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Zeichen setzen gegen die Stromtrasse


Autor: Simone Bastian

Coburg, Montag, 16. Oktober 2017

Die Stadt Coburg will ihren Strom auf dem regionalen Markt besorgen - als Signal dafür, dass es hier keine Überlandtrassen braucht.
Eine Stromtrasse führt schon durchs Coburger Land. Eine zweite soll möglichst verhindert werden. Die Stadt will nun ein Zeichen dafür setzen, dass die Stromversorgung auch dezentral mit erneuerbaren Energien gelingen kann. Foto: Simone Bastian


"Was wir vorhaben, ist zugelassen und gewollt", betonte Gerald Hellmuth in der Senatssitzung. Der Leiter der zentralen Beschaffungsstelle erläuterte, warum die Stadt ihren Strombedarf ausschreiben sollte statt ihn wie gewohnt bei den eigenen Werken (SÜC) zu beziehen. Denn wenn die Stadt ausschreibt, kann sie festlegen, was sie haben will. In diesem Fall lautet der Beschluss: Beschafft werden soll regionaler, dezentral erzeugter Strom, bei dessen Gewinnung weder CO2 freiwird noch Atommüll anfällt.
"Wir setzen ein umweltpolitisches Signal und ein positives Nebensignal gegen die Stromtrasse", fasste Franziska Bartl (SPD) am Ende zusammen. Zuvor hatte Hellmuth ausführlich erläutert, was der Stromeinkauf der Stadt Coburg mit dem Netzausbau zu tun hat, gegen den die Region gerade heftig protestiert: Wenn mehr Strom regional und dezentral erzeugt wird, ist der Netzausbau überflüssig - und zu diesem Schluss sei auch schon der Übertragungsnetzbetreiber Tennet gekommen.


Hoffen, dass Nachbarn mitziehen

Hellmuth zufolge werden die Überlandnetze auch dazu gebraucht, überschüssigen Strom aus Deutschland ins Ausland zu liefern. So beziehe Österreich den Strom, mit dem das Wasser in die Pumpspeicherkraftwerke befördert wird, aus Deutschland, um dann den grenznahen Bereich zu Spitzenlastzeiten mit Strom zu versorgen. "Wir haben Überschüsse, weil wir unsere alten Kohlkraftwerke weiterlaufen lassen", ergänzte Andreas Gehring (SPD).
Ziel sollte es sein, deutlich zu machen, dass es kaum Bedarf für weitgereisten Strom gibt, sagte Hellmuth. Denn Anfang 2018 müsse ein neuer Szenariorahmen für den Stromverbrauch erstellt werden. Dieser Szenariorahmen, der dann Grundlage für den Netzausbauplan wird, sollte Zahlen enthalten, die den Bau einer weiteren Höchstspannungsleitung (P44) überflüssig erscheinen lassen.
Die Stadt Coburg mit ihrem Strombedarf von 4,4 Millionen Kilowattstunden im Jahr allein wird den Strommarkt freilich nicht umkrempeln. "Aber vielleicht ziehen andere mit", hoffte Barbara Kammerscheid (SBC). Er wolle versuchen, die Nachbarkommunen und -Landkreise zu überzeugen, mitzumachen, sagte Oberbürgermeister Norbert Tessmer (SPD): "Bevor wir sinnlose Fahrten nach Berlin machen..." Im Bundeswirtschaftsministerium hatten die Bürgermeister aus Stadt und Landkreis Coburg vor wenigen Tagen gegen Pläne protestiert, Höchstspannungstrassen durchs Coburger Land zu führen.
Lediglich Hans-Herbert Harten (CSU) hielt nichts von der Idee, den Strom für die Stadt neu auszuschreiben. Er sei auch gegen den Bau der Stromtrasse, betonte er. Allerdings befürchte er Schaden für die SÜC - Hartan ist eins der vom Stadtrat entsandten Mitglieder im Aufsichtsrat der SÜC. OB Tessmer, kraft Amtes Vorsitzender des Aufsichtsrats, bekannte, dass er in der Frage zwiegespalten sei - auch wenn die SÜC sich am Ausschreibungsverfahren beteiligen können. Andreas Gehring gab den SÜC hier gute Marktchancen: Schließlich verfügen sie über ein eigenes Wasserkraftwerk am Main.
Auch Angela Platsch (Grüne), ebenfalls im SÜC-Aufsichtsrat, sprach sich dafür aus, den Versuch mit der Ausschreibung zu wagen. Es gehe um den Strombezug für ein Jahr: "Wir müssen mal ein Zeichen setzen!" Hellmuth zufolge hat die Stadt sogar Chancen, günstiger an Strom zu kommen als bisher.


Die Zahl:

4,4 Millionen Kilowattstunden Strom verbraucht die Stadt jährlich in ihren Liegenschaften. Dazu gehören Stadtverwaltung, Schulen, Kindergärten und weitere städtische Gebäude.