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Wohnen wie der Herrgottsmüller in Oeslau


Autor: Rainer Lutz

Rödental, Donnerstag, 05. November 2015

Eine der ältesten Mühlen Oeslaus schien bereits dem sicheren Verfall gewidmet. Matthias Hartwig kaufte das Bauwerk, gab ihm seinen alten Glanz zurück und schuf damit Wohnraum vor allem für junge Familien.
Die Herrgottsmühle in Oeslau wird bald sechs Wohnungen verschiedener Größe bieten. Fotos: Rainer Lutz


Dornröschen war einer der ersten Gedanken, die Matthias Hartwig in den Kopf kamen, als er zusammen mit seiner Frau Grit im vergangenen Jahr die Hergottsmühle entdeckte. Völlig eingewachsen wirkte sie tatsächlich wie in einen 100-jährigen Schlaf versunken. Jetzt wurde sie wachgeküsst, die Mühle, nicht die Prinzessin, die gibt es da nicht. Das alte Fachwerk-Gemäuer stand seit etlichen Jahren leer.

"Lange hätte es nicht mehr gedauert, dann wäre eine Sanierung wohl nicht mehr zu machen gewesen", meint Matthias Hartwig. Er kam wohl noch rechtzeitig. Denn die Mühle hat wieder zu altem Glanz zurück gefunden. Die Hartwigs gingen besonnen vor, um das zu schaffen. "Zuerst haben wir ein Konzept entwickelt und das mit dem Bauamt, und den Denkmalschutzbehörden abgestimmt", erklärt er. Erst als sie wussten, dass ihr Konzept umgesetzt werden kann, kauften sie das Anwesen. Das war im Mai. Seither ist viel passiert.

"Wir mussten ja erst mal das Gebäude freilegen", erinnert Hartwig an den üppigen Wuchs von Bäumen, Sträuchern und Ranken, die so nach und nach vom größten Teil des Bauwerks Besitz ergriffen hatten. Dann begannen die Arbeiten. Das Dach war nicht zu retten. Die neue Eindeckung erfolgte mit Ziegeln, die den fränkischen Rinnenziegeln sehr ähnlich sehen. Die Fenster ließ der Bauherr neu einglasen mit modernem Wärmeschutzglas. So blieben die alten Rahmen erhalten - was den Denkmalschutz freut.

Überhaupt stieß Hartwig mit seinen Vorstellungen zur Wiederbelebung der Mühle bei allen offiziellen Stellen auf offen Ohren. "Wir haben zurückgebaut auf den Stand von 1780", erklärt er. Die Mühle selbst ist älter. In der Chronik, die Rödental zu seiner 800 Jahrfeier erstellen ließ, ist von einer - allerdings nicht gesicherten - Erwähnung im Jahr 1288 die Rede.


In das Bauwerk verliebt

"Sie soll im 30-jährigen Krieg abgebrannt sein. Dann wurde das Fachwerk aufgebaut. Der Sandsteinsockel ist viel älter", sagt Matthias Hartwig. Die Geschichte der alten Mühle lässt ihn nicht gleichgültig. "Man muss ein bisschen verliebt sein, wenn man sich auf so was einlässt", sagt er. "Und man muss die richtigen Handwerker finden", fügt er hinzu und denkt vor allem an die Bau- und Möbelschreinerei Ralf Köhler.

Dort wurden nicht nur die Fenster wieder hergerichtet. Neue Treppen als Maßanfertigung wurden gebraucht, Innentüren, die zum alten Stil passen, wo sie nicht aufbereitet werden konnten. Und dann ist da die Außentür zum Anbau, der früher das Mühlwerk beherbergte. "Ich habe Bilder von alten Mühlen aus Franken und Thüringen gesucht aus der Zeit Ende des 18. und Anfang des 19. Jahrhunderts", erklärt Matthias Hartwig. Nach diesen Vorbildern wurde die Tür neu hergestellt - als Schmuckstück. "Wir haben darauf geachtet, möglichst wenig Chemie ins Haus zu bringen", erklärt der Bauherr. Die Gefache des Gebälks wurden mit Lehmputz restauriert. Als Farben wurden nur natürliche Produkte auf Wasserbasis verwendet und die Wärmedämmung für das Dach besteht aus Holzflusen in Leinensäcken.


Wohnraum für junge Leute

Wenn Hartwig mit der Herrgottsmühle fertig ist, wird sie rund 450 Quadratmeter Wohnfläche bieten. Sie entfallen dann auf drei Dreiraumwohnungen mit 80 bis 120 Quadratmetern und drei Zweiraumwohnungen mit je rund 50 Quadratmetern.

Dazu kommt ein großer Garten, den eine Mauer von einer Biegung des Flüsschens Röden trennt. Es sind ganz bestimmte Menschen, die für so eine Art des Wohnens zu begeistern sind, die modernen Komfort in einer historischen Umgebung bietet. Und es gibt nicht wenige davon. Die ersten Wohnungen sind fast fertig und zum 1. Dezember werden die ersten Mieter einziehen. Weitere Interessenten stehen schon parat, sobald weitere Räume so weit sind.


Bürgermeister freut sich

Es sind vor allem Wohnungen für junge Leute und junge Familien, die hier entstehen. Das freut besonders Rödentals Bürgermeister Marco Steiner (FW). Er ist von dem Projekt überzeugt: "Ich war regelmäßig vor Ort und bin begeistert, wie das historische Gebäude nun in neuem Glanz erscheint. Es ist ein großes Glück für die Stadt Rödental, dass nach dem jahrelang drohenden Verfall ein Käufer - oder besser ein Liebhaber - die Zukunft des Gebäudes gesichert hat." Im Frühjahr soll noch der Garten umgestaltet werden. "Wir wollen mehrere Flächen anlegen, wo man sitzen und im Garten sein kann", sagt Hartwig. Man kann sich schon jetzt vorstellen, wie angenehm es sein wird im Schatten der Bäume an der Rödenbiegung zu sitzen und dem Plätschern des Flüsschens zu lauschen.