Druckartikel: Wertvolle Erinnerungen - Als der Krieg nach Rodach kam

Wertvolle Erinnerungen - Als der Krieg nach Rodach kam


Autor: Redaktion.

Bad Rodach, Mittwoch, 23. Juli 2014

Dem ehemaligen Stadtkämmerer Ferdinand Berner ist es zu verdanken, dass im Stadtarchiv jede Menge Erinnerungen aus der Zeit des Ersten Weltkrieges erhalten geblieben sind.
Foto: Karl


Außen ein schwarzer, abgegriffener Einband und innen jede Menge Zeitgeschichte zum Anfassen. Am 1. August 1914, kurz nach dem Eintreffen des Mobilmachungsbefehls in Rodach um 18.15 Uhr am Abend: Stadtkämmerer Ferdinand Berner nimmt zum ersten Mal den Füllfederhalter mit der schwarzen Tinte in die Hand. Von nun an wird er in den folgenden vier Kriegsjahren die Geschehnisse in seiner Heimatstadt in mehreren Tagebüchern nahezu hingebungsvoll festhalten.

Berner sammelt Zeitungsausschnitte, Feldpostbriefe aus aller Herren Länder und dokumentiert anhand von detaillierten Zeichnungen die Grabstätten von Rodacher Soldaten, die in fremder Erde ihre letzte Ruhe gefunden haben.

Es ist spannende Rodacher Geschichte, die h hier in verstaubten Notizbüchern zu lesen ist.

"Kein Mensch glaubte an einen Krieg", notiert der Stadtkämmerer noch im August 1914, während in Rodach eilig Kriegstrauungen vorbereitet, Pferde auf ihre Kriegstauglichkeit geprüft und zahlreiche Abschiedsgottesdienste für die Soldaten abgehalten werden. Doch die Kriegsmaschinerie ist nicht aufzuhalten. Es dauert nicht lange, und die Auswirkungen zeigen sich auch im beschaulichen Rodach immer deutlicher: Bereits im September des ersten Kriegsjahres wird von stillstehenden Fabriken berichtet, das Handwerk ist ohne Beschäftigung.
Die Einwohner verfolgen die Ereignisse auf den Kriegsschauplätzen mit großem Interesse. Jeden Morgen werden die Nachrichten an einer schwarzen Tafel angeschlagen, bei jedem größeren Sieg die Kirchenglocken geläutet und das Rathaus beflaggt. "Fast in jedem Hause lag die Landkarte auf, um täglich die Stellungen u. Bewegungen der Truppen feststellen zu können", notiert der Stadtkämmerer in einer Monatsrückschau.

Die Krieger im Feld werden indes unermüdlich unterstützt: Schulmädchen stricken Strümpfe und nähen Oberhemden, die dann als Liebesgaben über das Rote Kreuz an die Soldaten geschickt werden. Geldsammlungen gehen monatlich von Haus zu Haus. Ein jeder packt mit an, auch wenn der Krieg längst auch an der Heimatfront angekommen ist.

Die zahlreichen Feldpostbriefen, die Ferdinand Berner in seine Tagebücher überträgt, berichten von den Schrecknissen des Krieges: "Granatsplitter flogen umher wie Kiesel beim Hagelschlag, zugleich ließ sich auch das Rattern der feindlichen Maschinengewehre vernehmen und das geheimnisvolle Pfeifen der Maschinengewehr- und Infanteriegewehrgeschosse", schreibt ein Soldat nach einem schweren Gefecht. Er informiert sogleich darüber, welche Rodacher all dies mit ihm erleben mussten - verwundet, gefallen oder gefangen genommen, diese Nachrichten werden von den Familien in der Heimat mit banger Sorge erwartet.

Für die Nachwelt dokumentiert Ferdinand Berner diese Dinge sehr genau; in den umfangreichen Büchern finden sich rührende Todesanzeigen ("Nun haben auch wir unser Kriegsopfer gebracht"), Nachrichten über Ordensverleihungen und Geldspenden ("Zum Besten des Roten Kreuzes sind im Pfarrhause eingegangen...") und natürlich die - ebenfalls öffentlich bekannt gegebenen - "Verluste" der Stadt. Alleine drei Bände der Tagebücher befassen sich mit den Personalien der Feldzugsteilnehmer und deren Schicksal: Art der Verwundungen, Lazarettaufenthalte, nach dem "Heldentod" auf dem Soldatenfriedhof zur letzten Ruhe gebettet - all dies geht aus den sorgsam geführten Notizbüchern hervor.

Überlegungen darüber, welchen Zweck Ferdinand Berner mit seiner Dokumentation verfolgt hat, bleiben Mutmaßungen. Wohl war im August des Jahres 1914 auch noch nicht abzusehen, welch tragischen Verlauf dieser erste technisierte Massenkrieg nehmen würde. Als Motivation des Stadtkämmerers kann daher nur unterstellt werden: Die (Lebens-) Geschichten der Rodacher Soldaten und ihrer Familien sollten den nachfolgenden Generationen gleichermaßen zur Erinnerung als auch zur Mahnung dienen. Steffi Karl