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Mord-Prozess Beiersdorf: Wieder ein paar Puzzleteile mehr


Autor: Ulrike Nauer

Coburg, Dienstag, 19. April 2016

Am Landgericht Coburg wurde am Dienstag der Prozess gegen vier Angeklagte fortgesetzt. Sie sind für den Tod von Wolfgang R. verantwortlich.
Peter G. (links) mit seinem Anwalt Stefan Walder. Das Foto entstand beim Prozessauftakt. Foto: Ronald Rinklef


Peter G. und Paul K. haben in der Nacht zum 12. Dezember 2013 Wolfgang R. in seinem Haus in Beiersdorf derart heftig verprügelt, dass der 66-Jährige kurz nach der Tat an den Folgen starb. Der Bundesgerichtshof hob den Richterspruch vom Februar 2015 auf, nach dem die Männer wegen Totschlags verurteilt wurden. Jetzt muss neu entschieden werden, ob der Tod des einstigen Orchestermusikers nicht doch Mord war.

Dienstag, dritter Verhandlungstag: Heute steht unter anderem das Leben des Angeklagten Peter G. im Mittelpunkt. Mehrere Bekannte, mit denen der 47-Jährige hin und wieder seine Freizeit verbrachte, beschreiben ihn ganz ähnlich: als "lustigen Typen", als "hilfsbereiten, guten Kollegen". Einer der Zeugen räumt auf Nachfrage ein, er habe einmal erlebt, dass G. "zulangte", als er einen renitenten Gast aus einer Kneipe geworfen habe, "aber nicht in solchen Dimensionen" wie in Beiersdorf.

Aggressiv oder gar brutal hätten sie den 47-Jährigen nie erlebt, selbst dann nicht, wenn er getrunken hatte. Und getrunken wurde offenbar viel - meistens "Jacky-Cola", bei Treffen des Motorradclubs, auf der Weihnachtsfeier, im Clubhaus, wie den Aussagen zu entnehmen ist. Drogen allerdings seien verboten gewesen, so betont ein weiterer Weggefährte der beiden Angeklagten. "Auf Clubebene geht das gar nicht, wer Drogen nimmt, fliegt raus!"
Ein weiterer Zeuge, der Peter G. schon seit seiner Kindheit kennt - er ging mit G.s Bruder zur Schule - beschreibt den Angeklagten als Menschen, der "immer von heute auf morgen gelebt hat". Was das Thema Arbeit anging, sei es ihm vorgekommen, als als ob der 47-Jährige nie richtig Interesse daran gehabt habe. Ehrgefühl dagegen sei Peter G. nach der Einschätzung des Zeugen wichtig gewesen. "Wenn es gegen seine Familie ging, ist er schon in Verteidigungsposition gegangen."
Ein wenig ähnelt die Verhandlung am Dienstag einem Puzzlespiel, wobei manche Teile nicht so recht ins Bild passen wollen oder nicht wirklich Erhellendes zur Gesamtansicht beitragen können. Manche Zeugen, wie die beiden Polizeibeamten, die den Anrufbeantworter des Opfers abgehört haben (die Kassette war leer!) beziehungsweise das Auto von Paul K. in Veilsdorf abschleppen ließen, sind nach wenigen Minuten schon wieder entlassen. Bei anderen Zeugen dauert es länger. Immer wieder müssen die Richter in den Akten blättern und die Aussagen der Zeugen vorlesen, die diese im Dezember 2013 bei der Polizei gemacht haben. Die meisten geben an, sich nach den zweieinhalb Jahren einfach nicht mehr so genau an Details erinnern zu können. Eine Bekannte von Peter G. hat den Angeklagten am Tag nach der Tat in ihrem Tattoo-Studio getroffen. G. ließ sich von ihr eine Tätowierung am Hals stechen. "Er war so wie immer. Er hat nichts darüber erzählt, was sie in der Nacht vorher gemacht haben." Seine Ehefrau dagegen habe ihr nach der Tat "wilde Stories" darüber erzählt, "was die Jungs angestellt haben". Ja, sie habe ihr sogar gestanden, dass "die beiden das waren in Beiersdorf und dass das von langer Hand geplant war".


Die Tatnacht im "Clou"

Neue Erkenntnisse erhoffte sich das Gericht auch von mehreren Zeugen, die in den Stunden vor der Tag zu Gast im "Clou" waren, jener Bar, die Maria S. und Helmut S. gemeinsam betrieben hatten. Doch den Männern war nichts Ungewöhnliches aufgefallen - sei es, weil sie die Kneipe lange vor Mitternacht schon wieder verlassen hatten, sei es, weil sie selbst nicht mehr nüchtern waren. Lediglich ein Zeuge will bemerkt haben, dass Maria S., die Lebensgefährtin des Opfers, anders als sonst gewesen sei: "Bedrückt, nachdenklich, grüblerisch. Man hat sie auch nicht so oft gesehen" sagt der damalige Stammkunde. Sonst sei sie ihm gegenüber immer "lustig" gewesen.
Über den einen Antrag der Verteidigung ist noch gar nicht entschieden (Befangenheitsantrag gegen Richterin Ulrike Barausch), da folgten schon die nächsten: Unter anderem will Felix Leyde, der Anwalt von Helmut S., seinen Mandanten dahingehend untersuchen lassen, ob er nicht als "dauerhaft verhandlungsunfähig" eingestuft werden könne. Helmut S. leidet erwiesenermaßen an Leberzirrhose und diversen anderen Krankheiten. Nun wird der 59-Jährige vor Prozessbeginn am kommenden Freitag, 22. April, medizinisch untersucht.
Überprüft werden soll auch, ob - wie schon im ersten Prozess - ein Ortstermin in Wolfgang R.s ehemaligem Wohnhaus in Beiersdorf möglich ist. Der Termin um Mitternacht wurde seinerzeit anberaumt, um wichtige Erkenntnisse über die Lichtverhältnisse zur Tatzeit zu liefern. Das Problem: Das Haus ist inzwischen verkauft. Ohne die Zustimmung der neuen Eigentümerin ist eine Besichtigung nicht möglich.