Druckartikel: Was ist es wert, eine Brose-Straße zu haben?

Was ist es wert, eine Brose-Straße zu haben?


Autor: Simone Bastian

Coburg, Freitag, 03. April 2015

Im seit Wochen schwelenden Zwist um die Benennung einer Straße in Coburg nach dem Gründer der Firma Brose, Max Brose, hat sich nun auch der Altoberbürgermeister zu Wort gemeldet: Norbert Kastner kritisiert dabei den "latenten Antisemitismus", der bei vielen Diskussionsbeiträgen zu spüren sei.
Ein Streit, der nach Ansicht von Norbert Kasdtner schon viele in Coburg nervt: Braucht die Stadt eine Brose-Straße?


Was wäre eine Entscheidung des Stadtrats für eine Max-Brose-Straße wert? Diese Frage hat Altoberbürgermeister Norbert Kastner (SPD) am Karfreitag in einem Interview mit dem Lokalsender "Radio Eins" aufgeworfen. Kastner spricht in diesem Zusammenhang von Druck, der auf den Stadträten laste: "Da geht es auch ganz klar um die Angst, ob Arbeitsplätze aus der Stadt verlegt werden, um damit auch um die Sorgen einzelner Stadträte um Arbeitsplätze von Familien."

Schon 2004 hatte der Stadtrat in nichtöffentlicher Sitzung darüber diskutiert, die Von-Schultes- in Max-Brose-Straße umzubenennen. Das Vorhaben scheiterte knapp - es gab seinerzeit weder für den Vorschlag Max-Brose-Straße noch für den Vorschlag Brose-Straße eine Mehrheit, obwohl Kastner sich als Oberbürgermeister für "Max-Brose-Straße" ausgesprochen hatte.

An der Von-Schultes-Straße liegt das Stammwerk des Coburger Fahrzeugteileherstellers Brose, Max Brose (1884 bis 1968) war der Firmengründer. Sein Enkel und damaliger Geschäftsführender Gesellschafter, Michael Stoschek, war über die Entscheidung des Stadtrats am Ende so erbost, dass die Firma Brose seither keine Spenden mehr an soziale Einrichtungen und Vereine in Coburg gibt. Stoschek sah durch die damalige Entscheidung den Ruf seines Großvaters beschädigt, weil für einige Stadträte bei ihrer Entscheidung eine Rolle spielte, dass Max Brose im Dritten Reich Mitglied der NSDAP gewesen war und Brose Zwangsarbeiter beschäftigt hatte. Nach Kriegsende war er im Entnazifizierungsverfahren als "Mitläufer" eingestuft worden - besser wäre nur das Urteil "entlastet" gewesen.

Latenter Antisemitismus

Das ist auch der Grund, warum der Zentralrat der Juden in Deutschland es nicht gutheißt, wenn eine Straße nach Max Brose benannt würde. Brose tauge als "Mitläufer" nicht zum Vorbild. Damit, sagte Kastner im Interview, müsse man sachlich umgehen. Vom Zentralrat als Vertreter der größten Opfergruppe des Dritten Reichs sei nicht zu erwarten, dass er "Beifall klatscht". Was ihn bestürze, sei der latente Antisemitismus, der in Reaktionen auf die Kritik des Zentralrats deutlich werde: "Das macht mich sehr betroffen."

Kastner geht davon aus, dass das Thema Max-Brose-Straße eines Tages wieder beim Stadtrat liegen wird. "Wie das dann im Einzelnen ablaufen wird, hat der Oberbürgermeister, hat der Stadtrat zu entscheiden". Er glaube, dass viele Coburger von der Diskussion genervt seien und nun einfach Ruhe wollten, sagte der Alt-OB. Das gelte auch für Stadtratsmitglieder: "Ich kann mir vorstellen, dass der eine oder andere entscheidet, um zu sagen, ich will endlich mal meine Ruhe, und tut das mit einem schlechten Gewissen." Rational diskutieren lssse sich das Thema ohnehin kaum mehr. "Ich glaube, es ist ein Unterschied, ob eine Straßenbenennung stattfindet mit großen Mehrheiten und großem öffentlichen Beifall, oder ob man dann eine Entscheidung bekommt, wo man das Gefühl hat, naja, man hat sich irgendwo gebeugt. Aber das muss dann jeder mit sich selbst ausmachen."

Hier ist das Interview zu finden http://www.radioeins.com/mediathek/audio/altoberbuergermeister-kastner-zur-brose-diskussion