Wurde 13-Jähriger von Coburger sexuell missbraucht?
Autor: Katja Nauer
Coburg, Donnerstag, 23. Juli 2015
Die Staatsanwaltschaft wirft einem 46-Jährigen den Missbrauch eines Buben vor. Der Mann, der an einer frühkindlichen Hirnstörung leidet, gibt die Vorwürfe teilweise zu.
Wegen sexuellen Missbrauchs eines Kindes steht ein 46-jähriger gelernter Schlosser vor Gericht. Die Staatsanwaltschaft wirft dem Mann, der aus Bamberg kommt und bis zu seiner Verhaftung in Coburg wohnte und derzeit in einer Klinik für forensische Psychiatrie in Bayreuth untergebracht ist, vor, sich an einem 13-jährigen Buben vergangen zu haben. Dabei sollen auch Videos und Bilder - jeweils mit sexuellem Hintergrund - eine Rolle gespielt haben. Der Bub soll von dem 46-Jährigen mit Geschenkversprechungen, unter anderem einer Playstation, dazu gebracht worden sein, die sexuellen Handlungen über sich ergehen zu lassen, so die Staatsanwaltschaft.
Liegt Schizophrenie vor?
Zwei Gutachter sollen sich während der anberaumten drei Verhandlungstage ein Bild von dem Angeklagten machen: Die Staatsanwaltschaft bescheinigt ihm zur Tatzeit eine Schizophrenie paranoider Form, eine organische
Er habe gar nicht das Geld gehabt, dem Jungen teure Geschenke machen zu können, bestritt der Mann den Vorwurf. Im Gegenteil, der 13-Jährige habe trotz eines von dem Anwalt seines Vaters ausgesprochenen Kontaktverbotes immer wieder seine Nähe gesucht und sei "aufdringlich" gewesen, sagte er. Das ließ Staatsanwalt Philipp Karr und Vorsitzenden Richter Gerhard Amend aufhorchen: Er habe von einem Kontaktverbot keine Kenntnis, sagte Karr.
Angeklagter: Kein Verkehr
Der Angeklagte bestritt die Vorwürfe im Großen und Ganzen jedoch nicht, widersprach der Staatsanwaltschaft jedoch, was den Vollzug des Geschlechtsverkehrs betraf. Dazu sei es nicht gekommen, weil der Bub sich weggedreht habe, erklärte er. Er habe allerdings gewusst, dass der Junge zur Tatzeit im November und Dezember 2014 erst 13 Jahre alt gewesen sei, gab er zu.
Mindestens seit dem Jahr 2001 steht der Mann, der eine Sonderschule besuchte, seinen Hauptschulabschluss machte und die Ausbildung zum Schlosser in einer behütenden Einrichtung absolvierte, unter Betreuung. Einen "vielfältigen und ambivalenten" Eindruck hatte sein Betreuer, der den Mann seit Oktober 2014 unter seinen Fittichen hat, von dem 46-Jährigen: Einerseits sei er zugewandt und scheinbar offen, habe von seinen Arbeitgebern mehr Lob als Tadel erhalten, und auch die Vermieterin habe ihn ins Herz geschlossen, andererseits erzähle der 46-Jährige "Geschichten", halte sich nicht an Absprachen, habe ohne Termin Sturm an seiner Türe geklingelt und laut geschrien, sagte er aus. Er bezeichnete den Angeklagten als impertinent, nervig und latent aggressiv: "Er gehört zu den auffälligeren Fällen."
Kein Überblick über Konto
An eine Rechnung für den Anwalt, der ihm das Kontaktverbot auferlegt habe und die er dem Betreuer zur Zahlung übergeben haben will, kann sich der Angeklagte nicht erinnern. Der neue Betreuer habe ihm nie einen Kontoauszug gezeigt, wehrte sich der Beschuldigte. "Ich weiß nicht einmal, wie viel Geld ich auf dem Konto habe", betonte er.
Die leitende Oberärztin des Bezirksklinikums Bayreuth, die den Angeklagten derzeit betreut, bescheinigte ihm Reizbarkeit, Ängstlichkeit, Unruhe und Umtriebigkeit sowie Depressivität und geringes Konfliktmanagement. Auch sein Sozialverhalten sei instabil. "Er braucht erhebliche Unterstützung und Führung", sagte sie. Einen Anhaltspunkt für Schizophrenie fand sie allerdings nicht. Ihr seien bei dem Angeklagten keine paranoiden Züge aufgefallen.
"Er erzählt Gschichtla"
Der Pflichtverteidiger des Angeklagten, Michael Lange aus Bamberg, befragte die Ärztin: "Würden Sie sagen, er erzählt gern Gschichtla?" Das bejahte die Frau und sprach von einer "Phantasiewelt" des 46-Jährigen. "Er redet sich also die Welt schön", schlussfolgerte Lange.
Arbeitsstelle unklar
Die Frage, wo der Angeklagte zuletzt gearbeitet hatte, beschäftigte das Gericht mehrmals und ließ sich an diesem ersten Verhandlungstag nicht klären. Der 46-Jährige behauptete steif und fest, im Schichtbetrieb eines renommierten Automobilzulieferers erst in Bamberg und später - bis zu seiner Festnahme - in Coburg gearbeitet zu haben. Belege fanden sich dafür nicht.
Sein Betreuer erzählte stattdessen, der Angeklagte habe bei einer Drückerkolonne gearbeitet, mit dessen Chef er wöchentlich telefoniert habe.
Am Dienstag, 28. Juli, soll das Urteil gesprochen werden.