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Zehn Tafeln, 406 Namen von Gefallenen aus Neustadt


Autor: Rainer Lutz

Neustadt bei Coburg, Freitag, 25. Januar 2019

Lange verschollene Gefallenen-Tafeln aus dem Ersten Weltkrieg wurden auf dem Dachboden der Schule an der Heubischer Straße gefunden und gesichert.
Die Tafeln, auf denen Schüler der Industrie- und Gewerbeschule im Ersten Weltkrieg an, die Namen aller Gefallenen aufschrieben, sind auf dem Dachboden des Gemeindehauses Schulstraße in Sicherheit (von links): Isolde Kalter, Horst Gundel und Klaus Engelhardt.Rainer Lutz


Albert Arnold hätte nicht in den Krieg ziehen müssen. Der Heimatdichter gehörte nicht zu den 600 Neustadtern, die am 2. August 1914 - einen Tag nach dem Befehl des Kaisers zur Mobilmachung - von ihren Familien Abschied nehmen mussten. Albert Arnold meldete sich freiwillig zum Kriegsdienst.

Die Stimmungslage am Beginn des Krieges, der später als Weltkrieg und noch später als der Erste Weltkrieg in die Geschichtsbücher einging, beschreibt Helmut Scheuerich in seinem Buch "Geschichte der Stadt Neustadt bei Coburg im 20. Jahrhundert". Die Gemütslage war geprägt von kämpferischer Zuversicht.

Nach den ersten Einberufungen erhielt am 7. August die gesamte Landwehr den Befehl zum Ausmarsch. Dazu heißt es bei Scheuerich: "Hierzu versammelten sich die Männer vor dem Kaiser-Friedrich-Denkmal auf dem Markplatz. Die militärischen Vereine und die Turnvereine stellten eine Fahnenabordnung, die Kriegsteilnehmer von 1870/71 nahmen ordensgeschmückt daran teil. Der Reichstagsabgeordnete Max Oscar Arnold hielt die Abschiedsrede. Mit Musik, die Fahnen und die Veteranen voran, ging es zum Bahnhof. Dort erwartete eine etwa tausendköpfige Menge die scheidenden Soldaten."

Am 16 August wurde auch der Landsturm einberufen. Dazu kamen zahlreiche Freiwillige, die sich neben den per Gesetz Gerufenen zum Kriegsdienst meldeten, wie der Heimatdichter Albert Arnold. Er wusste wohl nicht, was ihn erwarten würde, als er dichtete: "Lieg' ich im Kampfe, pfeifen die Kugeln, Granaten platzen, drüben der Feinde grimmige Fratzen im Pulverdampfe. Aber die Hand bleibt ruhig dabei. Ich bin ein deutscher Soldat, juchhei."

Die Soldaten des Kaisers zogen eines raschen Sieges gewiss ins Feld, träumten von Heldentaten und einer baldigen Heimkehr mit Orden an der Brust. Der Tod auf dem Schlachtfeld wurde verklärt.

Es begann mit einer Tafel

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Als Schüler der Gewerbeschule eine Tafel in der Stadtkirche aufstellten, auf der sie die Namen der ersten Gefallenen, ihre Dienstgrade, Tag und Ort ihres Todes aufschrieben, glaubten sie, diese eine Tafel würde reichen. Sie reichte nicht. Unter einem Eisernen Kreuz stand: "Auf dem Felde der Ehre fielen:" Am Ende des Krieges standen dort zehn solcher Tafeln. 406 Namen mussten die Schüler eintragen. Helmut Scheuerich schreibt: "Ein Haus nach dem anderen wurde zum Trauerhaus. So wich die anfängliche Kriegsbegeisterung einer ernsteren Stimmung."

Die zehn Tafeln standen lange in der Stadtkirche. Am 22. Januar 1922 wurde eine Bronzetafel mit den Namen der Gefallen enthüllt, die Gustav Köhler geschaffen hatte. Die zehn Holztafeln - authentische Mahnmale, die unter dem aktuellen Eindruck der Ereignisse entstanden waren - fanden ihren Platz in der Auferstehungskirche. Noch 1961 müssen sie dort aufgestellt gewesen sein, weiß Horst Gundel. "Als ich zusammen mit Klaus Engelhardt 2007 eine Festschrift zum 250 jährigen Bestehen der Auferstehungskirche gemacht habe, stießen wir auf ein Foto aus dem Jahr 1961. Darauf sind die Tafeln zu erkennen", berichtet er. In der Auferstehungskirche liegt nun ein Gefallenen-Ehrenbuch aus, in dem die Namen aufgelistet sind.

Danach war unklar, was aus ihnen geworden ist - bis in diesen Tagen im Zuge der Sanierung der Schule an der Heubischer Straße der Dachboden ausgeräumt wurde. "Dabei stieß der frühere Bauhofleiter Heini Luthardt auf die Tafeln und hat sie sofort gesichert und zuerst Heimatpflegerin Isolde Kalter und dann mich und Klaus Engelhardt informiert", sagt Horst Gundel.

Die Fundstücke wurden daraufhin zunächst auf den Dachboden des Gemeindehauses an der Schulstraße gebracht. "Wir werde sie jetzt vorsichtig reinigen", sagt Horst Gundel. Das ist nicht so einfach. Wie sich herausstellte, droht die Farbe der Tafeln zu verwischen, wenn der Staub einfach mit einem Lappen entfernt wird. Manche Tafeln müssen auch auf der Rückseite noch stabilisiert werden, weil sie zu zerbrechen drohen.

Einige der Tafeln sollen nach der Reinigung einen Platz in dem kleinen Turmmuseum finden, das Klaus Engelhardt und Horst Gundel in der Stadtkirche eingerichtet haben. "Wenn Angehörige von Gefallenen die Originaltafel mit dem Namen ihres gefallenen Verwandten einmal sehen möchten, dann werden wir das auch irgendwie möglich machen", verspricht Horst Gundel.

Stadtheimatpflegerin Isolde Kalter wird mit Gundel und Engelhardt einen Ort suchen, wo die Tafeln ihrem Wert entsprechend gelagert werden können. Im Stadtarchiv fehlt dafür der Platz. Verschollen gehen sollen diese Zeitdokumente aber nicht wieder, das steht für sie fest.