Druckartikel: Wenn das "Haus der Bäuerin" in Buchenrod erzählen könnte ...

Wenn das "Haus der Bäuerin" in Buchenrod erzählen könnte ...


Autor: Gabi Arnold

Buchenrod, Dienstag, 27. Sept. 2016

302 Jahre ist das auffällige Fachwerkhaus in der Ortsmitte von Buchenrod alt. Nun wurde dessen Geburtstag nachträglich gefeiert.
Rainer Wessels und Peter Reißenweber stehen auf der Treppe vor dem Eingang des "Hauses der Bäuerin", der früheren Gemeindeschmiede. Das Haus wurde im Jahr 2014 300 Jahre alt. Jetzt feierten die Buchenroder dieses Jubiläum nach. Foto: Gabi Arnold


Gemeindeschmiede, Badeanstalt, Milchhäuschen, Amtsstube und sogar eine Näherei für Miederwaren und Dessous war in dem Fachwerkhaus in der Ortsmitte von Buchenrod untergebracht: Das "Haus der Bäuerin" hat eine lange und bewegte Geschichte. Im Jahr 1714 wurde das Fachwerkhaus - als zweitälteste Gemeindeschmiede nach Rossach - in der Gemeinde Großheirath gebaut. Jetzt feierte die Gemeinde mit ein bisschen Verspätung das 300. Jubiläum. Den Festvortrag hielt Rainer Wessels, Anekdoten erzählte Peter Reißenweber.

Viele Nutzungen, sagte Bürgermeister Udo Siegel (CSU/Bürgerblock) in seiner Begrüßung, habe das Haus erlebt. "Aber es war immer ein Kommunikationspunkt." So werde es auch heute von den Ortsvereinen genutzt, die das kleine Wirtshaus im Untergeschoss am Wochenende betreiben und mit Leben erfüllen.



Rainer Wessels kommt aus Ostfriesland und lebt seit vielen Jahren in dem Großheirather Gemeindeteil. Der Architekt hat vor einigen Jahren gleich in der Nähe des Hauses der Bäuerin ein Anwesen nach altem Vorbild mit viel Liebe zum Detail hergerichtet und bewohnt dieses. Der Bauforscher hat ein Faible für alte Häuser, er hat die Geschichte der Gemeindeschmiede recherchiert und den Festvortrag mit Dokumenten und Bildern gestaltet.
"Eine Schmiede war existenziell wichtig für einen Ort wie Buchenrod", berichtete er. In der ortstypischen Fachwerkbauweise des frühen 18. Jahrhunderts wurde die Gemeindeschmiede demnach gebaut; hier tagte einst auch der Gemeinderat und hielt Gericht.


Etliches wurde verändert

Das Haus erfuhr im Laufe der Jahrzehnte viele Umbauten: Eingänge wurden verändert, Dachhauben kamen hinzu und ein Nebengebäude wurde angebaut. Der von der Gemeinde angestellte Schmied lebte Wessels Worten nach in einer Wohnung im Erdgeschoß, im oberen Geschoss befanden sich die Gemeindestube und Nebenräume. Jedes Geschoss verfügte über eine Küche, mit der die Stuben beheizt wurden.

"Urbuchenroder" Peter Reißenweber erinnert sich noch gut an diese Zeiten. "Als Kinder haben wir noch viel erlebt, wir sind täglich in die Schmiede mit Zürdelsocken und Pantoffeln. Man kann sagen, wir waren mit dem Schmied gut verbandelt." Der Schmied sei seinerzeit Anlaufstelle und Mittelpunkt des dörflichen Lebens gewesen.


Büstenhalter, Mieder und Corsagen wurden hier genäht

Im Jahr 1954 wurde aus der Gemeindeschmiede ein "Haus der Bäuerin" mit Wirtschaftsräumen, Backraum, Mangelraum in der ehemaligen Schmiede und Kelterei im ehemaligen Stall. Eine Badeanstalt mit Badewanne und drei Duschen für die Dorfbewohner wurde installiert. Die Schmiede zog in den Anbau ein. Wie Peter Reißenweber erzählte, befand sich eine Loskammer für die Nutzung des Backofens im Keller und sogar die Escora sei für einige Jahre in das Obergeschoss eingezogen. "Büstenhalter, Mieder und Corsagen wurden hier genäht", sagte er schmunzelnd.

Ein Meilenstein in der Geschichte des kleinen Orts war der Anschluss an die Gemeinde Großheirath im Jahr 1971. "Die jahrhundertealte Ära des Gemeindeschmiedes endete erst im Jahr 1994." Die Schmiede wurde zum Feuerwehrhaus umgebaut. In der Folge wurde das prägnante Haus mit viel Eigenleistung der Ortsbürger umgestaltet und im Jahr 2004 eingeweiht. Der Umbau, so Reißenweber, sei ein gewaltiger Schritt für Buchenrod gewesen. "Wir haben den Sprung gewagt mit all seinen Möglichkeiten."

Nach dem offiziellen Teil wurde noch zünftig gefeiert, sogar das letzte Hausmeisterehepaar, das von 1960 bis 1971 in dem Haus lebte, war gekommen. Hanna und Harald Wiedemann erinnerten an die vergangene Zeit in Buchenrod und tauschten viele Anekdoten mit den Ortsbürgern aus.