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Zeit für die Wahrheit der Körper in Coburg


Autor: Dr. Carolin Herrmann

Coburg, Montag, 20. April 2015

"So nah wie nie" reicht der Club 56 des Landestheaters an die Wahrheit intensiven Körpertheaters heran. Mit dem Tanzstück des Dänen Kaj Nissen sorgten die engagierten Laien durchaus für Verblüffung.
Beeindruckendes Tanz-Theater: Der Club 56 hat sich mit seiner neuen Produktion weit vor gewagt.  Foto: Andrea Kremper


Es ist nicht wahr. Aber es könnte wahr sein. Ich war einmal nahe daran, meine Tanzpartnerin umzubringen. Dass die Männer alle zu früh sterben... Immer dieselben Schritte im Kreis. Wir können es aber auch lassen. Goldene Hochzeit? Vielleicht reichen auch 48 Jahre. Wie lange hast du das eigentlich schon, deine Wörtersuche? -
Viele grundsätzliche Fragen, das ganze Leben in Frage gestellt, keineswegs als Bilanz zum Abschluss, sondern zu neu em Aufbruch. Und weil viele der 15-köpfigen Truppe nicht mehr 20 sind und auch nicht mehr 60, können sie endlich selbstbewusst auf die Konven tion pfeifen. Die machen dann nicht mehr einfach nur Theater. Die machen nun Tanz-Theater.

Huu, diese alten Leute mit ihren vielfach doch schon lahmen Körpern? Wie soll denn das aussehen? Schon wieder irgendwelche Selbstüberhebungen? Können sich die Leute denn heute überhaupt nicht mehr in die Welt einfinden, wie sie ist? -
Ganz im Gegenteil. Was der Club 56 des Landestheaters da unter Leitung von Theaterpädagogin Luca Pauer und Anne Rieckhof inszeniert hat, ist alles andere als rührend. Deren Interpretation eines Stückes des Dänen Kaj Nissen kann es an Wahrhaftigkeit und Wirkung mit so mancher professionellen Produktion aufnehmen.

Was die Welt bedeutet

"So nah wie nie" heißt das Stück, und tatsächlich kommt diese spannende einstündige Produktion des Hobby-Ensembles von Älteren und Alten, aber bei weitem nicht nur für die Alten, der vom Theater doch meistens gesuchten Lebenserkenntnis so nah wie nie. Das sei ohne wohlwollende Übertreibung festgestellt. Die Wörtersuche im puren Sprechtheater, das sich Laien gewöhnlich zutrauen, ist wichtig, somit auch ein zentraler Teil dieses Stückes ums Altwerden und Altsein. Doch die Versuche, Lebenserfahrung in Worten zu bündeln, wobei doch meistens nur Fragen (darunter aber auch viele ermutigende Zweifel) bleiben, führen direkt zu den Körpern.
In denen sind die Menschen hier auf dieser Erde präsent. Und der Club 56 wagt es, die Körper sprechen zu lassen. Da spüren dann Darsteller wie Zuschauer viel intensiver, was "die Dinge" bedeuten. Die Tanzer neuerin Pina Pausch winkt aus ihrem Jenseits herüber. Die Körper sind Träger und Darsteller von (Alltags-)Wahrheit, viel stärker als Worte.

Also haben die beiden Regisseurinnen und das selbstbewusste, sichere Ensemble rhythmisch akzentuiert, kleine Geschichten und Szenen in Bewegungsfolgen weitergeführt, stilisiert. Sie haben grafisch geklärte Bilder in prägnanter Beleuchtung gestaltet auf und vor einer Tribüne unter rotem Mond. Und im theatralen Rahmen eines Abschlussballes, bei dem Paare und Einzelne zueinander und zu sich kommen, wirken die 15 Darstellerpersönlichkeiten packend authentisch. Nicht rührend. Sehr eindrucksvoll und nahegehend.

Club 56 Seniorenclub des Landestheaters Coburg: "So nah wie nie",Tanzstück von Kai Nissen. Inszenierung, Bühnenbild und Kostüme: Luca Pauer und Anne Rieckhof. Darsteller: Christa Fedder, Ulrike Heckl-Fischer, Gitta Hofrichter, Elly-Xenia Jurgan, Gabriele Munzert, Elvira Nettelroth, Iris Piper, Annegret Schüppler, Christiane Stellmacher, Heide-Marie Weber, Manfred Artus, Karl-Friedrich Fehn, Horst Gründel, Rainer Lorenz, Wolfgang Müller

Weitere Vorstellungen 21. und 22. April, 20 Uhr in der Reithalle

Karten Kasse des Landestheaters, Touristinformation Coburg, Coburger Tageblatt, Schuhhaus Appis in Bad Rodach, Buchhandlung Stache in Neustadt.