg diese Unternehmen motiviert, darüber nachzudenken, zum Beispiel eine neue Flixtrain-Linie Stuttgart- Nürnberg-Coburg-Erfurt-Berlin einzurichten", schließt Weibelzahl.
Bei allem Wunschdenken nach zusätzlichen Verbindungen sollte erst einmal geprüft werden, ob die Ost-/Westanbindung in Nürnberg nicht besser auf die Züge nach Coburg abgestimmt werden kann. Von Stuttgart aus muss man lange Wartezeiten in Kauf nehmen oder den einzigen IC, der von Karlsruhe nach Leipzig fährt, buchen. Da kann man zwar bis Lichtenfels durchfahren. muss aber dann mit langer Wartezeit in LIF auf den überall haltenden ag 84516 umsteigen und kommt kaum schneller an, als wenn man eine knappe Stunde in Nürnberg auf den ICE wartet. Das unterliegt vor allem im Winter der Vergnügungssteuer.
Auch stünde es den Coburger Honoratioren gut an, nicht nur immer mit spitzen Fingern auf die DB zu zeigen, sondern selbst erst einmal die eigenen Hausaufgaben zu machen. Die Bereitstellung von ausreichenden Parkplätzen entwickelt sich langsam zu einem Desaster und auch die am Abend und an Wochenenden miserable Anbindung an das Stadtbusnetz ist nach wie vor eine Katastrophe.
Ja, es wäre wünschenswert, wenn mehr als 3 ICE pro Tag und Richtung in Coburg halten würden. Auch die Pünktlichkeit lässt sehr zu wünschen übrig. Am 27.03.18 ist der ICE von Berlin mit ca. 40 Min. Verspätung in Coburg angekommen. Die Anschlusszüge Richtung Sonneberg waren natürlich weg. Zum Glück hatte ich mein Auto in Coburg stehen, denn das wartet auf mich.