Druckartikel: Wenn der Helfer die Krise kriegt

Wenn der Helfer die Krise kriegt


Autor: Martin Koch

Coburg, Sonntag, 24. November 2013

Auch Feuerwehrmänner, Polizisten oder Pfarrer müssen die Bilder von Unfällen und Katastrophen "verdauen".
Wer sich in der Notfallseelsorge engagiert, muss mit sich selbst achtsam umgehen. Foto: ct


Manchmal könne man schon die Krise kriegen. "Ich pack das nicht mehr!" Die beiden Notfallseelsorger Christian Beck und Michael Reubel sprachen vielen der versammelten Feuerwehrleuten, den Mitarbeiten von Rettungsdiensten, Polizei und Katastrophenschutz geradezu aus der Seele. Beim Jahresgottesdienst der Notfallseelsorge in der Heilig-Kreuz-Kirche ging es um belastende Situationen in den Einsätzen.
"Uns alle verbindet das Gefühl, dass es uns manchmal reicht", sagte Religionspädagoge Reubel. "Wenn ein Einsatz den anderen jagt, wenn zu Hause auch noch das Chaos tobt, wenn es auf der Arbeit nicht läuft, dann ist der Moment gekommen, wo es uns zu viel wird." Der Feuerwehrmann, die Rettungsdienstmitarbeiterin, der Helfer im Katastrophenschutz fühle sich in einem Irrgarten gefangen und suche einfach nur einen Notausgang.
Aber: "Krisen gehören zum Leben dazu", stellte Diplom-Theologe Christian Beck wiederum fest.

"Das Leben ist immer ein Auf und Ab." Jede Krise sei eine Verlusterfahrung. "Jeder Verlust muss bewältigt und in mein weiteres Leben integriert werden." Mit jeder Krise sei auch Trauer verbunden. Krisen können der Verlust geliebter Menschen, der Verlust von Geborgenheit und Vertrauen sein. Krisen gebe es eben auch in Einsätzen, der Verlust von Sicherheit und Professionalität, Enttäuschung, Wut und Ärger.
Beck empfahl der Gemeinde beim Notfallseelsorgegottesdienst, sich den Krisen aktiv entgegenzustellen und sich nicht von den Krisenwellen, gleich einem Tsunami einfach mitreißen zu lassen. Er verglich den Menschen, der eine Krise bewältigen müsse, mit einem Ruderer. Die zwei Ruder seien zum einen der "Abstand" und zum andern " "Auseinandersetzung". Beide Ruder müssten aufeinander abgestimmt synchron eingesetzt werden, um sich nicht im Kreise zu drehen. Um dieser Gefahr zu begegnen, sei es sinnvoll sich einen Steuermann zu suchen. Das könne ein guter Freund oder ein erfahrener Seelsorger sein: "Manchmal wird es dir einfach helfen, wenn du bei jemandem, dem du vertrauen kannst, deinen ganzen Seelenmüll, alles was dich belastet, einfach mal abladen kannst." Und schließlich sei auch noch Gott da, dem man sein Leid klagen könne, bei dem man sich über sein Schicksal beschweren könne. "Er hält das mehr aus, als jeder Mensch!" Dekan Andreas Kleefeld erinnerte an die andere Seite des Gebotes der Nächstenliebe ("wie dich selbst"): "Wer anderen helfen will, muss achtsam mit sich selber umgehen." Kreisbrandrat Manfred Lorenz überbrachte die Grüße von Landrat Michael Busch, verbunden mit einer Zuwendung für die Arbeit der Notfallseelsorge. Für die musikalische Ausgestaltung des Gottesdienstes sorgte die Holy-Cross-Band mit Markus Wecker, Birgit Kleefeld und Reinhard Engel.
Nach dem Gottesdienst konnten sich die Teilnehmer im Gemeindesaal bei deftiger Kost, kühlem Bier und guten Gesprächen nach der geistlichen auch die weltliche Stärkung holen. Notarzt und Stadtrat Martin Lücke ist schon seit Jahren bei den Jahresgottesdiensten dabei. "Der Jahresgottesdienst ist eine Freude" sagte Lücke. Man treffe sich in einem Rahmen abseits der Einsätze. Es werde deutlich, dass man von vielen Seiten Unterstützung bekomme, von links und von rechts, also den Kollegen im Einsatz, aber auch von oben. "Es gibt auch noch einen höheren Bezug." Das erste Mal dabei war Kevin Agwanda aus Kenia. Der 29-jährige Architekturstudent von der Hochschule Coburg hat bei einem Kompressorenhersteller ein Praktikum gemacht und wurde dort von seinem Arbeitskollegen und Freund, Thomas Döll, für die Feuerwehr begeistert. Und es gefällt ihm einfach bei der Feuerwehr zu sein. Noch nicht so lange dabei wie Martin Lücke oder Thomas Döll sind Frederic Beil, Hinnerk Flessa sowie die beiden Brüder Louis und Matthis Müller. Sie sind seit 2012 und 2013 bei der THW-Jugend. Die trifft sich alle zwei Wochen in Dörfles-Esbach, und es mache einfach Spaß - "und nützlich ist es ja sowieso".