Druckartikel: Wenn es ohne Nähe nicht geht

Wenn es ohne Nähe nicht geht


Autor: Christoph Winter

Coburg, Dienstag, 14. April 2020

Gesundheitswesen in Corona-Zeiten: Bei Berufen des Gesundheitswesens kommen sich Menschen nahe. Wie dies virensicher geschieht, zeigt eine Physiotherapeutin. Denn sie musste die Erfahrung machen, dass Patienten aus Angst wegbleiben.
Bei Physiotherapeutin Annette Watzlawek wird wie in allen Praxen unter strengen hygienischen Bedingungen gearbeitet. Mund-Nasen-Schutzmasken stammen vom Katastrophenschutz, Desinfektionsmittel sind allgegenwärtig. "Jede medizinisch notwendige Behandlung darf und sollte stattfinden", so Watzlawek. Foto: Christoph Winter


Es war der 20. März, ein Freitag, als der bayerische Ministerpräsident Markus Söder (CSU) vor der Presse erklärte, Krankengymnasten, Ergotherapeuten und Logopäden dürften wegen der Corona-Pandemie nur in Notfällen behandeln. Auch wenn die Absolutheit dieser Aussage wenige Stunden später relativiert wurde, ist es seit dieser Zeit in den niedergelassenen physiotherapeutischen Praxen ruhig geworden. "Uns fehlen etwa 40 Prozent der Patienten", stellt Annette Watzlawek jetzt fest. Dabei arbeite die Praxis in der Coburger Seifartshofstraße noch die Verordnungen aus dem Monat März auf. Danach rechnet die Krankengymnastin mit einem weiteren Rückgang.

Im März hatte Annette Watzlawek eine Woche lang geschlossen. Medizinisch notwendige Behandlungen sind aber nach wie vor möglich und sinnvoll. "Medizinisch notwendig und geboten ist jede physiotherapeutische Behandlung, die von einem Arzt verschrieben worden ist. Patienten dürfen dann selbstverständlich kommen!"

Patienten sind darauf angewiesen

Denn Patienten mit Schmerzen, mit neurologischen Ausfällen, Personen, die einen Schlaganfall erlitten haben oder an Multipler Sklerose, Parkinson oder an einer Krebserkrankung leiden und auch vor kurzem eine Operation hatten, seien auf die mobilisierende Behandlung angewiesen. Zumal wegen der Corona-Pandemie viele Kliniken Betten frei hielten, verstärkt ambulant behandelten und Patienten vorzeitig entließen.

Die niedergelassenen Physiotherapeuten sind nach den Worten von Watzlawek durch die staatlich vorgegebenen Verhaltensregeln betroffen, die der Ausbreitung des Coronavirus entgegenwirken sollen. Das geforderte Abstandsgebot von 1,5 Metern sei natürlich in der Krankengymnastik nicht einzuhalten, stellt sie fest. Das habe sich bei den Patienten verfestigt. Und so habe sie gemerkt, dass vor allem ältere Patienten jetzt aus Angst vor einer Corona-Ansteckung auf eine Behandlung verzichteten.

"Risikopatienten muss man selbstverständlich schützen"

Vollstes Verständnis hat Annette Watzlawek für die erlassenen Beschränkungen, wonach die krankengymnastische Behandlung in Senioren- und Pflegeheimen sowie in Behindertenwohngruppen und -einrichtungen aktuell nicht stattfinden kann. "Diese Risikopatienten muss man selbstverständlich schützen." Allerdings zählen die niedergelassenen Physiotherapeuten zu den systemrelevanten Berufen "und dürfen daher auch jetzt arbeiten".

Auch deshalb sind die sonst geltenden zeitlichen Vorgaben für eine krankengymnastische Behandlung aufgehoben worden. Damit wird sonst festgeschrieben, wie viel Zeit zwischen Rezeptausstellung und Behandlungsbeginn maximal verstreichen darf.

Annette Watzlawek und ihre Mitarbeiterinnen tragen während der Arbeit alle Mund- und Nasenschutz, ebenso die Patienten. Die Behandlungsliegen werden nach jedem Patienten desinfiziert, "und wir waschen Hände ohne Ende", meint sie, und ein Lächeln ist hinter der Maske zu erahnen. Im Wartezimmer sitzen die Patienten nicht mehr nebeneinander, vielmehr wird im eigenen Pkw vor der Praxis gewartet. "Wichtig ist, dass unsere Patienten trotz der Corona-Pandemie behandelt werden und ihnen geholfen werden kann."