Wie der Krieg auch viele Hoffnungen zerstört
Autor: Oliver Schmidt
Coburg, Montag, 07. März 2022
Hans Michelbach hat viele Kontakte in die Ukraine. Er schwärmt vor allem von den jungen Leuten, die er "auf einem guten Weg" gesehen hat - doch an der Uni steht jetzt plötzlich etwas anderes auf der Tagesordnung
Hans Michelbach hat sich in den vergangenen mehr als 20 Jahren schon mit vielen wichtigen Menschen aus der Ukraine getroffen und ausgetauscht. Zum Beispiel mit Vitali Klitschko, dem Bürgermeister von Kiew, oder mit Andrij Melnyk, dem ukrainischen Botschafter in Deutschland. Doch wenn man in diesen Tagen mit dem ehemaligen Coburger Bundestagsabgeordneten spricht, erzählt er als Erstes von den Gesprächen und Begegnungen, die er zuletzt auch immer wieder mit jungen Menschen aus dem osteuropäischen Land hatte - und die für ihn mit großen Hoffnungen verbunden waren. "Die jungen Leute sind sehr motiviert und bildungshungrig", erzählt Hans Michelbach. Fast alle würden die englische Sprache lernen, und in den vergangenen Jahren seien speziell im IT-Bereich etliche Start-ups gegründet worden. Michelbach bringt es auf den Punkt: "Man konnte es regelrecht spüren: Sie waren auf einem guten Weg!"
Helmut Kohl hatte eine Bitte
Aber jetzt? Herrscht Krieg. "Mir blutet das Herz", sagt Hans Michelbach im Gespräch mit dem Tageblatt ganz offen. Er berichtet von einem Telefonat mit dem Präsidenten der Universität von Kiew: "Er hat mir erzählt, dass etliche seiner Studenten zum Militär eingezogen wurden. Und die, die noch an der Uni sind, bauen jetzt Molotowcocktails..."
Zur Universität in der ukrainischen Hauptstadt pflegt Hans Michelbach bis heute sehr enge Kontakte. Wohl auch deshalb, weil mit der Uni zwei sehr wichtige Ereignisse in Michelbachs Abgeordnetenlaufbahn verbunden sind: Am 8. Mai 2005 hielt er dort eine Rede zum 60. Jahrestag des Ende des 2. Weltkriegs. 2006 bekam Michelbach von der Universität Kiew die Ehrendoktorwürde verliehen - eine solche Auszeichnung hat bis heute kein anderer Nicht-Ukrainer mehr bekommen.
Ehrendoktorwürde
Doch Hans Michelbach will jetzt gar nicht groß über diesen Titel sprechen, der korrekt ausgeschrieben "Dr. h. c. (Univ Kyiv)" lautet. Stattdessen ist es ihm ein Bedürfnis, davon zu erzählen, welch schwierige Zeit die Ukraine bereits hinter sich hat, und warum es ihn jetzt so schmerzt, dass Putin alles zerstören will.
1991 war es, als sich die Ukraine von der UdSSR lossagte und ihre Unabhängigkeit erklärte. In den Folgejahren wurde - wie für fast jedes andere Land auch - eine Parlamentariergruppe im Deutschen Bundestag gebildet. "Auf Bitten des damaligen Bundeskanzlers Helmut Kohl bin ich Mitglied dieser deutsch-ukrainischen Parlamentariergruppe geworden", erinnert sich Hans Michelbach. Von 1998 bis 2005 war er sogar deren Vorsitzender. Durch diesen Posten erlebte er auch die "orangene Revolution" Ende 2004 hautnah mit. Doch die Freude über den vermeintlichen Erfolg der Revolution war auch bei Michelbach nur von kurzer Dauer: "Selbst, als Wiktor Juschtschenko dann doch zum Präsidenten erklärt wurde, hatten noch immer die Oligarchen das Sagen im Land. Das war sehr frustrierend."
Deutsch-Ukrainische Gesellschaft für Wirtschaft und Wissenschaft gegründet
Wenig später zog sich Hans Michelbach vom Vorsitz der deutsch-ukrainischen Parlamentariergruppe zurück. Gleichzeitig gründete er zusammen mit einigen Mitstreitern die Deutsch-Ukrainische Gesellschaft für Wirtschaft und Wissenschaft (DUGWW). Im Mittelpunkt deren Arbeit steht bis heute unter anderem eine enge Partnerschaft und ein regelmäßiger Austausch zwischen den Universitäten von Mainz und Kiew.
2014, als Janukowytsch wieder an der Macht und somit auch die Erfolge der orangenen Revolution längst dahin waren, kam es mit dem Euromaidan zum nächsten Aufstand. Im selben Jahr wurde auch Vitali Klitschko zum Bürgermeister von Kiew gewählt. Ein ehemaliger Profi-Boxer als Politiker? "Ja, er ist ein sehr intelligenter Mann", sagt Michelbach. 2018 konnte er ihn als Redner für den Neujahrsempfang der Mittelstandsvereinigung in Berlin gewinnen. "Das war eine eindrucksvolle Begegnung!"