Wer möchte ein Gemeindezentrum
Autor: Rainer Lutz
Untersiemau, Freitag, 04. Februar 2022
Als wir uns zum ersten Mal begegneten war das Jugendzentrum der Stolz der Kirchengemeinde. Jetzt sind wir beide um einiges älter geworden.
"Nehmen Sie ihre Kamera mit. Und dann schau'n wir halt mal, was Sie mitbringen", sagte Roland Schwämmlein. Er war der Leiter der Landredaktion im Coburger Tageblatt, damals 1987. Es waren Semesterferien und der "Landchef" hatte wohl nicht allzu hohe Erwartungen in das, was der Student und Praktikant von seinem allerersten Termin für die Zeitung mitbringen würde. Der Student war ich, und tatsächlich erinnere ich mich noch ganz genau, wo es hin ging. Ich sollte über die Kinderbibelwoche im Jugendzentrum in Untersiemau berichten. Fast 35 Jahre später stehe ich wieder vor dem Gebäude. Es ist das zweite Mal in all den Jahren. Hinein kann ich diesmal nicht. Das Haus steht zum Verkauf. Ein Umstand, der über das Älterwerden nachdenken lässt.
Nachdenken werden derzeit wohl auch viele in Untersiemau. Generationen dürften Erinnerungen haben an Veranstaltungen, Treffen, Übungsstunden und wohl auch an ein paar Kinderbibelwochen. Jetzt stellt sich die Frage, was aus dem Gemeindezentrum werden mag. Noch ist kein Käufer gefunden.
Hohe Betriebskosten
2015 wurde dort noch modernisiert. Doch die evangelische Kirchengemeinde muss aufs Geld schauen. "Der Unterhalt war für die Gemeinde nicht mehr zu stemmen", sagt Rainer Mattern, der als Geschäftsführer des Kirchengemeindeamtes Coburg für die Immobilien zuständig ist. Es wäre eine energetische Sanierung erforderlich. Unter den Angaben zum Objekt findet sich bei der Immobilienanzeige ("Gewerbeimmobilie mit viel Potenzial für unterschiedlichste Nutzungen") eine Angabe zum Energieverbrauch: 8,6 kWh je Quadratmeter und Jahr. Die drei Etagen mit jeweils getrennten Eingängen bringen es auf 843 Quadratmeter Nutzfläche. Daraus errechnet sich ein Energieverbrauch von 7249,8 kWh per anno. Als das Jugendzentrum 1976 fertiggestellt wurde, machte das niemandem große Sorgen. Heute ist es einer der wesentlichen Punkte bei der Beurteilung einer Immobilie.
Und es hätte erheblichen Aufwand erfordert, das Gebäude weiter zu nutzen. "Es war noch eine punktuelle Nutzung einiger Räume möglich. Andere wurden wegen Schadstoffbelastung nicht mehr genutzt", sagt Rainer Mattern. Am Ende habe sich die Kirchengemeinde entschlossen, das Jugendzentrum lieber zu veräußern. 650 000 Euro sind derzeit als Preis angesetzt.
"Wir werden sehen, ob und wie sich das Gebäude verkaufen lässt. Es wäre auch denkbar, dass die Kirchengemeinde von einem Investor Räume wieder zurück mietet", sagt Rainer Mattern. Der Gemeinde stehen derweil in benachbarten Orten kirchliche Räume zur Verfügung. Nicht so groß, aber so viel Platz wird wohl auch nicht oft benötigt. Mattern spricht von einem "veralteten Raumprogramm". Die 70er Jahre waren nicht nur bei Kirchengemeinden sondern auch bei weltlichen Kommunen eine Zeit, in der man sich vieles leisten konnte. Es entstanden Schwimmbäder, Freizeitzentren und Gemeindehäuser in Dimensionen, die nicht selten später zur finanziellen Belastung wurden.
Vielleicht findet sich für das Jugendzentrum ja eine Lösung, die auch wieder eine öffentliche Nutzung des Gemeindezentrums zulässt. Dann wäre es doch ein schöner Abschluss fürs Berufsleben, auch zum letzten Termin für die Zeitung über etwas zu schreiben, das dort stattfindet. Es muss ja nicht unbedingt eine Kinderbibelwoche sein. Die Einweihung nach einer gründlichen Sanierung wäre auch schön - gleich für welchen Zweck. Ich würde die Kamera wieder mitnehmen. Aber diesmal würde hoffentlich niemand - wie damals Roland Schwämmlein - einen Profifotografen hinter mir her schicken, um sicher zu sein, dass brauchbare Bilder zur Verfügung stehen. Es wäre mein zweiter Besuch. Die Zeit rast.