Zeit, Geld, Hilfe: Wo und wie Sie im Pflegefall Unterstützung bekommen - Tipps für den Alltag
Autor: Natalie Schalk
Bamberg, Donnerstag, 31. Oktober 2019
Wer hilft einem im Pflegefall, welche Fördermöglichkeiten gibt es und wie findet man ein Pflegeheim? Wir fassen die wichtigsten Antworten zusammen.
D rei Viertel der 3,4 Millionen Pflegebedürftigen in Deutschland leben zu Hause. Mehr als die Hälfte von ihnen werden ausschließlich von Angehörigen gepflegt. Leicht ist das nicht. Aber es wird leichter, wenn man Fördermöglichkeiten kennt, die viele finanzielle Sorgen lindern. Oder Hilfsangebote, die einen Urlaub oder wenigstens eine kleine Auszeit ermöglichen. Plötzlich Pflegefall - wo finde ich Informationen? Das Familienministerium hat ein Pflegetelefon eingerichtet. Unter 030/20179131 helfen Experten montags bis donnerstags von 9 bis 18 Uhr kostenlos bei Fragen zur Organisation und Finanzierung der Pflege (auch per Mail an info@wege-zur-pflege.de). Auf seinem Informationsportal www.wege-zur-pflege.de bietet das Ministerium auch eine Linkliste mit Beratungsstellen und Informationen. Wer hilft im Einzelfall? Persönliche Beratung bekommen alle Bürger bei den Pflegestützpunkten, die es in Franken in Nürnberg, Roth, Coburg, Würzburg, Schweinfurt, Haßfurt und Bad Neustadt a.d.S gibt. Gesetzlich Versicherte können außerdem eine individuelle Pflegeberatung direkt von der Pflegeversicherung erhalten, privat Versicherten hilft die Compass-Pflegeberatung unter 0800/1018800. Außerdem gibt es regionale Beratungsstellen z.B. in den Quartiersbüros und bei den Fachstellen für pflegende Angehörige bei den Wohlfahrtsorganisationen (z.B. Awo unter anderem in Coburg, Bamberg und Erlangen; Caritas unter anderem in Bad Kissingen, Fürth, Forchheim, Bayreuth, und Hollfeld; Diakonisches Werk in Wunsiedel und Selb; ASB in Höchstadt, die Juliusspitalstiftung in Münnerstadt; Arge in Hassfurt). Was ist ein Pflegegrad?
Der Pflegegrad berücksichtigt psychische und physische Faktoren und wird durch einen Gutachter des Medizinischen Dienstes (MDK) ermittelt. Das muss bei der Pflegekasse beantragt werden. Bei schwerster Beeinträchtigung der Selbstständigkeit mit besonderen Anforderungen an die pflegerische Versorgung gibt es den höchsten Pflegegrad 5, bei geringer Beeinträchtigung Pflegegrad 1. Dieser ist kein vollwertiger Pflegegrad: Die Kasse zahlt kein Pflegegeld, aber beispielsweise Entlastungsleistungen und Pflegehilfsmittel (Verbrauchsdinge, aber auch Zuschuss zum Hausnotrufsystem). Welche (finanziellen) Hilfen gibt es? Wie viel die Pflegekasse zahlt, richtet sich nach dem Pflegegrad und danach, ob der Betroffene zu Hause von Angehörigen gepflegt wird oder stationär in einem Heim. Im ersten Fall wird Pflegegeld ausbezahlt, im zweiten ein Leistungsbetrag verrechnet (siehe Grafiken). Bei Menschen, die weiter zu Hause leben, finanziert die Pflegekasse außerdem eine vorübergehende stationäre Betreuung (Kurzzeitpflege) mit bis zu 1612 Euro für bis zu acht Wochen im Jahr. Dabei wird das Pflegegeld gekürzt. Außerdem sind Kurzzeitpflegeplätze rar. Wird lediglich eine Hilfe als sogenannte stundenweise Verhinderungspflege (bis zu acht Stunden täglich) in Anspruch genommen, wird das Pflegegeld nicht gekürzt. Dafür stehen jährlich ebenfalls 1612 Euro zur Verfügung. Die Leistungen von Verhinderungs- und Kurzzeitpflege können auch kombiniert werden.
Wer Hilfe sucht, kann sich an die Fachstellen für pflegende Angehörige wenden. Sie vermitteln geschulte Ehrenamtliche aus ihren Helferkreisen. Diese bekommen eine Aufwandsentschädigung, die mit der Pflegekasse abgerechnet wird. Zusätzlich kann Unterstützung im Alltag (z.B. haushaltsnahe Dienstleistungen und Alltagsbegleitung) mit monatlich 125 Euro als Betreuungs- und Entlastungsleistungen verrechnet werden. Monatlich werden außerdem 40 Euro für zum Verbrauch bestimmte Pflegehilfsmittel wie Inkontinenzbedarf und Einmalhandschuhe übernommen, und es gibt spezielle Förderungen (siehe Frage 7). Ab Pflegegrad 2 zahlt der Freistaat Bayern jährlich 1000 Euro Landespflegegeld. Den Antrag gibt's auf www.landespflegegeld.bayern.de. Wie funktioniert ein Pflege-Mix? Kommt ein ambulanter Pflegedienst nach Hause und übernimmt einen Teil der Aufgaben, wird dies Pflegesachleistung genannt. Der Satz dafür ist etwa doppelt so hoch wie das Pflegegeld bei der ambulanten Pflege. Wenn der Betrag nicht ausgeschöpft ist, wird noch der prozentual entsprechende Anteil des Pflegegeldes überwiesen. Was ist Familienpflegezeit? Arbeitnehmer können bei Pflegefällen ihre Arbeitszeit bis zu 24 Monate lang auf bis zu 15 Stunden pro Woche reduzieren, um einen nahen Angehörigen zu Hause zu pflegen. Wenn beispielsweise Vollzeitbeschäftigte ihre Arbeitszeit halbieren, bekommen sie 75 Prozent des bisherigen Bruttoeinkommens. Zum Ausgleich müssen sie im Anschluss an die Pflegephase wieder voll arbeiten, bekommen aber weiterhin nur 75 Prozent. Weitere Informationen gibt es beim Pflegetelefon des Familienministeriums und auf der Seite www.wege-zur-pflege.de. Für die häusliche Pflege ist ein Umbau nötig - wo gibt's Zuschüsse? Die Kreditanstalt für Wiederaufbau KfW fördert "altersgerechten Umbau" mit einem günstigen Kredit. Die "Barrierereduzierung" in bestehendem Wohnraum wird mit einem Zuschuss von bis zu 6250 Euro zu den Investitionskosten gefördert - derzeit sind die Mittel allerdings aufgebraucht. Der Freistaat Bayern fördert behindertengerechten Umbau von Wohnraum mit einem zinslosen und tilgungsfreien Darlehen von bis zu 10 000 Euro. Voraussetzung ist, dass das Haushaltseinkommen bestimmte Grenzen nicht übersteigt. Wird der Wohnraum von einem Pflegebedürftigen, Schwerbehinderten oder chronisch Kranken fünf Jahre lang genutzt, muss das Darlehen nicht zurückgezahlt werden. Die Förderung für Eigenwohnraum wird bei Landratsamt oder kreisfreier Stadt beantragt, für Mietwohnraum ist die Bezirksregierung zuständig. Zuschüsse bis zu 4000 Euro für wohnumfeldverbessernde Maßnahmen (z.B. für Badumbau oder Treppenlift) zahlt die Pflegekasse ab Pflegegrad 1. Wie findet man ein Pflegeheim? Zur Auswahl eines Pflegeheims wird häufig der "Pflege-Tüv" herangezogen. Das bisherige Benotungssystem war umstritten, weil beispielsweise schlechte Pflegequalität durch einen guten Speiseplan ausgeglichen werden konnte. Anfang Oktober wurde ein neues Qualitäts-Bewertungssystem gestartet, mit dem die Heime künftig begutachtet werden. Im Frühjahr werden erste Ergebnisse veröffentlicht.
Bis Ende 2020 soll jedes Heim erstmals nach den neuen Regeln geprüft worden sein. Der Verband der Ersatzkassen (VDEK) bündelt alle Informationen auf www.pflegelotse.de, außerdem gibt es verschiedene andere Versuche, die Pflegequalität zu analysieren: Die Seiten www.pflegegüte.de oder auch www.heimverzeichnis.de bieten eine Orientierungshilfe. Was kostet ein Pflegeplatz und wer zahlt ihn? Bei vollstationärer Pflege übernimmt die Kasse je nach Pflegegrad zwischen 125 und 2005 Euro Pflegekosten. Die Kosten eines Heimplatzes enthalten aber beispielsweise auch Unterbringung und Verpflegung. Sie liegen in Deutschland monatlich im Schnitt bei etwa 3000 Euro - mit großen Schwankungen je nach Region und Ausstattung. Rente und das Geld aus der Pflegeversicherung reichen dafür oft nicht aus. Ist keine private Pflegezusatzversicherung und kein Vermögen vorhanden, kommt für den Rest das Sozialamt auf. Dafür muss "Hilfe zur Pflege" beantragt werden.
Ob die Kinder Elternunterhalt zahlen müssen, hängt von ihrem Einkommen und Vermögen ab. Alleinstehende dürfen mindestens 1800 Euro für sich behalten, bei Verheirateten liegt der "Mindestselbstbehalt" bei 3240 Euro. Dieser Betrag steigt z.B. bei Wohnkosten über 480 Euro, unterhaltsberechtigten Kindern oder Kreditzahlungen für die selbst genutzte Immobilie. Diese wird nicht angetastet, sonstiges Vermögen nur, wenn es den Grenzwert übersteigt: Der liegt z.B. bei einem 50-jährigen Durchschnittsverdiener um die 130 000 Euro.