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Wie weit geht die Erniedrigung?


Autor: Dr. Carolin Herrmann

Coburg, Dienstag, 24. Mai 2016

Absoluter Kampf um Top-Positionen in der Wirtschaft.: Alice Asper inszeniert am Landestheater Coburg Jordi Galcerans Stück "Die Grönholm-Methode".
Absoluten Siegeswillen zeigen und dabei Mensch bleiben? Im "Assessment-Center" geht es zur Sache: Szene mit Anne Rieckhof, Niklaus Scheibli, Nils Liebscher und Thorsten Köhler.  Foto: Andrea Kremper


Sie wundern sich, dass Manager von großen und kleinen Unternehmen weltweit zunehmend allenfalls noch vor Leichen zurückschrecken? Dass bei allem schicken Gerede von Nachhaltigkeit, sozialer Verantwortung, regionaler Verankerung faktisch nur eines zählt: Cash, die Börsennotierung? Wie schnell jungdynamische Unternehmensleiter vom Status des Wunder versprechenden Gurus zum geschassten Noname werden? Wie andererseits offensichtliche Drecksäcke unverrückbar in den einflussreichsten Positionen bleiben?
Schauen Sie sich die "Grönholm-Methode" an, mit der heutzutage an durchaus - für die globale wirtschaftliche oder auch sonstige Entwicklung - entscheidenden Stellen Führungspersonal ausgewählt wird, dann dürfte Ihnen manches verständlicher werden. Dann dürfte Ihnen auffallen, wie naiv mittlerweile die moralischen Grundsätze sind, die man Ihnen noch beigebracht hat.


Die "Grönholm-Methode" nennt der katalanische Autor Jordi Galceran in seinem mittlerweile in 30 Sprachen übersetzten und an zahlreichen Theatern inszenierten Schauspiel das Verfahren, Spitzenpositionen in multinationalen Konzernen zu besetzen.
Das Landestheater Coburg kündigt für die letzte Schauspielproduktion der Saison im Großen Haus "ein intelligentes, zeitgenössisches Schauspiel" an, "das zugleich ein sarkastischer Kommentar auf die Ellenbogenmentalität unserer Gesellschaft ist und den Zuschauer mit einer Fülle unerwarteter Wendungen überrascht - und bis zuletzt spannend bleibt wie ein Psychokrimi". Premiere ist am Samstag.
Grönholm, der Chefpsychologe eines Konzern, hat ein ausgeklügeltes System von Psychotests entwickelt, mit der die Kandidaten für die Top-Position an den Rand ihrer Möglichkeiten gebracht werden. Im Assessment-Center entbrennt ein rücksichtsloser Kampf, in dem die vier Bewerber nicht nur um die Position, also um viel Macht und Geld, sondern zwangsweise auch um ihre eigene Integrität kämpfen.Wie weit geht der einzelne unter bestimmten Bedingungen? Wenn er sich als der ideale Manager beweisen soll, als dominant, entscheidungsfähig, kreativ, effizient bis ins Letzte auch unter größtem Stress.


Unbegrenzte Kampfzone

Jan Geigers Stück "Kow Loon", vor einem Jahr in der Reithalle uraufgeführt, zielte in ähnliche Richtung:Was machen die Gesetze des Marktes und der heutigen Wirtschaftswelt mit dem einzelnen Menschen? Eine unglaubliche "Ausweitung der Kampfzone" sei mittlerweile erfolgt, urteilte Geiger bei der Beschäftigung mit dem Thema, über das sich unser gesellschaftliches Zusammenleben derzeit nachhaltig zu verändern scheint.
Packend inszeniert hatte Gastregisseurin Alice Asper. Die nun erneut auf diesem Feld aktiv werden durfte. Mit dabei ist auch wieder der Bamberger Künstler und Bühnenbildner Karlheinz Beer. Nun auf der großen Bühne wollen die beiden die Verlorenheit des einzelnen in besonderem Maße deutlich werden lassen, dass er der nicht fassbaren, aber omnipräsenten und omnipotenten "Firma", einem übermächtigen System ausgeliefert ist. Galcerans spannendes Stück zeige, wie sich Menschen einem unmenschlichen System überlassen, so die Regisseurin, das noch nicht einmal Sicherheit bietet, wie die zurückliegenden Finanzkrisen gezeigt haben.

Die Produktion Landestheater Coburg: "Die Grönholm-Methode", Schauspiel von Jordi Galceran. Inszenierung Alice Asper, Ausstattung Karlheinz Beer. Darsteller: Thorsten Köhler, Niklaus Scheibli, Anne Rieckhof, Nils Liebscher. Premiere am Samstag, 28. Mai, um 19.30 Uhr, Großes Haus.

Jordi Galceran Ferrer, geboren 1964 in Barcelona, studierte katalanische Philologie an der Universität Barcelona. Er schreibt sowohl auf Katalanisch als auch auf Spanisch und erhielt für seine Dramen zahlreiche Auszeichnungen. Neben seiner Tätigkeit als Dramatiker ist Galceran auch als Übersetzer und Journalist tätig. Galceran veröffentlicht seit 1994, seinen internationalen Durchbruch erlebte er mit dem Drama "Die Grönholm-Methode" (2003). Unter dem spanischen Titel "El método" wurde das Stück in der Regie von Marcelo Piñeyro 2005 auch verfilmt. 2002 schrieb Galceran mit Albert Guinovart ein Musical über Antonio Gaudi, außerdem schreibt er Episoden für Soap Operas des spanischen Fernsehens.

Die Regisseurin Alice Asper wurde 1972 in Münster geboren, studierte englische Sprache, Literatur und Kultur sowie Germanistik in Bochum und Hamburg. Bereits während ihres Studiums absolvierte sie zahlreiche Hospitanzen und Regieassistenzen, unter anderem bei Frank-Patrick Steckel und Robert Wilson am Schauspielhaus Bochum, am Kölner Schauspielhaus und am Stockholmer Staatstheater.
Von 2000 bis 2005 war sie als Regieassistentin am Staatstheater Nürnberg engagiert, wo sie auch bereits mehrfach selbstständig inszenierte. Seither ist Alice Asper als freie Regisseurin tätig.

Der Ausstatter Der Künstler und Bühnenbildner Karlheinz
Beer wurde 1953 in Amberg geboren. Er lebt in Bamberg und Venedig. Beer trat seit 1983 zunächst als Maler, später auch mit dreidimensionalen Arbeiten und Skulpturen hervor. Zahlreiche Ausstellungen im In- und Ausland. Seit 1982 schuf Beer auch Bühnenräume und Kostüme für Schauspiel und Oper. Werke Karlheinz Beers befinden sich in öffentlichen und privaten Sammlungen (zum Beispiel in der Bayerischen Staatsgemäldesammlung). Beer hat in Coburg auch die Ausstattungen zu "Der Vorname" und zur Ballettproduktion "Peer Gynt" gestaltet.