So ein Konzert in Coburg hätten die Nazis verboten
Autor: Jochen Berger
Coburg, Dienstag, 01. Februar 2022
Wie das Vogler Quartett gemeinsam mit dem Altsaxofonisten Christian Segmehl eine spannende Begegnung musikalischer Welten gelingt.
Ein solches Konzert-Programm wäre nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten auch und gerade in Coburg undenkbar gewesen. Ein Programm, das (fast) ausschließlich Werke jüdischer oder missliebiger Komponisten umfasste und schließlich - als Krönung - auch noch ein Instrument in den Mittelpunkt stellte, das in der NS-Zeit extrem verpönt war: das Saxofon.
Mendelssohn bis Schulhoff
Konzertabende mit Streichquartetten hat jeder Klassik-Veranstalter im Programm. Konzertabende mit Streichquartett und Saxofon dagegen eher nicht. Damit aber passte das renommierte Vogler-Quartett bei seinem Coburg-Gastspiel gemeinsam mit dem Saxofonisten Christian Segmehl genau in das Interpreten-Profil, das der "Verein" proklamiert. "Bringen Sie mir etwas, das nicht jeder bringt" - so beschreibt Uwe Friedrich seine Anforderungen an die Interpreten.
Das Vogler Quartett, 1985 als Studenten-Quartett in Ost-Berlin gegründet, hatte nicht nur die ungewöhnliche Kombination mit einem Saxofonisten im zweiten Teil im Gepäck, sondern dazu auch eine außergewöhnliche, beziehungsvoll verwobene Programmauswahl - wenige Tage nach dem Gedenktag aus Anlass der Befreiung des Konzentrationslagers Auschwitz: Felix Mendelssohn, Erwin Schulhoff und Adolf Busch.
Mendelssohn, dessen Musik die Nationalsozialisten aus den Konzertsälen vertrieben. Erwin Schulhoff, der 1942 in einem Internierungslager der Nazis und Leben kam. Schließlich Adolf Busch, den keine jüdische Herkunft brandmarkte, der aber als Gegner der NS-Diktatur aus Deutschland emigrierte - sie waren an diesem Abend im Coburger Kongresshaus mit einem außergewöhnlichen Stil-Dreiklang zu hören. Mendelssohns stets klangvolle Frühromantik, Schulhoffs Klang gewordene Experimentierfreude und die üppige Spätromantik von Adolf Busch ergänzten sich im stets spannungsvollen Musizieren des Vogler-Quartetts.
Kann das gelingen?
Besonders bemerkenswert: das nur ein Jahr vor der Machtergreifung der Nationalsozialisten komponierte Quintett für Altsaxofon und Streichquartett von Adolf Busch. Streichquartett und Saxofon - kann das überhaupt harmonieren? Es kann, wie das Vogler-Quartett und Christian Segmehl mit Nachdruck und doch ganz selbstverständlich demonstrierten. Wie sich ein einzelnes Blasinstrument bei Bedarf mühelos gegen ein vereintes Streichquartett behaupten und sich im nächsten Moment ganz dezent und verwandlungsfähig einfügen kann in den Gesamtklang war in diesem Quintett zu erleben.
Dazwischen aber stellte sich Christian Segmehl mit einer außergewöhnlichen Solonummer des australischen Saxofonisten und Komponisten Barry Cockcroft vor. Dessen "Black & Blue" betiteltes Stück zaubert mit einem einzigen Instrument die Imagination einer ganzen Jazzband vor das innere Auge - Schlagzeug inklusive. Faszinierend.
Rund um das Gastspiel im Kongresshaus Rosengarten in Coburg
Vogler Quartett Seit 1985 verfolgt das in Ost-Berlin als Studenten-Quartett gegründete Ensemble in unveränderter Besetzung eine internationale Karriere: Konzerte in Europa, Nordamerika, Japan, Australien und Neuseeland, zwei eigene Kammermusikreihen und die Leitung zweier Festivals, dazu Professuren und Meisterkurse. Das Vogler Quartett musiziert in der Besetzung mit Tim Vogler und Frank Reinecke (Violine), Stefan Fehlandt (Viola) und Stephan Forck Violoncello). Der Saxofonist Christian Segmehl ist Echo-Preisträger.