Weidhäuser Sänger sind gut gerüstet für Heiligabend
Autor: Berthold Köhler
Weidhausen bei Coburg, Samstag, 22. Dezember 2012
Der Kirchenchor Weidhausen ist gut gerüstet für den Heiligabend-Gottesdienst.
Dieses lang gezogene "Glo-ho-ho-ho-horia" beim "Alten französischen Weihnachtslied" ist aber auch eine knifflige Sache. Da muss Chorleiter Karl Herzog sogar ein paar Mal mit den Frauen aus dem Alt alleine üben, ehe jeder Ton richtig sitzt. "Wenn ein Sänger eine Zehntelsekunde eher dran ist, dann ist das hörbar", sagt Herzog. Und gerade beim Gottesdienst am Heiligen Abend soll das natürlich nicht der Fall sein. Deshalb probt der Kirchenchor schon seit gut zwei Monaten jeden Donnerstag für seinen Auftritt beim Abendgottesdienst um 22 Uhr.
Auch wenn es sich um dem Heiligen Abend handelt - Nervosität kommt bei den Sängern nicht auf. Die Stimmung bei der Singstunde ist fröhlich und ausgelassen. "Das ist immer so", sagt Chorleiter Herzog, der im "normalen Leben" an der Sonnefelder Schule unterrichtet. Bei der Chorprobe sind seine Schützlinge ein bisschen älter als die in der Schule - die Sänger wurden meist in den 30er, 40er und 50er Jahren geboren. "Dennoch ist es als Chorleiter nicht schlecht, wenn man ein bisschen pädagogische Erfahrung mitbringt", sagt Herzog und grinst.
Bei der letzten vorweihnachtlichen Singstunde agiert der 61-Jährige aber nicht wie ein Lehrer, sondern eher wie ein Fußballtrainer. Immer wieder unterbricht er den Gesang, gibt Tipps und lässt schwierige Passagen mehrfach singen. So dauert es eine gute Stunde, bis alle fünf Lieder für den Weihnachtsgottesdienst durch sind. Und immer wieder sagt Herzog: "Herschauen!" Denn wer das Einsatz-Zeichen des Dirigenten verpasst, bringt alles aus dem Lot.
Früher, da erinnert sich Tenor Peter Tatzel noch gut, waren die Weidhäuser sogar ein geprüfter Leistungschor. 2001 war das. Inzwischen ist die Singgemeinschaft Weidhausen Geschichte - der Verein wurde im Herbst liquidiert, die Aktiven blieben aber als Kirchenchor zusammen. "Kein einziger Sänger hat aufgehört", sagt der ehemalige Vorsitzende Gerhard Lindner ein bisschen stolz. Letztlich habe man den eingetragenen Chor nur deswegen auflösen müssen, weil sich - altersbedingt - keine Personen mehr fanden, die eine Führungsposition wie die des Vorsitzenden übernehmen wollten. Aber das Singen selbst, das wollte niemand aufgeben. "Und die Geselligkeit sowieso nicht", versichert Lindner.
Hallo, Frau Pfarrerin
Damit kann auch der Chorleiter leben. "Bei uns steht der Spaßgedanke inzwischen vor dem Leistungsgedanken", sagt Lindner, der Schmölzer, der auch Weidhäuser Kirchenkantor ist. Deshalb wird er auch nicht nervös, als Pfarrerin Heidi Reith ausgerechnet bei der Generalprobe hereingeschneit kommt und sich bei den rund 40 Sängern für ihr Engagement das Jahr über bedankt. Ein Schneidbrett und eine Wurst bekommt jeder Aktive - da kann sich zehn Minuten lang natürlich niemand konzentrieren. Erst recht nicht, weil Reith ihre kleine Tochter Rebekka (siebeneinhalb Monate) mitgebracht hat, die die Frauenwelt begeistert. Derweil steht Karl Herzog am Klavier, nippt am Kellerbier und wartet, bis sich die Damen beruhigt haben. Und wie sagte Herzog schon eine halbe Stunde vorher beim Eingangslied? "Die Frauen, die machen, was sie wollen. Da sind wir Männer machtlos."
Dann geht es weiter. "Es ist ein Ros' entsprungen." Auch hier gibt es knifflige Stellen, wieder für die Frauen aus dem Alt. Die singen ein bisschen zu tief, findet Herzog, der deshalb immer wieder auf dem Klavier den richtigen Ton anschlägt. Das mit den hohen Tönen ist immer ein Problem in einem Chor, in dem junge Stimmen fehlen. "Wenn man ein bisschen älter ist, kommt man nicht mehr so hoch hinauf", weiß Gerhard Lindner. Warum den Chören in Deutschland immer mehr Stimmen fehlen, weiß der Sänger-Routinier mit 55 Jahren Erfahrung dagegen nicht. "Singen macht doch Spaß", wundert sich Lindner. Seine Vermutung ist, dass sich die jüngere Generation einfach nicht mehr so verpflichten lassen will wie er und seine Freunde es früher taten. 44 Singstunden hatte der Kirchenchor heuer. Da ist Zuverlässigkeit gefragt. Die bringt nicht jeder auf. Lindner wählt einen Vergleich aus dem Sport: "Einzelsportler tun sich immer leichter. Wer Mannschaftssport betreibt, auf den muss man sich verlassen können."
Nach 70 Minuten Singen und einer weiteren Pause, weil der Teller mit Geburtstagsplätzchen von Ingrid Backert kreist, räumt Karl Herzog seine Liederblätter zusammen. Er ist zufrieden. Vom gesanglichen her dürfte der Heiligabend-Gottesdienst eine gelungene Sache werden. Nur eine Sache treibt den Kantor und geprüften Kirchenmusiker noch ein bisschen um: "Um 22 Uhr ist es nicht mehr ganz einfach, die Sänger in die richtige weihnachtliche Stimmung zu bringen. "Wer wisse schon, wie viel Kartoffelsalat, Würstchen, Plätzchen und vielleicht auch Punsch vorher schon im Spiel waren? Bei dieser Befürchtung lacht Gerhard Lindner herzhaft auf und versichert: "Beim Essen und Trinken haben wir schon Übung. Wir sind doch ein mit allen Wassern gewaschener Haufen." Live zu erleben am Montag, 22 Uhr. Nur in der Kirche.