Druckartikel: "Wir müssen die Reißleine ziehen ..."

"Wir müssen die Reißleine ziehen ..."


Autor: Christoph Böger

Frohnlach, Mittwoch, 20. Mai 2020

... sonst erleiden wir Schiffbruch." Klaus Schillig, bisheriger Hauptsponsor des VfL Frohnlach, sieht keine Chance auf die Fortführung des Spielbetriebs.


Klaus Schillig hat seit dem Tod seines Vaters und großzügigen Mäzens Willi Schillig vor zehn Jahren viel für die "Blau-Weißen" getan. Es gab eine Vereinbarung, die sein Vater zu Lebzeiten unterschrieb. Darin war geregelt, dass die Firma Willi Schillig - wenn auch von Saison zu Saison stetig weniger - weiter Geld in den Klub pumpt. "Außerdem habe ich auch noch mit meinem eigenen Geldbeutel das eine oder andere Loch gestopft", sagt der "junge Schillig". Damit und auch mit den Zuwendungen der Firma ist es jetzt vorbei. Der Geldhahn für den Fußball-Landesligisten VfL Frohnlach ist zugedreht.

Im Show-Room der Firma in Frohnlach klärte Klaus Schillig am Mittwoch bei einer Pressekonferenz über die aktuelle Situation - also über die finanzielle Schieflage des Klubs auf. Bereits am Dienstagabend hatte er ein schweres Gespräch zu führen. Und zwar mit den Spielern, Trainern und Betreuern der Landesliga-Mannschaft.

VfL-Konto ist auf null

Fast alle waren der Einladung ins Willi-Schillig-Stadion gefolgt. "Ich habe ihnen reinen Wein eingeschenkt. Das VfL-Konto ist auf null, wir können ab 1. September kein Geld mehr bezahlen", sagte Schillig. Die Spieler und Trainer bekommen schon seit März keine Aufwandsentschädigungen mehr - der Corona-Krise wegen. Und das haben auch alle Betroffenen akzeptiert. Hier herrschte große Solidarität - gestern gab es dagegen einige kritische Nachfragen.

Schilligs Galgenhumor

Doch Schillig verwies auf die am 19. Juni angesetzte außerordentliche Mitgliederversammlung. Dort ginge es final um die Zukunft des VfL. Die Mitglieder hätten das letzte Wort. "Vielleicht steht ja jemand auf und gibt uns 100 000 Euro oder ich rufe den Scheich von Bahrain an. Dann kann es von mir aus weitergehen." Schilligs Galgenhumor wird wohl nicht besonders gut angekommen sein bei den knapp 20 verblüfften Landesligaspielern. Wie, wann und zu welchen Bedingungen die VfL-Kicker den Verein nun wechseln können, ist noch unklar. Wie so vieles derzeit beim Traditionsklub in den Sternen steht. Der Vorstand mit Ulrich Kossak an der Spitze, der am Mittwoch das Feld seinem Stellvertreter und bisherigen Hauptsponsor Klaus Schillig überließ, spricht von drei denkbaren Varianten.

"Keinen Pfennig Schulden"

Eine davon schließt Schillig aber sofort wieder aus: "Der VfL Frohnlach wird keine Insolvenz anmelden." Um fast im gleichen Atemzug hinterher zuschieben: "So lange mein Vater und ich hier was zu sagen hatten und haben, wird der Verein keinen Pfennig Schulden machen."

Also bleiben noch zwei Varianten: Die Mitglieder sollen darüber entscheiden, ob der Verein fortgeführt wird oder nicht. In knapp vier Wochen - am 19. Juni - wird deshalb im Biergarten des Sportheims abgestimmt. Allerdings nur vielleicht, denn die VfL-Satzung sieht vor, dass ein solch weitreichender Beschluss nur von mindestens Vierfünftel der Gesamtmitglieder getroffen werden darf. Bei derzeit etwa 150 Mitgliedern wären das 120. Eine Dreiviertel-Mehrheit - also etwa 90 - müssten dann für eine Auflösung des Klubs stimmen. "So viel kommen trotz dieser Brisanz eh nicht", weiß Schillig aus Erfahrung und erklärt deshalb gleich das weitere Prozedere: Der VfL müsse zu einer weiteren Versammlung laden. Dann reiche die absolute Mehrheit der anwesenden Mitglieder für eine Entscheidung. "Und darauf läuft es hinaus."

Was die Betroffenen dann allerdings beschließen, will Schillig nicht prophezeien. Vielleicht gehe es ja weiter, schließlich gibt es beim VfL nicht nur die Herren-Mannschaft, sondern auch noch drei Schüler-Teams. Vielleicht schafft es der Traditionsverein ja, eine Freizeittruppe auf die Beine zu stellen, die für lau in der untersten Klasse kickt. Viel sei möglich und denkbar, aber letztlich, so Schillig mit frustriertem Unterton in der Stimme, ginge es doch immer und einzig um die Frage: "Wo kommen die Gelder her, wer bezahlt das alles?"

1000 Euro von jedem Mitglied?

"Selbst wenn wir das Fünffache des Mitgliedsbeitrags abkassieren würden - und das dürften wir laut unserer Satzung - reicht die Kohle vorne und hinten nicht", sagt der bisherige Hauptsponsor. Rund 64 Euro bezahle ein Erwachsener derzeit im Jahr Beitrag.

Auch über eine Umlage wurde im Vorstand und mit Juristen diskutiert. "Wenn jedes Mitglied bereit wäre, 1000 Euro zu spenden, wäre uns kurzfristig zwar geholfen, und wir könnten die Saison überbrücken. Doch wie geht es dann nächstes Jahr weiter?", fragt Schillig. Also kommt auch diese Möglichkeit nicht infrage.

Für Schillig bleibt deshalb keine Wahl: "Wir müssen jetzt und hier die Reißleine ziehen. Es geht einfach nicht mehr, sonst erleiden wir totalen Schiffbruch." Außerdem hafte der Vorstand. Der Gefahr einer Insolvenz-Verschleppung wolle sich beim VfL keiner aussetzen.

Vor allem "zwei Hämmer", wie es Schillig drastisch formuliert, sind ausschlaggebend für die aktuelle Schieflage. Ein Vier-Jahres-Vertrag mit einem großen Sponsor laufe aus und wurde nicht mehr verlängert. Außerdem hätte Corona den Planungen einen dicken Strich durch die Kalkulation gemacht: "Wir waren Ende Dezember, Anfang Januar mit einem Großsponsor vertragseinig, doch jetzt hat das Unternehmen wegen der herrschenden Wirtschaftskrise einen Rückzieher gemacht." Schillig hegt keinen Groll, er hat dafür vollstes Verständnis: "Wir können auch nicht in Tschechien und Rumänien die Werke schließen und hier in Frohnlach die Leute entlassen. Auf der anderen Seite aber in den Fußball investieren. Das geht eben in diesen schweren Zeiten nicht. Der Stoschek macht nichts anderes, der kürzt beim Basketball in Bamberg auch."

Und nicht zu vergessen sei in diesem Zusammenhang der überraschende Rückzug der Firma Stechert vor ein paar Jahren: "Das war ein richtiger Stich ins VfL-Herz", trauert Schillig dem Tod von Gönner Franz Stegner nach.

KOMMENTAR von Christoph Böger Von großen Fußstapfen, Krokodilstränen und blau-weißem Blut In der Küche von Klaus Schillig hängt das Konterfei seines verstorbenen Vaters Willi. Es ist ein schwerer Moment für den Sohn, als er am Dienstagfrüh davor tritt und beichtet: "Papa, es tut mir leid. Ich habe alles versucht, aber es geht nicht anders. Wirklich nicht ..."

Höchstwahrscheinlich hat der 59-Jährige dabei sogar Tränen in den Augen. Denn auch am Mittwoch fällt es ihm schwer, Tacheles zu reden. Der Unternehmer ringt um Worte und hat feuchte Augen, als er beim Gespräch mit Journalisten die aus seiner Sicht aussichtslose Lage des VfL Frohnlach schildert. Es sind keine Krokodilstränen - dieser Mann hängt am Klub. Nicht so wie sein fußball-verrückter Vater, dem nachgesagt wurde, dass blau-weißes Blut in seinen Adern floß, aber trotzdem ...

Man nimmt Klaus Schillig die Betroffenheit ab. Egal was die Mitglieder entscheiden, für ihn ist beim VfL Frohnlach Schluss. Er ist sich bewusst, wie unpopulär dieser Weg ist, doch der Totengräber des einst so ruhmreichen VfL Frohnlach ist er deshalb nicht. Gut, die Fußstapfen, die ihm sein Vater hinterließ, waren groß, letztlich zu groß.

Doch immerhin hat Klaus Schillig das Erbe des fußball-besessenen Willi Schillig zehn Jahre fortgeführt. Darauf kann er stolz sein. Aber vor allem kann er aufrecht und ehrlich in seiner Küche stehen, wenn er heute am Vatertag dem Porträt seines Vaters gegenübertritt. Denn: "Papa, es tut mir leid. Ich habe alles versucht, aber es geht nicht anders. Wirklich nicht ..."

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