Druckartikel: Wie morbide wird "Coburg liest"?

Wie morbide wird "Coburg liest"?


Autor: Dr. Carolin Herrmann

Coburg, Mittwoch, 21. Februar 2018

Das Programm der 15. Coburger Literaturtage ist österreichisch und überrascht. Heuer gibt es auch wieder einen Lyrik-Abend - mit Jan Wagner.
FranzobelDirk Skib a


Österreich ist stark, literarisch stark vertreten bei den 15. Coburger Literaturtagen. Neben dem Stargast Franzobel, dem internationalen Kracher sozusagen, sind auch zwei interessante Debütantinnen aus dem Alpenland angekündigt. Wie morbide, humoristisch, hinterhältig-tiefsinnig, also österreichisch das Programm tatsächlich wird, ist vom 21. bis 27. April in der Veste-Stadt zu erforschen.
Bemerkenswert bleibt, dass die literarisch geballte, in der Region renommierte und beliebte Veranstaltungsreihe nach wie vor von einem losen Zusammenschluss von Coburger Institutionen und engagierten Privatleuten gestemmt wird, von der Buchhandlung Riemann über den Literaturkreis bis zur Volkshochschule.
"Unbedingt mal wieder Lyrik" sollte es in diesem Jahr geben, und auch da hat man tatsächlich einen derzeit ganz herausragenden, prominenten Autor gewinnen können, Jan Wagner. Der vielseitige Büchner-Preisträger hat als erster Lyriker überhaupt 2015 für seine "Regentonnenvariationen" den Preis der Leipziger Buchmesse erhalten und diese dann sage und schreibe 40 000 Mal verkauft.
Neu sind die Anfangszeiten: Mit Ausnahme des Roman-Marathons beginnen alle Veranstaltungen bereits um 19.30 Uhr.

Roman-Marathon Den Auftakt geben am Samstag, 21. April, um 19 Uhr in der Reithalle Ingrid Kaltenegger, Simon Strauß und Irene Diwiak. Zunächst stellt Ingrid Kaltenegger ihr Romandebüt "Das Glück ist ein Vogerl" vor. Es handelt sich um eine charmant-verschrobene Komödie um den Gitarrenlehrer Franz, der in einer Lebenskrise steckt. Eines Tages gerät er in einen Autounfall, bei dem ein alter Mann umkommt. Dieses Unfallopfer - Egon - taucht in der Folge als Geist immer wieder auf, bis Franz ihm verspricht, ihn zu seiner Jugendliebe zu bringen.
Ingrid Kaltegger, in Salzburg geboren und aufgewachsen, ist Schauspielerin und Drehbuchautorin. Sie lebt in Köln.
Auch Simon Strauß, Sohn des Dramatikers Botho Strauß, stellt sein Romandebüt vor, "7 Nächte". Darin erzählt Strauß von einem jungen Mann, der Angst davor hat, sich entscheiden zu müssen und erwachsen zu werden. Auf Empfehlung eines Bekannten will er jeden Tag einer der sieben Todsünden begehen, damit ihm seine Gefühle nicht abhanden kommen.
Simon Strauß, 1988 in Berlin geboren, lebt in Frankfurt und ist seit 2016 Redakteur im Feuilleton der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung".
Irene Diwiak legte im letzten Jahr mit "Liebwies" ihren Debütroman vor - eine, so die Kritik, "herrlich bösartige Geschichte über falschen Glanz, die Gier nach Ruhm - und wahre Schönheit, die mit alldem nichts zu tun hat". Sie spielt in den zwanziger Jahren des letzten Jahrhunderts, ein Musikexperte verliebt sich eine junge Frau und will diese, obwohl total unbegabt, zu einem Star in der Musikszene aufbauen. Es wird grotesk. Irene Diwiak wurde 1991 in Graz geboren und hat vor "Liebwies" bereits Hörspiele, Theaterstücke und Erzählungen veröffentlicht.
Musikalisch umrahmt wird der Roman-Marathon von dem Blues-Gitarristen Rainer Brunn.

Lyrik An einem für die Literaturtage neuen Ort erwartet die Literaturliebhaber am Montag, 23. April, der Lyriker Jan Wagner, bei Leise am Markt. Von Wagner, im vergangenen Jahr mit dem Georg-Büchner-Preis ausgezeichnet, sind im vergangenen Herbst gleich drei Bücher erschienen: der Gedichtband "Selbstporträt mit Bienenschwarm", "Der verschlossene Raum", ein Buch mit Essays und Vorträgen über Lyrik und - als Mitherausgeber neben Tristan Marquardt - eine Anthologie von neu übersetzten Minnesangliedern: "Unmögliche Liebe". Jan Wagner wurde 1971 in Hamburg geboren. Er ist als freier Schriftsteller, Herausgeber und Übersetzer tätig.
Musikalisch umrahmt wird der Abend von Kyoko Frank, Klavier, und Philipp Grzondziel, Klarinette.

Kunst und Literatur Am Dienstag, 24. April, stellt Florian Illies im Kunstverein sein neues Buch "Gerade war der Himmel noch blau - Texte zur Kunst" vor. Darin versammelt er zentrale Texte aus 25 Jahren. Florian Illies, geboren 1971, war Feuilletonredakteur der "FAZ", der "Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung" und später Mitbegründer und Herausgeber der Kunstzeitschrift "Monopol". 2008 wechselte er zur "Zeit" und ist jetzt Partner des Berliner Auktionshauses "Villa Grisebach". Illies ist Autor der Bestseller "Generation Golf" und "1913 - Der Sommer des Jahrhunderts". Der Clou: Moderator des Abends wird Illies Bruder Christian sein, der in Coburg lebt und als Philosophieprofessor an der Bamberger Uni wirkt.

In den Häusern der Stadt heißt es am Mittwoch, 25. April. Zum elften Mal öffnen Coburger Bürgerinnen und Bürger ihre Wohnungen für Lesungen mit Ensemblemitgliedern des Landestheaters. Zum gemeinsamen Ausklang steht ab 20.30 Uhr der Große Saal im Münchner Hofbräu zur Verfügung. Ab Mitte März veröffentlicht das Landestheater Genaueres zum Programm.

Autoren-Gala An neuem Ort findet am Freitag, 27. April, auch die Autoren-Gala statt. Im Foyer der Wohnbau Stadt Coburg, Mauer 12, dem früheren Modehaus Matzer & Worsch, stellt der österreichische Schriftsteller Franzobel seinen Roman "Das Floß der Medusa" vor, mit dem er auf der Shortlist des Deutschen Buchpreises stand. Franzobel vermischt darin historische Fakten vom Untergang der französischen Fregatte Medusa aus dem Jahr 1816 mit fiktiven Ereignissen und scheut dabei nicht vor der Schilderung grauenhafter Szenen zurück. Zu ihnen kommt es, nachdem das Schiff auf einer Sandbank gestrandet ist. 147 der 400 Frauen und Männer werden wegen der nicht ausreichenden Zahl an Rettungsbooten auf ein schnell gezimmertes Floß verfrachtet, auf dem es zu einem Überlebenskampf aller gegen alle kommt. Nichts für Zartbesaitete, sagen die Testleser von "Coburg liest", dazu.
Franzobel, geboren 1967, ist einer der populärsten österreichischen Schriftsteller. Er ist vielfach ausgezeichnet, allein für "Das Floß der Medusa" erhielt er 2017 den Bayerischen Buchpreis und den Nicolas Born-Preis. as/C.H.


Karten zu "Coburg liest" gibt es im Vorverkauf in der Buchhandlung Riemann. Sie kosten für den Roman-Marathon 18 Euro und für die anderen Veranstaltungen jeweils 12 Euro. An der Abendkasse kosten die Karten 25 und 15 Euro. Schüler- und Studentenkarten kosten 10 und 5 Euro.
Der Vorverkauf für "Literatur in den Häusern unserer Stadt" findet nur an der Kasse des Landestheaters statt, die Karten kosten 7 Euro, für Schüler und Studenten 5 Euro.
Weitere Informationen über "Coburg liest!" gibt es im Internet unter www.coburgliest.de.